Elon Musk zum Mond schießen – Warum es Zeit ist, die Überrepräsentation männlicher Genies zu überdenken

Die Geschichte ist voller berühmter Männer, die die Welt verändert haben. Namen wie Elon Musk, Christoph Kolumbus, Leonardo Da Vinci, Albert Einstein, Steve Jobs und Immanuel Kant dominieren unsere Vorstellung großer Denker und Visionäre. Doch warum ist das so? Und wie können wir diesen Trend ändern? Diese Fragen haben Till Hasbach, Gründer des Innnovationsspiels Moonshot, dazu gebracht, seine Perspektive zu überdenken und nach Möglichkeiten zu suchen, weibliche Genies gleichermaßen zu würdigen und zu fördern. 

von Team, 20. August 2024 um 07:56

Dieser Gastartikel wurde verfasst von Till Hasbach, von Moonshot.


Als Spieleentwickler, Gründer und Kreativitätsforscher habe ich seit der Entwicklung meines Innovationsspiels Moonshot in 2018 immer stärker gemerkt, dass auch in meiner eigenen Kreation männliche Visionäre komplett überrepräsentiert sind.

Das Narrativ des männlichen Genies

Elon Musk ist seit 2018 ein fester Bestandteil des Innovationsspiels Moonshot. Als erfolgreicher Unternehmer und Visionär, der Unternehmen wie SpaceX und Tesla gegründet hat, symbolisiert er die Idee des großen Denkens und des unermüdlichen Strebens nach Fortschritt. Doch in den letzten 1,5 Jahren habe ich begonnen, dieses Bild zu hinterfragen. Denn mit seinem kontroversen Geschäftsgebaren bei Twitter, seinem großen politischen Einfluss und Machtgehabe gibt es einige Gründe, sein Bild in unserem Innovationsspiel Moonshot zu überdenken.

Das Narrativ des »männlichen Genies« reicht weit zurück. Namen wie Christoph Kolumbus, der als Entdecker Amerikas gefeiert wird, oder Leonardo Da Vinci, das Universalgenie der Renaissance, prägen unser kulturelles Gedächtnis. Albert Einstein revolutionierte die Physik, während Steve Jobs die digitale Revolution vorantrieb. Immanuel Kant formte die Philosophie, und Magnus Carlsen dominiert die Schachwelt. Diese Namen stehen für herausragende Leistungen und Visionen, die die Welt verändert haben. 

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Ursachen der Überrepräsentation

Dass es so viel mehr männliche als weibliche berühmte Philosoph:innen, Erfinder:innen oder Geschäftsleute gibt, liegt an vielen Faktoren:

  1. Zugang zu Bildung und Ressourcen: Männer hatten über die längste Zeit der Geschichte hinweg Zugang zu Bildung und Ressourcen, die Frauen verwehrt blieben. Dies führte dazu, dass Männer eher in der Lage waren, bedeutende Entdeckungen und Innovationen zu machen.
  2. Selbstvermarktung: Männer haben oft eine bessere Selbstvermarktung betrieben und ihre Errungenschaften in den Vordergrund gestellt. Dies hat dazu beigetragen, dass ihre Namen in der Geschichte bekannter wurden.
  3. Selbstvertrauen und Risikobereitschaft: Männer sind häufig überzeugter von sich selbst und neigen dazu, größere Risiken einzugehen. Diese Eigenschaften haben ihnen geholfen, sich in wettbewerbsintensiven Bereichen durchzusetzen.
  4. Biologie: Frauen bekommen Kinder und sind und waren schon immer stärker eingebunden in Care Arbeit, die ihnen entsprechend weniger Zeit im Büro, Labor oder im Dschungel verschafft. 
  5. Männliche Vorbilder: Die Existenz männlicher Vorbilder hat nachfolgende Generationen von Männern inspiriert und motiviert, ebenfalls Großes zu leisten.

Ein weiterer wichtiger Faktor, der zur Unterrepräsentation von Frauen in der Geschichte beiträgt, ist der sogenannte Matilda-Effekt. Dieser Begriff beschreibt das Phänomen, dass die Beiträge von Frauen in Wissenschaft und Innovation systematisch übersehen, ignoriert oder männlichen Kollegen zugeschrieben werden. Der Matilda-Effekt hat dazu geführt, dass viele bahnbrechende Arbeiten von Frauen in der Vergangenheit wenig Anerkennung fanden, obwohl sie maßgeblich zur Weiterentwicklung ihrer Fachgebiete beigetragen haben. Namensgebern des Effekts ist die Frauenrechtlerin und Soziologin Matilda Joslyn Gage.

Weibliche Genies in der Geschichte

Obwohl Frauen historisch gesehen oft im Schatten ihrer männlichen Kollegen standen, gibt es viele bemerkenswerte weibliche Genies, deren Beiträge zur Weltgeschichte oft übersehen oder unterschätzt werden. Hier sind einige Beispiele:

  • Jane Goodall: Eine britische Primatologin und Anthropologin, bekannt für ihre bahnbrechenden Studien über Schimpansen und ihr lebenslanges Engagement für den Umwelt- und Tierschutz.
  • Marie Curie: Die einzige Person, die Nobelpreise in zwei verschiedenen Wissenschaften (Physik und Chemie) gewonnen hat. Ihre Forschungen zur Radioaktivität waren bahnbrechend und haben die moderne Wissenschaft entscheidend geprägt.
  • Ada Lovelace: Als Pionierin der Computerprogrammierung erkannte sie das Potenzial von Maschinen weit über einfache Berechnungen hinaus und legte den Grundstein für die moderne Informatik.

Diese Frauen haben trotz zahlreicher Hindernisse bedeutende Beiträge geleistet und verdienen es, im gleichen Atemzug wie ihre männlichen Kollegen genannt zu werden.

Die Notwendigkeit des Wandels

Die Überrepräsentation männlicher Genies im kulturellen Gedächtnis und in der populären Kultur ist nicht nur ungerecht, sondern auch unproduktiv. Sie verstärkt stereotype Geschlechterrollen und hindert viele talentierte Frauen daran, ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Es ist an der Zeit, dieses Ungleichgewicht zu korrigieren und weibliche Genies in den Vordergrund zu stellen.

Die Frage stellt sich jetzt, was ich als Mann tun kann, um dem etwas entgegensetzen zu können: Im Kontext des Innovationsspiels Moonshot, in dem Elon Musk als Paradebeispiel für visionäres Denken dargestellt wird, ist es an der Zeit, über eine Neubesetzung nachzudenken. Seine umstrittenen Handlungen und der große politische Einfluss werfen die Frage auf, ob er weiterhin das beste Beispiel für die nächste Generation von Innovator:innen ist.

Selbstkritischer Gedanke

© Till Hasbach
Mit meinem LinkedIn-Post zu diesem Thema habe ich 55.000 Personen erreicht und mehr als 180 Kommentare bekommen. Auf der einen Seite stelle ich damit Frauen nach vorne und trage zu einer wichtigen Diskussion bei. Auf der anderen Seite promote ich mich natürlich auch irgendwie selbst und meine Marke. Dieser Balanceakt zwischen echtem Engagement und Selbstvermarktung ist eine Herausforderung und ehrlich gesagt habe ich hierfür auch noch keinen perfekten Weg gefunden. Aber vielleicht kann ich damit Vorbild für andere männliche Gründer sein, die ihre Produkte überdenken und auch mehr weibliche Heldinnen einbauen. Dies wäre ja schon ein Anfang. 

Ein neuer Ansatz: Frauen im Fokus

In unserer nächsten Großproduktion in diesem Jahr wird Elon Musik im neuen Challenge-Kartendeck durch Pipi Langstrumpf ersetzt. Darüber hinaus ersetzen wir einige Bilder männlicher Charaktere, die auch bei uns überrepräsentiert sind, mit weiblichen Bildern. Zuletzt wollen wir ein neues Spiel mit dem Titel »Stellar Heroines« entwickeln. Dieses Deck wird bedeutende weibliche Genies und Visionärinnen hervorheben und deren Beiträge würdigen. Die Einnahmen aus diesem Kartendeck sollen dann zu 25 % an Organisationen gespendet werden, welche Frauen und Mädchen als Unternehmerinnen unterstützen. Wenn ihr passende Organisationen kennt, dann meldet euch bitte bei mir hierzu.   

© Till Hasbach

Was wir mitnehmen

Die Überrepräsentation männlicher Genies im kulturellen Gedächtnis ist ein Spiegelbild historischer Ungleichheiten. Um eine gerechtere und produktivere Zukunft zu gestalten, müssen wir die Geschichten und Beiträge von Frauen stärker in den Vordergrund rücken. Indem wir weibliche Vorbilder anerkennen und fördern, können wir die nächste Generation von Innovator:innen inspirieren und eine Kultur der Chancengleichheit schaffen.

Der Austausch von Elon Musk im Moonshot-Deck durch Pipi Langstrumpf ist ein kleiner Schritt in diese Richtung. Besonders die Resonanz hierzu hat gezeigt, wie relevant und tagesaktuell das Thema ist. Auch wenn es erst mal nur ein Schritt ist, soll er zeigen, dass wir bereit sind, eine Zukunft zu gestalten, in der alle Talente – unabhängig vom Geschlecht – die Anerkennung und Wertschätzung erhalten, die sie verdienen.

© Norman Posselt
Über den Autor

Till Hasbach ist Kreativitätsexperte und Entwickler von Moonshot – The Innovation Game. Er kreiert Werkzeuge, um Zusammenarbeit in Organisationen zu gestalten und den kreativen Willen in Menschen zu wecken. Dies macht er im Rahmen des von ihm in Berlin gegründeten Start-Ups “Playful Business” und als Dozent an der Universität der Künste Berlin. Eine eigens mit der Telekom Stiftung entwickelte EDU Version von Moonshot, wird mittlerweile an über 500 Schulen eingesetzt zur Förderung von Kreativitätskompetenzen von Schüler*innen. Er ist davon überzeugt, dass vor allem durch spielerisch motivierende Methoden fruchtbare Lernräume geschaffen werden können.

Folge Till auf LinkedIn.

Quellen

  • Grant, Linda, und Larry L. Smith. „Women in Academia: Gender Bias in Higher Education.” Journal of Higher Education, vol. 67, no. 1, 1996, pp. 1-27.
  • Cooley, Charles Horton. „The Self as Sentiment and Reflection.” Human Nature and the Social Order, 1902.
  • Wagner, David. „Self-Confidence and Risk-Taking in High-Risk Occupations.” Journal of Occupational Health Psychology, vol. 10, no. 2, 2005, pp. 120-130.
  • Bandura, Albert. „Social Learning Theory.” Prentice Hall, 1977.

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