Du bist Gründerin von Work That Period und möchtest mit deinem Unternehmen Aufklärungs- und Beratungsarbeit für Zyklus Empowerment leisten. Was genau bedeutet dieser Begriff für dich?
Für mich drückt dieser Begriff vor allem aus, dass wir uns von dem gängigen Narrativ rund um den Menstruationszyklus lösen und uns von schädlichen Stereotypen befreien. Wer sich Wissen über den eigenen Körper und Zyklus aneignet, es in den (Arbeits-)Alltag integrieren und offen kommunizieren kann, ist für mich in dieser Hinsicht »empowert«.
Einfluss der Menstruation auf die Arbeit
Kannst du Beispiele für Menstruationssymptome und Bedürfnisse nennen, die bei vielen menstruierenden Menschen abhängig von der Zyklusphase auftreten und sich auf ihre Arbeit auswirken können (z.B. Energielevel, Produktivität…)?
Die meisten Symptome treten ab der zweiten Zyklushälfte und während der Periode auf. Hierbei finde ich es wichtig zu verstehen, dass bei manchen Betroffenen zwar nur einzelne Symptome auftreten, viel häufiger aber mehrere Symptome auftreten, die sich gegenseitig verstärken können.
Die häufigsten Beschwerden, die ich in meiner Arbeit erlebe, weil sie sich auf direkt oder indirekt auf die Arbeit auswirken, sind Periodenschmerzen, Veränderungen der Konzentrationsfähigkeit, stimmungsbedingte Symptome, mangelnde Energie und Verdauungsbeschwerden. Was all diese Symptome gemeinsam haben, ist, dass Stress einen starken Einfluss auf die Stärke der Symptome hat. Und auch allgemein würde ich sagen: Je mehr Stress, desto mehr Zyklusbeschwerden!
Wenn wir uns anschauen, wie diese Beschwerden die Arbeit beeinflussen, dann sehen wir, dass starke Symptome einerseits die Leistung beeinflussen, und darüber hinaus auch von der eigentlichen Arbeit ablenken. Das ist vor allem dann der Fall, wenn Betroffene sich nicht auf die Bewältigung ihrer Symptome konzentrieren und Unterstützung finden können. Dann haben sie nicht nur mit den Symptomen selbst zu kämpfen, sondern sind auch noch damit beschäftigt, diese zu verheimlichen oder wegzulächeln. Das kostet zusätzlich Kraft!
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Gestaltung periodenfreundlicher Arbeitsplätze
Welche Ansätze und Methoden wendest du bei deiner Beratung an, um Unternehmen dabei zu unterstützen, sich periodenfreundlicher auszurichten? Wie konkret läuft eine solche Beratung ab?
Das kommt erst einmal darauf an, mit wem ich spreche, und ob ich selbst noch Überzeugungsarbeit leisten muss. Oft ist es nämlich immer noch so, dass angenommen wird, dass die menstruierende Belegschaft genau ein Bedürfnis hat: eine Blutung zu stillen. Dass es über die Bereitstellung von Periodenprodukten hinaus meist noch einiges zu tun gibt, darauf muss man sich dann erst einmal einigen.
Es passiert aber auch, dass es Mitarbeiterinitiativen gibt, die in diesem Bereich bereits großartige Arbeit leisten und konkrete Ideen haben, wie diese in der Unternehmensstruktur verankert werden könnten.
So oder so ist einer meiner Ansätze, dass wir nach Möglichkeiten suchen, die Belegschaft selbst einzubinden, weil diejenigen, die selbst von möglichen Anpassungen betroffen sind, am besten wissen, was den Arbeitsplatz für sie periodenfreundlicher machen würde. Das funktioniert am besten über interne Umfragen.
Der sog. “Menstruationsurlaub” ist in diesem Zusammenhang der bislang wohl am häufigsten diskutierte Ansatz. Ist dies aus deiner Sicht eine gute “Allround-Lösung”?
Bei dem Wort fängt es schon an, dass wir ganz viele Menschen verlieren, die sich eigentlich klar für eine Lösung aussprechen würden, die die Situation für Frauen und Menschen mit Zyklus verbessern würde. Denn diejenigen, die davon tatsächlich Gebrauch machen würden, leiden unter extrem einschränkenden Periodenschmerzen oder -symptomen. Das hat nichts mit Urlaub zu tun!
Und genau deshalb, also weil es nur eine - wenn auch die am stärksten betroffene - Gruppe betrifft, halte ich es keinesfalls für eine »Allround-Lösung«. Für mich trägt diese potenziell eher noch dazu bei, dass wir den Zyklus und die Periode als etwas sehen, das arbeitsunfähig macht, was dann wiederum Lösungen im Weg steht, die mit kleinen Anpassungen und einer Bewusstseinsschaffung allen menstruierenden Mitarbeitenden zugutekommen.
Ich glaube aber auch, dass mehr Forschung zu diesem Thema nötig ist, um herauszufinden, ob eine solche Lösung negative Stereotypen verstärken könnte und ob die Betroffenen das Angebot überhaupt wahrnehmen würden.
Wie sieht ein vorbildlich menstruationsangepasster Arbeitsplatz aus? Kannst du uns ein paar konkrete Beispiele geben? Und was ist eine »period policy«?
Puhh. Gute Frage! Ich würde sagen, dass ein Arbeitsplatz, in dem die Bedürfnisse von Menstruierenden einerseits mit einbezogen werden, andererseits auch die Möglichkeit besteht, über Herausforderungen in diesem Zusammenhang zu sprechen und Unterstützung zu erlangen.
Das klingt erstmal abstrakt, beinhaltet aber einige konkrete Punkte, die dafür angegangen werden müssen. Zum Beispiel kann es hilfreich sein, eine Ansprechperson für dieses Thema zu benennen und diese auch klar zu kommunizieren, ein paar Grundbedürfnisse abzudecken, also darauf zu achten, dass die Toiletten so ausgestattet sind, dass auch im Falle einer überraschend eintretenden Periode der Arbeitsplatz nicht verlassen werden muss. Für viele, die z.B. das Bedürfnis nach mehr Pausen oder Ruhe haben, ist es wertvoll, wenn sie einen Ruheraum haben oder wenn sie flexibler arbeiten können. Bei all dem ist eine der Voraussetzungen aber, dass diese Möglichkeiten auch von den Angestellten genutzt werden können, heißt, dass der Workload und die Zusammenarbeit im Team es ermöglicht, (öfter) zur Toilette zu gehen, sich kurz auszuruhen oder früher nach Hause zu gehen.
Genau da kommen die »period policies« ins Spiel. Mit diesen werden Richtlinien geschaffen, die die Bedürfnisse der menstruierenden Belegschaft einbeziehen und die gezielte Maßnahmen festlegen, um ein periodenfreundliches Arbeitsumfeld zu schaffen.
Vorteile für Arbeitgeber
Warum profitieren nicht nur Frauen und menstruierende Arbeitnehmende, sondern auch die Arbeitgeber, wenn sie eine offene Kommunikation über das Thema Menstruation aktiv fördern?
Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und sagen, dass auch Mitarbeitende, die selbst nicht menstruieren, z.B. Teammitglieder, davon profitieren. Letztlich geht es um eine offenere Kommunikation von Tabuthemen, und es besteht auch eine sehr enge Verbindung zum Thema psychische Gesundheit und anderen Gesundheitsthemen.
Eine offene Kommunikation kann dazu beitragen, dass sich mehr Arbeitnehmende der Bedeutung ihres Menstruationszyklus für ihre allgemeine Gesundheit bewusst werden und lernen, wie sie mit möglichen Herausforderungen besser umgehen können. Dadurch können sie sich nicht nur besser auf ihre Arbeit konzentrieren, sondern auch Stress minimieren.
Wie kann ich als Mitarbeitende das Thema Menstruation gegenüber einem Arbeitgeber, der dafür noch eher wenig sensibilisiert ist, ansprechen? Wie kann ich gut mit der noch immer vorherrschenden Tabuisierung des Themas umgehen?
Hier würde ich sagen, dass ein ganz zentraler erster Schritt sein kann, sich Verbündete zu suchen, also zu schauen, wer sich noch für das Thema einsetzen möchte und sich so gemeinsam eine Strategie zu überlegen, das Thema eine Ebene höher zu bringen.
Intersektionalität und Menstruation
Beschäftigst du dich im Rahmen deiner Arbeit auch mit anderen Facetten von Diversity?
Unbedingt! Durch meine Vernetzung in diesem Bereich und weil meine Beratung regelmäßig als Beitrag zu einer umfassenden Diversitätsstrategie angefragt wird, lerne ich ständig dazu. Ich glaube auch, dass wir uns beim Thema Diversity und Inklusion nie isoliert mit Themen beschäftigen können, weil es Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Diskriminierungsformen und Herausforderungen gibt, mit denen verschiedene Gruppen konfrontiert sind.
Auch das Thema Menstruationsgesundheit wird von mehreren Dimensionen der Vielfalt beeinflusst, und Angehörige benachteiligter Gruppen sind oft noch stärker von der bestehenden Tabuisierung der Menstruation betroffen. Ein Beispiel ist das Thema Periodenarmut: Menschen mit geringen finanziellen Mitteln haben oft nicht den notwendigen Zugang zu Periodenprodukten oder Gesundheitsdienstleistungen, was sich negativ auf ihr Wohlergehen und ihre Teilhabe auswirken kann.
Die Geschichte hinter Work that Period
Was ist die Geschichte hinter der Gründung von Work That Period? Wie kamst du auf die Idee?
In meinem ersten Job nach dem Master habe ich am eigenen Leib erfahren, wie es ist, von zyklusbedingten Symptomen so beeinträchtigt zu sein, dass ich meine Arbeit nicht mehr ausführen kann. Was ich damals nicht wusste, war, dass ich von einer prämenstruellen Störung betroffen war, so dass die »Tage vor den Tagen« für mich der pure Horror waren und ich keinen anderen Ausweg gesehen habe, als meinen Job zu kündigen.
Als ich bei meiner nächsten Stelle dann versucht habe, das Thema anzusprechen und offen zu kommunizieren, was ich wann brauche und was ich wann leisten kann, habe ich gemerkt, dass es möglich ist, die Arbeit so auszurichten, dass man trotzdem auf sich und sein Wohlergehen im Zyklus achtgeben kann, und dass es dazu allerdings essentiell ist, einfühlsame und verständnisvolle Teammitglieder und Vorgesetzte zu haben.
Deshalb ist es auch ein wesentlicher Teil meiner Arbeit, dieses Bewusstsein mit Awareness-Workshops für alle Beschäftigten und mit gezielten Schulungen für Führungskräfte zu schärfen.
Was bedeutet für dich »Erfolg«? Fällt dir ein Erlebnis oder eine Begebenheit ein, bei der du am Ende des Tages das gute Gefühl hattest »Heute habe ich etwas wirklich Sinnvolles bewegt!«?
Ein kleiner, aber bedeutender Erfolg für mich ist es, wenn nach einem Workshops oder Talk Menschen auf mich zukommen und mir mitteilen, dass sie durch meinen Input zum ersten Mal erkannt haben, dass nicht sie mit ihren Beschwerden und »Extrawürsten« das Problem sind, sondern dass all das zum großen Teil dem geschuldet ist, dass wir die Auswirkungen des Menstruationszyklus überhaupt nicht in den Arbeits- und Unternehmensstrukturen berücksichtigen. Diesen Glaubenssatz haben viele, auch ich damals, nämlich verinnerlicht und das kann einen riesigen Einfluss auf den Selbstwert haben.
Deshalb freut es mich jedes Mal, einen Beitrag zu dieser kleinen, inneren Revolution geleistet zu haben. Auf dieser Basis können wir dann weitere Veränderungen aufbauen!