Ihr habt die weltweit erste 100% kakaofreie Schokolade entwickelt – nun könnte man fragen: Warum? Welche Kritikpunkte gibt es an Produkten mit echtem Kakao?
Dr. Maximilian Marquart: Im Supermarkt deuten ja schon lange auf den Schokoladenverpackungen zahlreiche Fair Trade-Siegel auf die schwierige Situation der Kakaobauern in Afrika und Lateinamerika hin. Um unserem steigenden Schokoladenbedarf gerecht zu werden, wurden im letzten Jahrzehnt Millionen Hektar Regenwald allein für die Entstehung von Kakaoplantagen gerodet. Auch hat die Produktion insgesamt eine hohe CO2-Bilanz: Pro Kilo Schokolade werden zwischen 10 und 45 Kilogramm CO2 freigesetzt. Künftig wird der globale Temperaturanstieg den Kakaoanbau zusätzlich erschweren.
Dabei gibt es zahlreiche Schokoladenprodukte, bei denen der Kakao an sich nicht die Hauptkomponente des Geschmacks ausmacht. Um Kakao als Rohstoff zu einer neuen Wertigkeit zu verhelfen und die empfindlichen Ökosysteme der Regenwälder zu schützen, haben wir 2021 beschlossen, eine zukunftssichere Schokolade zu entwickeln, die komplett von der bisherigen Wertschöpfungskette entkoppelt ist. Diese Schokolade, »Nocoa« genannt, hinterlässt nun einen um 90 Prozent geringeren ökologischen Fußabdruck als herkömmliche Schokolade und kann eine annähernd ausgeglichene Energiebilanz vorweisen.
Auf welchen Rohstoffen basiert euer Produkt? Ist es vegan? Auf welchem Prinzip beruht der Herstellungsprozess?
Marquart: Anstelle von Kakaobohnen und Milchprodukten wird Nocoa aus Hafer, Zucker und Pflanzenfetten hergestellt. Nocoa ist folglich vegan und besteht aus rein natürlichen Inhaltsstoffen, ohne künstliche Aromen oder E-Stoffe. Für den Schokoladengeschmack wird der Hafer so wie die echte Kakaobohne geröstet und fermentiert. Der Prozess ähnelt dem Bierbrauen. Nur entsteht dabei kein Alkohol, sondern die speziellen Kakao-Aromen sowie die cremige Textur. Die Nocoa-Produktion unterscheidet sich folglich kaum von der traditionellen Kakaoherstellung.
Wie ist die Idee zur Gründung von Planet A Foods entstanden? Welche Menschen stecken hinter dem Projekt?
Marquart: 2021 las ich über die Zukunft der globalen Nahrungsmittelproduktion. Die Vorstellung, dass es aufgrund des Klimawandels und anderer Faktoren zu einer Schokoladenknappheit kommen könnte, ließ mich nicht mehr los und ich wandte mich an meine Schwester Sara. Sie ist Lebensmittelchemikerin und anerkannte Spezialistin für Geschmacksbildung. Ich wusste, dass sie sich bereits mit der Entwicklung eines bohnenlosen Kaffees auseinandergesetzt hatte. Wir entschieden: Eine Zukunft ohne Schokolade darf es nicht geben.
Aus der Idee einer kakaofreien Schokoladenkreation entwickelte sich rasch der Wunsch, weitere nachhaltige, zukunftsfähige Nahrungsmittel unabhängig von stark begrenzten Ressourcen zu entwickeln. Die Gründung von Planet A Foods erfolgte daher mit dem Ziel, zu einer sozial gerechteren und umweltfreundlicheren Lebensmittelindustrie beizutragen.
Wie seid ihr ganz zu Beginn bei der Entwicklung der Rezeptur vorgegangen? Wie kann man sich so eine »Experimentierphase« vorstellen? Hattet ihr Zugang zu einem professionellen Labor?
Marquart: Die Entwicklung von Nocoa verlief zügig und begann 2021 in unserer heimischen Küche mit einer Vielzahl an Thermomixen und kleinen Fermentern. Dort probierten wir tausende Rezepturen durch, bis eine davon den gewünschten Schokoladengeschmack bieten konnte. Als wir schließlich eine professionelle Produktionslinie in einem Münchner Vorort aufbauen konnten, stand der Weiterentwicklung zur Nocoa-Schokolade von heute nichts mehr im Wege.
Wie nah kommt eure »Nocoa« in Bezug auf Geschmack und Konsistenz an konventionelle Schokolade heran?
Marquart: In einer Verkostung der selbst gemachten, kakaofreien Schokolade mit herkömmlichen Produkten konnten selbst Lebensmittelprofis den Unterschied nicht herausschmecken. Inzwischen wurde die Rezeptur mit Hilfe einer Chocolatiere, also einer auf Schokolade spezialisierten Konditorin, geschmacklich weiter verbessert und neben Vollmilch weitere Geschmacksrichtungen und Sorten wie z. B. weiße Schokolade oder Bio-Nocoa entwickelt.
Kann man die »Nocoa« schon irgendwo kaufen oder probieren?
Marquart: Derzeit präsentieren wir Nocoa in exklusiven Pop-up Sales in ganz Europa. Dabei handelt es sich keinesfalls um den Verkauf von einfachen Schokoladentafeln – Nocoa kann für Eis, Getränke, Gebäck und alle anderen Arten von Süßspeisen verwendet werden. Wir zeigen damit, dass unsere kakaofreie Schokolade echter Schokolade in nichts nachsteht. In Deutschland sind wir Ende September auf dem Bits & Prezels Festival in München zu finden.
Plant ihr einen eigenen Online-Shop oder wird euer Produkt z.B. in Supermärkten das Sortiment ergänzen?
Marquart: Mit unseren Lebensmitteln möchten wir dazu beitragen, die globale Nahrungsmittelindustrie nachhaltiger zu gestalten. Ein Online-Shop ist zwar nicht auszuschließen, aber einen echten Impact können wir nur im großen Stil erreichen. Unser Ziel ist es daher, zusammen mit namhaften Süßigkeitenherstellern Nocoa-Varianten beliebter Schokoladenprodukte zu etablieren – damit wir in Zukunft im Supermarkt Schokoriegel auch mit Nocoa-Überzug kaufen können.
Wir seid ihr auf den Namen eures Unternehmens gekommen? Welche Bedeutung steckt dahinter?
Marquart: Die weltweite Lebensmittelindustrie greift zum Großteil auf natürlich begrenzte Rohstoffe zurück. Doch es gibt keinen »Planet B«, keine Ersatzerde, die uns neue Ressourcen zur Verfügung stellen kann, sobald unsere aufgebraucht sind. Es gilt daher, verantwortungsbewusst mit der Erde umzugehen und empfindliche Ökosysteme zu schützen. Um auf eben diesen Sachverhalt aufmerksam zu machen und unsere Mission der Entwicklung zukunftssicherer Nahrungsmittel hervorzuheben, haben wir uns für den Namen Planet A Foods entschieden.
Gibt es eventuell noch andere, aus ökologischer Sicht kritische Produkte, die sich mit einem ähnlichen Herstellungsverfahren potenziell ersetzen lassen könnten?
Marquart: Ja, die gibt es. Palmöl beispielsweise ist bekanntlich ein »Klimakiller« und wird ebenfalls in großen Mengen in der Süßigkeiten-Herstellung verwendet. Daher arbeiten wir aktuell daran, den Prozess zum Ersetzen von Kakao auch für die Entwicklung einer nachhaltigen Palmöl-Alternative zu nutzen. Statt Kakao-Aromen würden im Zuge des Fermentationsprozesses des Hafers dann Fette entstehen, die von der Industrie als Speiseöl genutzt werden können.
Was sind eure nächsten Schritte und kommenden Meilensteine?
Marquart: Neben der Entwicklung unserer Fette und unserer europaweiten Nocoa Pop-up Sales Tour arbeiten wir aktuell mit Hochdruck an einem weiteren Projekt:
Wir weiten unsere Nocoa-Herstellungskapazitäten aus. Momentan haben wir eine kleine Produktionsstätte in München, die ungefähr 15 bis 20 Kilogramm Nocoa pro Tag produzieren kann. Doch im Oktober geht unsere neue Produktionslinie an den Start, mit der wir 400 Kilogramm pro Stunde herstellen können!
Über Dr. Maximilian Marquart
Dr. Maximilian Marquart gründete Planet A Foods im April 2021 unter dem Namen „QOA“ gemeinsam mit seiner Schwester Dr. Sara Marquart. Maximilian ist Materialwissenschaftler, der bereits zwei Unternehmen erfolgreich gründete und mit 27pilots über 7.000 Start-ups dabei unterstützte, ihre Lösungen an Unternehmen zu verkaufen. Sara ist Spezialistin für Geschmacksbildung mit über 10 Jahren Praxiserfahrung.
Neugierig geworden? Hier geht es lang zur Webseite von Planet A Foods.