Berufsbild Diversity Management: »Es genügt nicht, Vielfalt zu feiern und zu promoten.«

Vielfalt fördern und nutzen: Immer mehr Unternehmen setzen auf Diversity und Inklusion (D&I) und holen sich dafür Expert*innen mit ins Boot. Gutes Diversity Management steigert den Unternehmenserfolg und die Mitarbeiterzufriedenheit. Doch wie wird man Diversity Manager*in und welche Herausforderungen erwarten einen in diesem Beruf? Wir haben mit Michael Stuber, einem der führenden D&I-Experten in Europa über die Bedeutung von Vielfalt und die Rolle der Diversity Manager*innen für Wandlungsprozesse in Organisationen gesprochen.
Foto © Anja Viering
von Charlotte Clarke, 31. August 2020 um 07:54

Wir sind sehr neugierig auf Ihren persönlichen Weg in das Themenfeld Diversity. Wie und aus welcher Motivation heraus sind Sie dazu gekommen, sich so intensiv mit den Themen Diversity und Inklusion zu beschäftigen?

Michael Stuber: Meine Diversity-Wurzeln sind dreigeteilt: Zunächst habe ich mich als leidenschaftlicher Europäer schon an der Uni für eine multikulturelle Gesellschaft und Politik eingesetzt. Dann kamen noch Menschenrechtsengagement und ein diffuses Gefühl des »Andersseins« hinzu. Mir war rasch klar, dass diese persönlichen Antriebe nicht ausreichen, um Diversity Management professionell zu betreiben und daher habe ich mich die ersten Jahre durch Forschung, Selbststudium und viel internationalen Austausch erst einmal gründlich und umfassend qualifiziert.
 

 
 

Sie haben zahlreichen namhaften Unternehmen dabei geholfen, Diversity- und Inklusionsprojekte umzusetzen. Welche Ziele und Maßnahmen werden in guten Diversity-Programmen definiert? Woran erkennt man, dass Diversity-Programme funktionieren? Wie kann man den Erfolg dieser Programme messen?

Michael Stuber: In der Tat ist eine differenzierte Zielsetzung eine der wichtigsten Grundlagen. Anders als bei den meisten Konzepten sollte es nicht nur um Repräsentationsziele gehen, sondern auch um erlebte Wertschätzung und tatsächliche Einbeziehung. Andererseits ist der simplistische Fokus auf die drei »G’s« (Gender, Generations, Geography) nur begrenzt sinnvoll – denn aus betrieblicher Sicht sind andere Themen wertvoller und echte Glaubhaftigkeit entsteht, wenn man auch delikatere Themen wie Behinderung, Religion oder LGBTQI gleichermaßen aktiv bearbeitet. Die Erfolgsmessung sollte unbedingt vielschichtig erfolgen: Vielfaltszusammensetzung, Wahrnehmung der Kultur, Beteiligung und Erfolg in Personalprozessen.

Auf der Webseite der Charta der Vielfalt werden bestimmte Diversity-Dimensionen definiert (z. B. Alter, Gender, sexuelle Identität, Religion, Behinderung, ethnische Herkunft usw.). Inwiefern wirkt sich das Eingehen auf die Bedürfnisse der verschiedenen Zielgruppen auf den Unternehmenserfolg aus? Können Sie konkrete Beispiele aus der Praxis nennen?

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Michael Stuber: Es genügt nicht, Vielfalt zu feiern und zu promoten. Neuere Studien zeigen, dass das nicht so direkt zu Mehrwerten führt, wie einfache Analysen uns glauben lassen. Es überzeugt auch die vielen Skeptiker*innen nicht. Effektives Diversity-Management kombiniert die Bedürfnisse von Zielgruppen mit den Anforderungen des Unternehmens und braucht mehr als die verbreiteten Show-Elemente. Erst, wenn wir behutsam und beharrlich eine wertschätzende Kultur und einbeziehende Zusammenarbeit entwickeln, entfalten sich die wissenschaftlich belegten Vorteile. Sie reichen von Kundennähe und Innovationserfolg bis zu Produktivitätssteigerung – also Kostensenkung – und loyalem Engagement.

Welche Tätigkeiten fallen unter das Aufgabengebiet eines*einer Diversity Manager*in?

Michael Stuber: Das hängt sehr vom Grundverständnis und auch vom Reifegrad der Organisation ab. In vielen Unternehmen ist Diversity extrinsisch motiviert: Politik, Investor*innen und Kandidat*innen schauen sich D&I Programme an. Dabei entstehen andere Aktivitäten – und damit auch Aufgaben – als bei vorrangig intrinsisch motivierten Ansätzen. Effektives Diversity Management gestaltet Komplexität und Veränderung. Derzeit sehen wir viele, die den Schwerpunkt auf Networking, Programmgestaltung und Kommunikation haben.

Weiterführende Informationen, wie D&I Manager*innen die nötigen Kompetenzen erwerben und weiterentwickeln können im Blog »DiversityMine«.

Sie sind seit einigen Jahren als Berater im Bereich Diversity und Inklusion tätig. Inwiefern unterscheidet Ihrer Erfahrung nach sich das Tätigkeitsprofil von externen im Vergleich zu firmeninternen, festangestellten Diversity Manager*innen?

Michael Stuber: Ein Unternehmen benötigt alle paar Jahre einen kritischen, externen Blick, eine evidenzbasierte Tiefe sowie eine neue methodische Breite und eventuell internationalen Blick. Unser »Engineering D&I« hinterfragt scheinbar offensichtliche Ansätze, analysiert neue Daten auf eine andere Art und Weise, löst sich von Standardlösungen und deckt implizite Annahmen auf, die echte Weiterentwicklung verhindern. Damit unterscheiden wir uns auch von anderen Berater*innen, die selbst in Netzwerken und damit konsensorientiert arbeiten.

Welches fachliche Wissen, welchen akademischen Hintergrund und welche persönlichen Soft-Skills sollten angehende Diversity Manager*innen mitbringen?

Michael Stuber: Fachlich können verschiedene Disziplinen hilfreich sein, vor allem soziologisches, wirtschaftswissenschaftliches und psychologisches Rüstzeug – und zwar in einer gewissen internationalen Ausprägung. Bei den Softskills sehe ich eine ausgeprägte Grundethik als wichtigste Basis. Für die Arbeit ist die empathische Zusammenarbeit mit anderen essenziell sowie Kommunikationsstärke. Außerdem halte ich eine konsequente Veränderungsorientierung – bzw. eine gesunde Neugier – für sehr wichtig. Eine starke persönliche Betroffenheit im Themenfeld Diversity wirkt sich nicht selten negativ aus…
 


 

Wie stehen die Chancen für Quereinsteiger*innen, einen Job als Diversity Manager*in zu ergattern? Welche Möglichkeiten gibt es, sich im Unternehmen selbst eine Stelle als Diversity Manager*in zu schaffen und wie kann man hier auf den Arbeitgeber am besten zugehen?

Michael Stuber: Die Chancen stehen sehr gut, nur ist das nicht notwendigerweise mit Erfolgsaussichten gleichzusetzen. Denn das, was das Thema braucht oder bräuchte, deckt sich oft nicht mit dem, was Unternehmen bereit sind anzugehen und/oder dem, was Kandidat*innen leisten können. Das Austarieren der Interessen und Möglichkeiten bildet wohl die wichtigste Aufgabe – nicht nur bei neu geschaffenen, sondern auch bei neu besetzten D&I Positionen.

Auf was sollte jemand, der*die Diversity Manager*in werden möchte, gefasst sein? Welche Up’s und Down’s gehören zu diesem Beruf?

Michael Stuber: Ein Kunde formulierte es einmal so: Die wichtigste Kompetenz ist Frustrationstoleranz. Denn zu Beginn gibt es meist rasche Erfolge und tolles Feedback. Die Untiefen und Veränderungsresistenz zeigen sich dann erst später und alle D&I Manager*innen treffen auch nach Jahren – oder Jahrzehnten – immer wieder auf Menschen, die ungläubig und ahnungslos nach dem Was, Warum und Wie fragen. Eine andere Gefahr ist, dass man sich zu sehr von oberflächlichen Erfolgen leiten lässt, wie sie mit Aktionen zum Weltfrauentag oder Gay Pride zu erzielen sind – nach längerer Zeit bemerken Unternehmen – oder D&I Manager*innen – dann überrascht, dass man wichtige Zielgruppen gar nicht erreicht hat.

Welche zukünftigen Entwicklungen und Herausforderungen sehen Sie im Bereich Diversity Management? Gibt es bestimmte Dimensionen der Vielfalt (wie z.B. Alter, Herkunft, Gender, etc.), die in der Zukunft eine ganz besondere Rolle spielen werden? Welche Diversity-Maßnahmen werden also besonders wichtig sein?

Michael Stuber: Seit vier Jahren forsche und referiere ich intensiv zur Zukunft von D&I. Das kritische Hinterfragen der Themenzentrierung ist eine Notwendigkeit, die ich deutlich sehe. Damit hängt auch zusammen, mehr mit sogenannten dominanten Gruppen zu arbeiten. Mehr Fokus auf Unternehmenskultur und betriebliche Belange und damit weniger auf sozialen Themen erscheint ebenfalls wichtig. Auf unserem D&I Wissensblog, in zwei US-Magazinen und auf Konferenzen in Indien, Litauen und der Schweiz habe ich mehr darüber geschrieben und gesprochen.

Was genau bedeutet für Sie »sinnerfülltes Arbeiten«? Auf welche Art und Weise erfahren Sie Sinnhaftigkeit und positives Feedback?

Michael Stuber: Tatsächlich ist der Beitrag zur Sinnerfüllung, also »Purpose«, ein weiterer Zukunftsaspekt von Diversity. Nur, wenn wir das Thema so weiterentwickeln, dass es nicht zu stark auf Interessenmanagement fokussiert, erreichen wir eine breitere Sinnstiftung. Für mich geschieht dies über den positiven Impact meiner Arbeit – ich habe sozusagen schon vor 20 Jahren eine Social Enterprise gegründet. Durch stetige Weiterentwicklung meiner Inhalte und Ansätze kann ich immer wieder aufs Neue erkennen, dass ich einen Unterschied mache – das ist eine großartige Sinnerfüllung.


 

Über Michael Stuber

Michael Stuber beschäftigt sich seit mehr als 18 Jahren mit Diversity und Inklusion (D&I) und wird auch als »Deutschlands Diversity-Pioneer« (ManagerMagazin 2018) bezeichnet. Mit seinem Consulting Unternehmen UNGLE!CH BESSER ENGINEERING D&I berät er namhafte Unternehmen rund um D&I. 


 

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