Corona, Inklusion und Diversity: Wie die Initiative SOZIALHELDEN mit herrschenden Klischees zur »Risikogruppe« aufräumt

Zur Corona-Risikogruppe zählen nur die Großeltern? Weit gefehlt, denn genauso verwundbar können auch junge, aktive Menschen sein, die z.B. eine Behinderung haben. Doch nicht nur in Krisenzeiten werden Menschen mit Behinderung nur unzureichend einbezogen, z.B. beim Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt oder der barrierefreien Gestaltung von Arbeitsplätzen oder Veranstaltungen. Wie Unternehmen ihre Mitarbeiter*innen mit Behinderung aktuell unterstützen können und mit welchen Projekten sich der SOZIALHELDEN e.V. für mehr »Disability Mainstreaming« einsetzt, erzählt uns Aktivistin Anne Gersdorff im Interview.
Foto: © Andi Weiland
von Charlotte Clarke, 18. April 2020 um 09:37

Der Fokus eures Engagements bei SOZIALHELDEN e.V. ist das sog. Disability Mainstreaming. Was genau versteht ihr darunter? 

Anne Gersdorff: Die Sozialhelden sind ein Team von mehr als 20 Aktivist*innen und Expert*innen mit und ohne Behinderungen. Seit mehr als 15 Jahren entwickeln wir Projekte, die auf soziale Probleme aufmerksam machen und praktische Lösungen anbieten. Durch Projekte wie Wheelmap.org - eine Onlinekarte zum Suchen und Finden von rollstuhlgerechten Orten - haben wir uns in den letzten Jahren auf das Thema Inklusion und Barrierefreiheit spezialisiert. Wir stellen uns immer wieder Fragen wie: Warum werden Menschen mit Behinderungen so selten in der Gesellschaft mitgedacht und aktiv einbezogen? Warum werden weiterhin Gebäude mit fehlender Barrierefreiheit geplant oder Veranstaltungen ohne Rücksicht auf »Minderheiten« konzipiert? Disability Mainstreaming ist das Mitdenken von Barrierefreiheit und Inklusion von Anfang an in allen Lebensbereichen. Es geht also immer um die Frage: Wie bringen wir das Thema Behinderungen in den Alltag? Dabei meinen wir aber nicht »den Rollstuhl« oder die »Sehbehinderungen«, sondern das soziale Modell von Behinderung, also die strukturelle Ausgrenzung durch bauliche und bürokratische Barrieren. Nicht »der Rollstuhl« ist das Problem bei einer Behinderung, sondern die Stufe am Eingang oder auch die generelle Ablehnung von Bewerbungen von Menschen mit Behinderungen, weil man vielleicht als Arbeitgeber*in keine rollstuhlgerechte Toilette hat. Daran arbeiten wir.

Kannst du ein paar Projekte bzw. Handlungsfelder nennen, mit denen sich SOZIALHELDEN aktiv für mehr gesellschaftliche Vielfalt einsetzt?Anne:

Anne: Als wir vor gut zehn Jahren das Projekt Wheelmap entwickelt haben, war uns noch nicht bewusst, dass wir so stark in den Bereich Inklusion und gesellschaftliche Vielfalt gehen werden. Nach der Wheelmap folgten die Projekte Leidmedien.de und Gesellschaftsbilder.de - zwei Projekte, in denen wir uns mit klischeefreier Sprache und Bildsprache beschäftigen. Es geht dabei also darum, wie man beispielsweise Floskeln wie »Sie ist an den Rollstuhl gefesselt« vermeiden und damit auf Augenhöhe über Menschen mit Behinderungen berichten kann. Und wir teilen auch Hintergrundwissen von Menschen mit Behinderungen, das verdeutlicht, warum diese Floskeln und Perspektiven besser vermieden werden sollen. 

Wir versuchen immer so zu arbeiten, dass wir Projekte für spezielle Zielgruppen entwickeln, um nicht nur global zu sagen: »Wir müssen alle inklusiver leben, arbeiten und denken«, sondern auch konkrete Lösungen für die Frage anzubieten: Was kannst du in deinem Bereich tun? So unterstützen wir mit unserem Projekt Wheelramp.de Ladenbetreiber*innen dabei, kostengünstige und mobile Rampen zu erwerben, um barrierefreie Zugänge zu ihren Läden zu ermöglichen. Und wir haben für Veranstalter*innen und Eventplaner*innen ein Online-Dossier zur Umsetzung von barrierefreien Veranstaltungen erstellt. Das kostenfreie Angebot finden alle Interessierten auf der Website von Ramp-Up.me 

Aktuell beschäftige ich mich mit dem Thema Arbeit und Behinderung. Denn auch weiterhin ist es so, dass wir einen sehr exklusiven Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung haben und sich viele behinderte Menschen eher in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen wiederfinden, als auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Zudem ist die Arbeitslosenquote unter Menschen mit Behinderung doppelt so hoch als bei nicht-behinderten Arbeitslosen. Und auch da stellen wir wieder die Frage: Warum ist das so und was kann man daran ändern?

Wie ist die Idee zur Gründung von SOZIALHELDEN entstanden?

Anne: Die SOZIALHELDEN wurden von den beiden Cousins Jan und Raul ins Leben gerufen. Schon als Kinder hatten sie verrückte Ideen. Ihr größter Traum war es, gemeinsam einmal etwas zu gründen. Nur was?

Eine der ersten Ideen war eine Pfandbox, in der man sein Leergutbon spenden kann, um damit etwas Gutes zu tun. Das Projekt »Pfandtastisch helfen« gibt es bis heute und es werden mit mehr als 300 Boxen 400.000 Euro pro Jahr für gemeinnützige Zwecke gesammelt. Als die Gruppe um Raul und Jan damit erste Preise gewann, musste eine Gesellschaftsform her und der Sozialhelden e.V. war gegründet. 

Was sind typische Barrieren, die einem Menschen mit Behinderung z.B. den Zugang zum regulären Arbeitsmarkt erschweren? Mit welchen Vorurteilen haben sie zu kämpfen und welche strukturellen Probleme wirken einer Inklusion entgegen?

Anne: Die Barrieren sind vielfältig, doch oft beginnen sie schon im Jugendalter. Vielen behinderten Menschen wird bereits in der Schule gesagt und gezeigt, was sie nicht können. Oft ist der Weg für viele behinderte Menschen deshalb schon vorherbestimmt. So gibt es je Behinderung klassische Tätigkeiten wie z.B. Masseur*in und medizinische*r Bademeister*in für sehbehinderte oder blinde Menschen, Zahntechniker*in oder Tischler*in für Taube oder schwerhörige Menschen, Fachpraktiker*innen im Bereich Küche oder Haushalt für Menschen mit Lernschwierigkeiten oder Büromanagement für Menschen im Rollstuhl. Häufig begünstigen zudem noch Gutachten, dass Menschen mit Behinderungen in bestimmte Berufsfelder sortiert werden.

Deutschland ist mit der beruflichen Inklusion noch nicht weit vorangekommen. Das System ist noch sehr tradiert und es gibt eine starke Dominanz von Sondereinrichtungen für  behinderte Menschen. Insbesondere Werkstätten für behinderte Menschen haben eine lange Tradition und damit auch eine große Lobby. Sie werden von der Mehrheitsgesellschaft nicht kritisch hinterfragt. Außerdem fehlt es Unternehmen - aber auch den  behinderte Menschen zum Teil selbst - an der Vorstellung, was überhaupt möglich ist. Noch immer geistern viele Vorurteile umher, dass behinderte Menschen häufiger krank, nicht so leistungsfähig oder unkündbar sind. Dabei ist das gar nicht so und selbst wenn, gibt es tolle Möglichkeiten für Unternehmen, diese Faktoren auszugleichen. 

Mit eurem Projekt »JOBinklusive« möchtet ihr genau diese Barrieren adressieren und Lösungen für eine inklusive Arbeitswelt entwickeln. Welche Akteure sind an diesem Projekt beteiligt und mit welchen Angeboten fördert ihr die soziale Teilhabe für Menschen mit Behinderung?

Anne: Wir verstehen uns als Brückenbauer*innen zwischen den einzelnen Akteur*innen. Wir haben festgestellt, dass es zwischen allen Beteiligten ein informatives schwarzes Loch zu geben scheint. Alle beteuern ihre Absicht, mehr Menschen mit Behinderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu beschäftigen. Aber es funktioniert nicht und jede*r schiebt die Schuld auf wen anderen. Das heißt, wir richten unser Angebot an Menschen mit Behinderungen, Unternehmen, Unterstützungsangebote und an öffentliche Stellen. Dabei verstehen wir uns als Aktivist*innen und arbeiten aus der Community der behinderte Menschen heraus. Das machen wir hauptsächlich über Aufklärung, Öffentlichkeitsarbeit und Sensibilisierung.

Kannst du uns Beispiele für konkrete Maßnahmen nennen, die Arbeitgeber*innen ergreifen können, um ihr eigenes Unternehmen inklusiver zu gestalten? 

Anne: Von Barrierefreiheit profitieren alle. Eine Rampe oder rückengerechte Arbeitsplätze schaden keinem. Doch das bedeutet nicht nur, dass jemand mit einem Rollstuhl in das Unternehmen hineinkommt. Es gibt viele andere, oft einfach umsetzbare Möglichkeiten, einen Arbeitsplatz zugänglich zu gestalten. In jedem Unternehmen gibt es einfache Zuarbeiten in der Produktion, dem Versand oder der Logistik, die ein Mensch mit Lernschwierigkeiten mit etwas Anleitung gut bewältigen kann. Auch Tätigkeiten am Empfang oder im Lager können gut angelernt werden. 

Praktika bieten sich dafür als ein erster Türöffner an. So können Unternehmen auch Übergänge aus der WfbM (Anm.d. Red.: Werkstatt für behinderte Menschen) ermöglichen. Mit einem Budget für Arbeit können Menschen mit Behinderungen dann langfristig einen Lohnkostenzuschuss von bis zu 75 Prozent und entsprechende Unterstützungen erhalten. Apropos Unterstützung: Die neuen Herausforderungen müssen Unternehmen nicht allein bewältigen. Es gibt viele Organisationen, die arbeitsuchende Menschen mit Behinderungen und Arbeitgeber*innen unterstützen. Dort gibt es kompetente Beratung, die sowohl beim Umgang mit Menschen mit Behinderungen als auch bei der Beantragung von Fördergeldern unterstützt. Vergessen sollten wir dabei jedoch nicht, dass Menschen mit Behinderungen auch nur Menschen sind. Es kann sein, dass die Chemie bei der ersten Person mit Behinderung nicht gleich stimmt. Für alle ist dieser ein ungewohnter Weg. Also nicht gleich frustriert sein, wenn etwas nicht klappt. Die Amtsmühlen mahlen langsam, aber es lohnt sich, für die gute Sache gemeinsam durchzuhalten. Also: Einfach mal machen! Und als einen Startkick haben wir bei uns auf der Seite viele der häufigsten Fragen von Seiten der Arbeitnehmer*innen und Geber*innen kurz und knackig in einem FAQ beantwortet.

In vielen Stellenausschreibungen liest man standardisierte Textbausteine in der Art von “Bewerbungen von Menschen mit Behinderung werden bei gleicher Qualifikation und Eignung bevorzugt.” Ist das eher eine gut gemeinte, aber leere Floskel oder wird das in der Praxis auch tatsächlich so gehandhabt? Und wie bewertest du diese Regelung überhaupt - ist sie sinnvoll und wünschenswert? Nur als grober Vergleich - sog. »Frauenquoten«  z.B. werden ja auch unter Frauen selbst extrem kontrovers diskutiert.

Anne: Häufig habe ich schon das Gefühl, dass diese Textbausteine zwar gut gemeint sind, doch wenig Inhalt haben. Sie zeigen jedoch, dass sich Unternehmen – zumindest kurz – damit auseinandergesetzt haben. Besser wäre es, wenn Ausschreibungen so geschrieben sind, dass sich Menschen mit Behinderungen willkommen fühlen. Durch konkrete Angaben, also zum Beispiel, ob es schon eine barrierefreie Toilette gibt oder ob Arbeiten im Homeoffice möglich ist, könnte man behinderte Menschen nochmal gezielter ansprechen. Auch ein Satz wie »Sollten Sie spezielle Arbeitsbedingungen brauchen, lassen Sie es uns wissen. Gemeinsam können wir eine Lösung suchen.« zeigt, dass behinderte Menschen willkommen sind. Auch wenn die Qualifizierung noch nicht ganz stimmt, kann man Bewerber*innen mit Behinderungen eine Chance geben. Menschen mit Behinderungen haben immer noch schlechtere Bildungschancen, die mit finanzieller Unterstützung durch öffentliche Gelder ausgeglichen werden können. Beim Arbeitgeber-Service der Agentur für Arbeit kann ein Unternehmen gezielt nach Bewerber*innen mit Behinderungen fragen.

Die Quote, nach der Unternehmen ab einer bestimmten Größe behinderte Menschen einstellen müssen, halte ich hingegen für gut und richtig. In unserem bisherigen System braucht es leider äußere Anreize, auch wenn ich mir wünschen würde, dass wir keine Quote brauchen würden, weil Diversity und Inklusion selbstverständlich sein sollten.

Aktuell dreht sich ein Großteil gesellschaftlichen Debatte und die Corona-Krise und die Bewertung der angeordneten Schutzmaßnahmen - wie z.B. die Verlagerung der Arbeit ins Home Office. Was sind insbesondere für Menschen mit Behinderung die Vor-, aber auch Nachteile des Home Office? Was sollten diverse Teams und Arbeitgeber*innen diesbzgl. gerade jetzt besonders beachten?

Anne: Noch vor wenigen Wochen war Homeoffice oft die spezielle Lösung für viele Menschen mit Behinderungen und musste von den Betroffenen meist hart erkämpft werden. Im Homeoffice haben Menschen mit Behinderungen oft die besten Rahmenbedingungen: Die Arbeitszeit ist frei einteilbar und medizinisch notwendige Dinge sind besser in den Alltag zu integrieren. Auch Menschen mit schwankender Tagesform, z. B. mit chronischen oder psychischen Einschränkungen, können ihr Pensum an ihren Rhythmus individuell anpassen. Für viele Menschen mit Behinderungen ist die Möglichkeiten im Home Office zu arbeiten sehr wichtig, da für sie die Auswirkung einer Erkrankung gravierende Folgen haben kann. Das Home Office reduziert die Ansteckungsgefahr auf ein Minimum, da der Kontakt zu den Kolleg*innen und der Arbeitsweg wegfallen. Barrierefreie Toiletten sind nicht immer und überall für Menschen mit Behinderungen gleich gut nutzbar, weil sie zu klein sind oder eine Haltestange anders angebracht ist. Für viele ist deshalb ein Toilettengang außerhalb der eigenen Wohnung anstrengender oder weniger komfortabel. Im Gegensatz dazu ist die häusliche Toilette bestens auf die eigenen Bedürfnisse abgestimmt. Die Ernährung ist ggf. ausgewogener und da der Arbeitsweg entfällt, werden Kräfte gespart. Es gibt in der häuslichen Umgebung Hilfsmittel zum Abhusten oder Inhalieren, die manche als Vorbeugung gegen Atemwegserkrankungen einsetzen müssen. 

Doch viele Menschen mit Behinderungen brauchen zum Arbeiten angepasste Arbeitsplätze, spezielle Hilfsmittel oder Software. Redet deshalb mit euren Kolleg*innen mit Behinderungen, ob sie etwas brauchen und wenn ja, wie ihr es ggf. besorgen könnt. Achtet darauf, dass Online-Tools, die ihr nun benutzt, barrierefrei sind. Immer noch sind viele Angebote im Internet nicht barrierefrei. Zeiten wie diese belasten insbesondere Menschen mit psychischen Erkrankungen sehr. Deshalb ist es besonders wichtig, auch den informellen Austausch ernst zu nehmen und in regelmäßigem Kontakt zu bleiben. 

Was ist mit den Menschen mit Behinderung, die nicht im Home Office arbeiten können, weil sie z.B. in einem handwerklichen Betrieb oder einer Behindertenwerkstatt tätig und daher einem hohen Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind? Welche Unterstützungsmöglichkeiten sollte es hier seitens der Arbeitgeber*innen und ggf. auch staatlicher Seite geben?

Anne: Viele Menschen mit Behinderungen haben nicht die Gelegenheit im Home Office zu arbeiten. Sie arbeiten entweder in kleinen handwerklichen Betrieben, die zur Zeit um ihre Existenz kämpfen, oder in Werkstätten für behinderte Menschen. Während Kindergärten, Schulen und soziale Einrichtungen bereits einige Wochen geschlossen sind, sind viele dieser Einrichtungen erst seit kurzem zu. Werkstattbeschäftigte gingen also noch sehr lange ihrer Arbeit nach, obwohl viele von ihnen zur Risikogruppe gehören. Da viele von ihnen auch in Wohngruppen leben und dort tagsüber, wenn die Bewohner*innen normalerweise in der Werkstatt wären, in der Regel keine ausreichende Betreuung vorhanden ist, steht die Politik gerade vor einem großen Problem, das erst jetzt thematisiert wird.  

Ein Begriff, der derzeit immer und immer wieder fällt, ist die »Risikogruppe«. Hast du persönlich den Eindruck, dass auch junge, aktive Menschen, die voll im Leben stehen, jedoch wegen einer Behinderung aktuell besonders auf Schutz und Solidarität angewiesen sind, ausreichend »mitgedacht« werden? Oder ist das Bild der »Risikogruppe« bei einem Großteil der Menschen bislang zu eng gefasst?

Anne: Behinderte Menschen werden in der Regel selten mitgedacht, das zeigt sich natürlich auch in der Corona-Krise. Am Anfang wurde nur an die Älteren gedacht und junge Menschen haben sich in Sicherheit gewogen und Corona-Partys gefeiert. Dabei ist Asthma, zum Beispiel aufgrund von Allergien, ja auch ein Risiko. Doch es zeigen sich auch ganz deutlich strukturelle Diskriminierungen. So gab die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) einen Leitfaden für die sogenannte »Triage« heraus. Triage, das ist ein Verfahren zur Entscheidung, wer medizinische Hilfeleistung bekommt, wenn mit steigenden Fallzahlen die Ressourcen zur Behandlung nicht mehr ausreichen. Menschen mit Behinderungen werden darin strukturell und grundsätzlich benachteiligt.

Und aktuell wird die Forderung laut, dass als Exitstrategie allein »Risikogruppen« isoliert werden sollten. Demnach soll die jüngere, gesunde Bevölkerung langsam in ein normales Leben übergehen, die sog. Risikogruppe sollte hingegen weiter mit Einschränkungen leben. 

Das macht einerseits keinen Sinn, weil viele dieser Personen zwangsläufig direkten Kontakt mit anderen haben (Assistenz, Pflege, Mitbewohner*innen) und es außerdem gegen den Gleichheitsgrundsatz unserer Verfassung verstößt. Deshalb ist ja auch das Disability Mainstreaming so wichtig. 

Siehst du in der aktuellen Krise auch Chancen für einen dauerhaften gesellschaftlichen Wandel hin zu mehr Vielfalt und Solidarität?

Anne: Ja, auf jeden Fall. Ich bin beeindruckt von dem Engagement vieler Menschen und auch davon, wie viele Hilfsangebote mich erreichen. Die Krise zeigt aber auch hart  gesellschaftliche Problemfelder, wie häusliche Gewalt, Wohnungslosigkeit oder exklusive Einrichtungen wie die für behinderte Menschen auf, die einen Wandel brauchen. Inwiefern dieser Wandel dauerhaft ist und ob er zu mehr Vielfalt und Solidarität beiträgt, bleibt abzuwarten. Aber ich hoffe sehr, dass wir alle den Bogen zu mehr Vielfalt und Solidarität bekommen. 

Mehr Informationen zu den vielfältigen Projekten findest du auf der Website der SOZIALHELDEN.

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