Queen of the Neighborhood: Diese App verbindet dich mit nachhaltigen Unternehmen, die von Frauen und Trans geführt werden

In einem Arbeitsumfeld, das häufig von Ellenbogenmentalität, Diskriminierung und strukturellen Benachteiligungen von Frauen* und Trans* geprägt ist, kann es enorm stärkend sein, sich mit Gleichgesinnten zusammen zu tun. Gründerin Iulia Mitzner hatte eine einfache, aber geniale Idee: Eine Plattform für lokale Unternehmen, die von Frauen* und Trans* gegründet oder geführt werden und gleichzeitig nachhaltig wirtschaften. Auch private User*innen können sich vernetzen und diese Unternehmen gezielt durch ihre Konsumentscheidung unterstützen. Come and join the Queendom!
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von Charlotte Clarke, 20. Februar 2020 um 11:30

Ihr habt mit Queen of the Neighborhood (kurz: QUOTN) eine feministische Karriere- und Netzwerk-Plattform ins Leben gerufen. An welche konkreten Zielgruppen richtet sich die App?

Iulia Mitzner: Ob ich QUOTN unbedingt als Karriereplattform beschreiben würde, weiß ich nicht. Ein Netzwerk oder eine Community sind wir aber auf jeden Fall! Ich wollte mit der Plattform etwas erschaffen, das nicht die Frauen* ändert, sondern eher das System. Weshalb wir besonderes Augenmerk auf Unternehmen und Projekte legen, die nachhaltig und/oder sozial arbeiten. Ich würde sagen, wir bedienen eher eine alternative Nische und sind da auch stolz drauf. Wir richten uns an alle Frauen und nicht binäre Menschen, die ein solches Projekt oder Unternehmen betreiben, aber auch an alle, die solche Projekte unterstützen möchten. Das heißt, dass man sich einerseits als Unternehmen anmelden kann, aber auch als private*r User*in. Mit der standortbasierten App kann man dann frauengeführte Unternehmen aller Branchen suchen und finden.

Mit welchen Herausforderungen und Vorurteilen haben Frauen* in der Berufswelt - auch in modernen, westlichen Gesellschaften - noch immer zu kämpfen?

Iulia: Pfuh… das sind so viele, da weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll! Vieles davon haben wir leider auch schon so internalisiert, dass wir gar nicht mehr merken, dass wir selbst in Klischees denken und auch handeln. Manchmal wird man ja sogar zur regelrechten Mittäterin. 

Ich würde sagen, der »Gender Pay Gap« (Anm. d. Red.: Schlechtere Bezahlung von Frauen* trotz gleicher Qualifikation und Leistung) betrifft auf jeden Fall die meisten von uns. Natürlich ist dies von Branche zu Branche unterschiedlich ausgeprägt, aber dass man im Durchschnitt in Deutschland immer noch einen Unterschied auf 21 % kommt, zeigt einfach die strukturellen Benachteiligungen, mit denen Frauen* zu kämpfen haben. Daran erkennt man, dass typische Frauenberufe, also zum Beispiel im Pflege-, Sozial- und pädagogischen Bereich, einfach im Durchschnitt viel schlechter bezahlt werden.

Ein konkretes Beispiel aus der Gründungsgeschichte von QUOTN: Wir haben bei einem Wettbewerb teilgenommen, bei dem der eingereichte Beitrag von zwei Jurymitgliedern beurteilt wurde. Eine Person war anonym, das andere Jurymitglied wollte unbedingt seinen Namen und Kontaktdaten angeben. Deshalb wissen wir, dass es ein Mann war. Dieser Kollege hat offensichtlich unser Konzept überhaupt nicht richtig gelesen und dann die Unverschämtheit besessen, zu behaupten, in unserem Team fehle ein »rationaler Kopf«. Was er damit gemeint hat, hat er nicht näher erläutert. Wir hatten sowohl Softwareentwicklerinnen als auch Betriebswirtinnen im Team. Solche Dinge widerfahren einem am laufenden Band.

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Des Weiteren werden frauengeführte Projekte auch immer noch mit deutlich weniger Kapital gefördert. Die genauen Zahlen dazu kenne ich nicht, aber es gab da gerade wieder aktuelle Statistiken. 

Außerdem weiß ich aus eigener Erfahrung und von Erzählungen anderer, dass Frauen* in Bewerbungsgesprächen ganz anders behandelt werden. Männer werden ja eher nach Potenzial bewertet, bezahlt und eingestellt, Frauen* immer nur nach Leistung. In Bewerbungsgesprächen werden ihre Lebensläufe auseinandergenommen, als ob alles gelogen wäre, was darin steht und eher auf dem einen Skill herumgeritten, in dem sie vielleicht noch nicht so viel Erfahrung haben, statt zu sehen, was sie alles an Fähigkeiten mitbringen könnten.

Foto: © Queen of the Neighborhood

In Deutschland werden nur etwa 10-15 % der Startups von Frauen* gegründet. Welche Barrieren halten eurer Erfahrung nach im besonderen Frauen* davon ab, den Weg in ein eigenes Business zu wagen?

Iulia: Da habe ich ja schon ein bisschen vorgegriffen in der Frage zuvor. Man wird einfach anders behandelt. Die Hürden sind ganz andere in den einzelnen Situationen. Aber auch dort überhaupt erst mal hinzukommen, ist ja schon ein anderer Weg. Vor allem wenn Kinder und Familie mit im Spiel sind. Frauen* werden ja oftmals nach wie vor als alleinige oder hauptsächliche, unbezahlte Familienfürsorgerinnen gesehen. 

Natürlich trennen sich die Wege der Gender aber schon viel früher. Jungen und Mädchen werden teilweise nach wie vor total unterschiedlich erzogen. Bei Jungs werden einfach andere Charaktereigenschaften gefördert und gelobt und so ist es kein Wunder, wenn viele am Ende selbstbewusster und risikofreudiger an eigene Projekte herangehen, als manche Mädchen das machen würden. Wenn ich meine ganze Adoleszenz lang nur dafür gelobt werde, mich anzupassen, brav, lieb und schön zu sein, dann kann es natürlich sein, dass so etwas wie ein Unternehmen zu gründen, mir gar nicht in den Sinn kommen würde, wenn ich mal älter bin.

Welche Kriterien müssen Unternehmen erfüllen, um auf QUOTN gelistet zu werden? Welchen Branchen sind die bisher registrierten Unternehmen zuzuordnen?

Iulia: Zuallererst muss das Gründerteam mindestens zu 50 % aus Frauen* bestehen. Dann fragen wir einige Kriterien zur Nachhaltigkeit des Unternehmen ab. Wir arbeiten momentan mit den 17 Sustainable Development Goals (SDGs) der UN und geben den Unternehmer*innen die Möglichkeit zu erklären, wie sie genau mit oder in ihrem Unternehmen an einer nachhaltigeren Zukunft arbeiten. Die Branchen sind total gemischt. Wir haben Rechtsanwält*innen, Handwerker*innen, Fair Fashion Labels und noch vieles mehr.

Gibt es häufig vorkommende Unterscheidungsmerkmale zwischen Unternehmen, deren Führungsinstanzen hauptsächlich aus Männern* bestehen und solchen, die von einem diversen Team geleitet werden? Welche positiven Impulse bringen Frauen* oftmals in die Art und Weise ein, wie ein Unternehmen geleitet wird?

Iulia: Das kann ich so nicht sagen. Ich glaube nicht, dass man verallgemeinern kann. Aber diverse Teams performen auf Dauer besser und arbeiten auf jeden Fall innovativer - so viel weiß man ja mittlerweile. Das geht natürlich noch über Gender hinaus. 

Trotz des unleugbar vorhandenen Machtungleichgewichts addressiert ihr mit QUOTN hauptsächlich vergleichsweise priveligierte Frauen*. Plant ihr für die Zukunft auch Aktivitäten, um Frauen* zu unterstützen, die auf dem klassischen Arbeitsmarkt nur wenig Chancen haben oder in Ländern leben, in denen Frauen* kaum Zugang zu Bildung haben?

Iulia: Wer unser Manifest gelesen hat weiß, dass wir uns dessen bewusst sind und natürlich in Zukunft auch in diese Richtung wirksam werden möchten. Man kann aber halt auch nicht immer alle Probleme auf einmal lösen. Man muss irgendwo anfangen und das funktioniert meistens im eigenen Wirkungskreis erst einmal am besten. So halten wir es auch hier.

Sind Männer* im QUOTN-Netzwerk grundsätzlich unerwünscht? Schließlich gibt es ja auch männliche Feministen…

Iulia: Natürlich nicht. Als private User*innen laden wir Menschen aller Geschlechter ein, sich anzumelden. Um ein Unternehmen oder Projekt anzumelden, muss das Gründungsteam wie gesagt mindestens zu 50% aus female identified Personen, nicht binären Menschen oder Frauen* bestehen, dann kann die zweite Hälfte des Teams auch aus Männern bestehen.

Wie bist du auf die Idee zur Gründung von QUOTN gekommen? 

Iulia: Ich habe immer schon gerne Menschen und Projekte zusammengebracht. Irgendwann habe ich gemerkt, dass diese Menschen meistens Frauen* waren. Mein Umfeld ist einfach voll von großartigen Frauen* mit tollen Projekten. Die wollte ich gerne gesammelt irgendwo darstellen, um sie zu vernetzen und anderen auch die Möglichkeit geben, sie zu finden. Daraus ist dann ziemlich schnell die Idee für die standortbasierte App entstanden. 

Foto: © Queen of the Neighborhood

Welche Geschichte steckt hinter dem ungewöhnlichen Namen eurer App?

Iulia: »Queen of the Neighborhood« ist eine Zeile aus einem Lied von Bikini Kill. Den Song Rebel Girl muss man ja mittlerweile schon als feministischen Klassiker bezeichnen, finde ich. DIE Hymne der »Riot-Grrrl«-Bewegung der 90er. Diese Brücke zu schlagen, fühlte sich für mich einfach richtig an und damals hatte auch noch niemand diese Zeile wirklich aufgegriffen. Heute, zwei Jahre später, ist Bikini Kill auf Re-Union Tour… Wer hätte sich das gedacht :-) ? Inhaltlich passt der Name natürlich auch perfekt. Denn wir möchten ja vor allem lokalen und kleinen Unternehmen eine Plattform bieten. Unternehmen, die nachhaltig und sozial arbeiten.

Wie setzt sich euer Kernteam zusammen? Mit welchen Mitteln sorgt ihr für eine wertschätzende, transparente Teamdynamik und was ist euch bei der Rekrutierung von neuen Teammitgliedern besonders wichtig?

Iulia: Während der Zeit unseres Stipendiums bestand unser Kernteam aus vier Personen. Wir hatten zwei Developerinnen, mich als Content Creatorin und noch eine Kollegin fürs Business Development. Da wir leider keine Anschlussfinanzierung finden konnten, ist das Team nun wieder auf eine Ein-Frau-Show geschrumpft. 

Was planst du für die Zukunft? In welche Richtung möchtest du das Netzwerk weiterentwickeln? 

Iulia: Ich arbeite gerade daran, das Projekt zu einem Non Profit-Verein umzuwandeln. Ich möchte außerdem allen Stakeholder*innen die Möglichkeit geben, an der Plattform mitzuarbeiten und mitzubestimmen. Wir sind ja mittlerweile eine Community von 300 Menschen, die alle eine ähnliche Mission verfolgen. Ich denke, gemeinsam können wir das Beste aus dieser Idee herausholen. 

Du möchtest Teil der QUOTN-Community werden? Hier geht es lang zur Website von QUOTN.

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