Das Online-Tool Faircado findet ganz automatisch die besten Second Hand-Angebote für dich

Ein riesiger Anteil der Waren, die wir kaufen, wird nicht wiederverwendet oder recycelt, sondern landet auf dem Müll. Verbunden mit unserem Überkonsum führt dies zu einer enormen Ressourcenverschwendung. Viele Menschen würden gerne (mehr) Second Hand kaufen - dies bedeutet jedoch wesentlich mehr Mühe und Aufwand als der Kauf von Neuware. Die Gründer:innen von Faircado machen die Suche nach Gebrauchtem so bequem wie nur möglich - mit einem intelligenten Tool für deinen Internet-Browser, welches dir beim Shoppen ganz automatisch passende 2nd Hand-Alternativen anzeigt. Mehr im Interview mit Mitgründerin Evoléna de Wilde d‘Estmael.
Photo by Clem Onojeghuo on Unsplash
von Charlotte Clarke, 27. April 2023 um 07:21

Mit Faircado habt ihr ein Online-Tool entwickelt, das Internetnutzer:innen bei der Suche nach Secondhand-Artikeln hilft. Wie funktioniert das konkret?

Evoléna de Wilde d‘Estmael: Bei Faircado nutzen wir die Technologie, um Secondhand zur ersten Wahl für jede:n Verbraucher:in zu machen. Und wie? Mit einer KI-gestützten Browser-Erweiterung, die automatisch die besten Secondhand-Alternativen zu dem anzeigt, wonach die Nutzer:innen online suchen. Ermöglicht wird dies durch Partnerschaften mit den meisten der größten Secondhand-Anbieter im Internet, die gebrauchte Produkte verkaufen (wie Vestiaire Collective, eBay, Back Market, Rebuy, usw.).

Faircado hat es sich zum Ziel gesetzt, das Einkaufen aus zweiter Hand so attraktiv und bequem wie das Einkaufen von Neuware zu machen. Ohne den Planeten zu ruinieren.

Für welche Produkte kann Faircado gebrauchte Alternativen anzeigen?

Evoléna: Wir haben 10 Millionen Produkte integriert, hauptsächlich aus 3 Kategorien: Elektronik, Bücher und Mode. Aber es werden jeden Tag mehr.

Welche Vorteile hat der Kauf von Secondhand-Artikeln gegenüber dem Neukauf?

Evoléna: Der größte Vorteil des Gebrauchtkaufs und der Hauptgrund, warum wir Faircado überhaupt gegründet haben, ist die Reduzierung der gigantischen Abfallmengen, die unsere Gesellschaft täglich produziert. Wir sprechen hier von Bergen und Bergen von Abfall.

Zum Vergleich: Weltweit werden jede Sekunde etwa 9.000 Smartphones und das Äquivalent eines Müllwagens voller Kleidung weggeworfen. Insgesamt werden weniger als 9 % der weltweiten Ressourcen im Rahmen der Kreislaufwirtschaft mehrfach verwendet. Das bedeutet, dass mehr als 90 % der geförderten Ressourcen nach ihrer ersten Verwendung verschwendet werden. Das ist verrückt, wenn man weiß, dass wir bereits viel mehr davon verbrauchen, als die Natur in einem Jahr regenerieren kann (der Earth Overshoot Day ist dieses Jahr am 4. Mai) .

Wir haben Faircado gegründet, um der Konsumsucht unserer Gesellschaft mit einer skalierbaren Lösung zu begegnen: Unser Ziel ist es, Secondhand zur ersten Wahl für alle zu machen und auf diese Weise Millionen von Tonnen CO2 und Ressourcen einzusparen.

Neben dem offensichtlichen Nachhaltigkeitsaspekt ist ein weiterer großer Vorteil des Gebrauchtkaufs - du ahnst es - das Geld. Angesichts der steigenden Inflation entscheiden sich immer mehr Menschen für Gebrauchtes. Einem neuen Bericht zufolge stieg der Umsatz mit gebrauchter Kleidung, Schuhen und Accessoires im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 28 %, und es wird prognostiziert, dass sich die Branche bis 2027 verdoppeln wird.

Mit welchen Secondhand–Plattformen arbeitet ihr bislang zusammen? Welche Kriterien muss eine Plattform erfüllen, um Teil von Faircado zu werden?

Evoléna: Wir haben Partnerschaften mit den meisten der größten Secondhand-Plattformen auf dem Markt geschlossen. Wir zählen 50+ Partner und 10+ Millionen Produkte von vertrauenswürdigen Partnern wie Back Market, Vestiaire Collective, Refurbed, Grailed, Sellpy, Momox Fashion. Unser Fokus liegt ganz klar auf Nachhaltigkeit - dementsprechend müssen die auf der Plattform angebotenen Waren gebraucht sein und zur Kreislaufwirtschaft beitragen.

Wie ist die Idee zu Faircado entstanden? Welche Menschen stecken hinter dem Projekt?

Evoléna: Mein Freund Ali Nezamolmaleki und ich haben Faircado mitbegründet. Unser Startup wurde 2021 aus einem persönlichen Problem heraus geboren. Ich bin in eine neue Wohnung in Berlin gezogen und habe unzählige Stunden auf Secondhand-Plattformen mit der Suche nach Möbeln verbracht, frustriert darüber, wie zeitaufwändig und unbequem das war. Also habe ich mich mit meinem Freund Ali zusammengesetzt, um über mögliche Lösungen zu sprechen, und als Tech-Genie wusste er direkt, wie diese aussehen sollten.

Ali ist der Mitbegründer und CTO von Faircado. Er hat seinen Bachelor-Abschluss an der Azad-Universität in Shiraz, Iran, gemacht und verfügt über 12 Jahre Erfahrung in den Bereichen Technologie, Produktentwicklung und Marketing. Vor Faircado gründete er zwei Unternehmen und arbeitete als Head of Global Search bei AirHelp sowie als freiberuflicher Growth Marketing Manager. Bei Faircado ist Ali für die Gesamtstrategie, Produktentwicklung und Technologie verantwortlich.

Ich, Evoléna, bin die Mitgründerin und CEO von Faircado. Ich habe meinen Master-Abschluss in PR und strategischer Kommunikation an der Katholischen Universität Löwen und der Universität Groningen gemacht. Ich habe bei AirHelp und HelloBody gearbeitet, wo ich als Gründungspartnerin und strategische Projektmanagerin viel Erfahrung sammeln konnte. Neben Faircado bin ich auch Mitbegründerin von Solidartsy, einer Non-Profit-Organisation, die sich für die Beseitigung des Lohngefälles zwischen Männern und Frauen in der Kunst einsetzt, und Botschafterin des Europäischen Klimapakets.

Faircado ist für die Nutzer:innen kostenlos. Wie finanziert ihr euch?

Evoléna: Wir haben ein Partnerschaftsmodell mit unseren Partnern eingeführt, d.h. wenn du etwas mit Faircado kaufst, erhalten wir einen kleinen Anteil des Preises, den du bezahlt hast. Auf diese Weise können sich unsere Partner bei uns bedanken, wenn wir ihnen neue Kund:innen vermitteln.

Wie geht ihr mit datenschutzrelevanten Aspekten – auch im Sinne der sozialen Ebene der Nachhaltigkeit – um? Welche Nutzer:innen-Daten werden gesammelt und an Dritte weitergegeben?

Evoléna: Wie alle deutschen Unternehmen sind wir an die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gebunden und behandeln den Datenschutz mit höchster Priorität.

Was war die größte Herausforderung beim Aufbau eurer Plattform?

Evoléna: Die Technik hinter Faircado ist extrem komplex. Aber wir sind zuversichtlich, dass wir die richtigen Ressourcen und die richtige Einstellung haben, um diese Herausforderung zu meistern und die Art und Weise, wie Menschen konsumieren, für immer zu verändern.

Ich würde sogar sagen, dass eine noch größere Herausforderung für uns als Unternehmer:innen darin besteht, eine gesunde Work-Life-Balance zu finden. Ich bin extrem leidenschaftlich bei dem, was ich tue. Für die Probleme, die wir lösen, und dafür, wie wir die Welt positiv beeinflussen können. Ich könnte stundenlang darüber sprechen. Aber das bedeutet auch, dass es schwierig sein kann, andere Bereiche meines Lebens nicht zu vernachlässigen. Dennoch könnte ich mir mein Leben und meine Karriere im Moment nicht anders vorstellen, trotz der emotionalen Achterbahn, die ich jeden Tag durchlaufe.

Auf welchen Erfolg seid ihr besonders stolz?

Evoléna: Wenn ich zwei Jahre zurückblicke und mich an das erste Gespräch mit Ali erinnere, bekomme ich eine Gänsehaut. Es kommt mir vor, als wäre es ein Jahrhundert her. Seitdem sind so viele unglaubliche Dinge passiert! Wir haben so viel gelernt, erstaunliche Menschen kennengelernt und eine wirkungsvolle Technologie entwickelt, auf die ich wirklich stolz bin.

Welchen Ratschlag habt ihr für angehende Gründer:innen, die ein digitales Business aufbauen möchten? Wo habt ihr bei den ersten Schritten Unterstützung gefunden?

Evoléna: Jede großartige Innovation und jedes großartige Unternehmen beginnt immer mit einer Person, die einen Schritt in die Richtung macht, in der sie Wirklichkeit werden soll. In erster Linie muss man also aktiv werden und seine Idee zum Leben erwecken. Viele vielversprechende Konzepte werden nie verwirklicht, weil sie in den Köpfen der Erfinder:innen stecken bleiben.

Zweitens: Bilde dich weiter. Das Internet ist eine riesige Fundgrube für Informationen. Ich empfehle zum Beispiel die Y Combinator-Videos auf YouTube. Und schließlich solltest du nicht zögern, jede verfügbare Unterstützung anzunehmen. In Deutschland gibt es zahlreiche Möglichkeiten, Fördermittel und Beratung von erfahrenen Fachleuten zu erhalten. Informiere dich über verschiedene Inkubatoren und Angebote, die zu deiner Vision passen, und sprich diese an. Du hast nichts zu verlieren!

© Mario Heller

Über Evoléna de Wilde d‘Estmael

Evoléna ist eine Unternehmerin und Klimaaktivistin. Sie ist Mitbegründerin und CEO von Faircado, einem grünen Startup, das den Kauf von gebrauchten Produkten mit einer KI-gestützten Browser-Erweiterung so einfach und attraktiv macht wie den Kauf von neuen. Sie wurde zu einer der Top 100 Women in Social Enterprise ernannt, war Xathon-Gewinnerin 2022 und ist EU-Klimapakt-Botschafterin.

In den vergangenen Jahren sammelte Evoléna umfangreiche Erfahrungen beim Aufbau und Wachstum erfolgreicher Tech-Startups in den Bereichen E-Commerce und Verbraucherrechte. Darüber hinaus hat sie bei verschiedenen Organisationen, die sich mit dem Klimawandel befassen, wie Generation Climate Europe (GCE), Time for the Planet, Leaders for Climate Action und Greentech Alliance, Erfahrungen im Bereich Nachhaltigkeit gesammelt. In den letzten drei Jahren war sie Mitbegründerin von Solidartsy, einer Non-Profit Organisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, das Gender Pay Gap in der Welt der Kunst zu überbrücken.

Jetzt konzentriert sie sich voll und ganz darauf, den Einfluss von Faircado zu vergrößern, um den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen.

Bereit, Secondhand-Alternativen zu entdecken? Hier geht es zur Webseite von Faircado.

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