Mit dem Volla Phone haben Sie sich ein ambitioniertes Vorhaben auf die Fahne geschrieben: Ein Smartphone, das die Privatsphäre der Nutzer:innen schützt und komplett ohne die allseits bekannten Betriebssysteme auskommt. Wie konkret sieht das in der Praxis aus?
Dr. Jörg Wurzer: Anders als bei einem iPhone oder Smartphone mit Stock Android von Google müssen Sie für die Verwendung eines Volla Phones kein Konto erstellen oder eine Cloud nutzen. Das Betriebssystem und die Apps geben keine Daten weiter. Sie entscheiden selbst, mit wem Sie wann welche Daten teilen.
Was zeichnet das Betriebssystem und die Apps der Volla Phones im Detail aus? Kann es auch von Nutzer:innen ohne IT-Hintergrund problemlos bedient werden?
Wurzer: Auf unserem Volla gibt es auch Apps, aber sie treten in den Hintergrund. Im Vordergrund steht das »Sprungbrett« für eine unmittelbare und einfache Bedienung. Wir wollen damit ganz besonders auch die Anwender:innen ansprechen, die keinen IT-Hintergrund haben. Ich sehe eine zunehmende Komplexität von Smartphones. Dafür ist Volla OS eine Alternative. Mehr Zeit und Aufmerksamkeit für die Dinge die zählen, statt für die digitale Welt.
Sowohl bei der Bedienung als auch beim Design der Smartphones selbst setzen Sie auf Minimalismus. Wie konkret haben Sie das umgesetzt?
Wurzer: Wenn Sie das Smartphone entsperren, sehen Sie zunächst das »Sprungbrett«. Es besteht aus einem Textfeld und einem Roten Punkt. Und das war es auch schon. Sie beginnen, etwas in das Textfeld zu schreiben und das Volla Phone zeigt Vorschläge zur Vervollständigung eines Namens aus Ihrem Adressbuch oder eine zu Ihrer Eingabe passende Funktion. So können Sie zum Beispiel eine Nachricht senden, im Internet suchen oder einen Termin im Kalender ablegen. Auf diese Weise erledigen Sie viele Alltagstätigkeiten auf dem Smartphone schnell – ohne eine App öffnen zu müssen. Das Volla Phone arbeitet wie Ihr persönlicher Assistent.
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Wenn Sie den roten Punkt berühren, öffnet sich ein Schnellmenü, dessen Funktionen Sie einfach dadurch aufrufen, indem Sie Ihren Finger über den passenden Eintrag anheben. So rufen Sie zum Beispiel die Kamera, Ihren Kalender oder eine der Sammlungen auf.
Sammlungen sind auf dem Volla Phone automatisch für Sie zusammengestellte Inhalte: Kontakte, mit denen Sie zuletzt in Verbindung standen, jüngste Nachrichten von abonnierten Kanälen, Ihre Notizen und die jüngsten Unterhaltungen mit Kurzmitteilungen. Aktuell berücksichtigt die Sammlung für Unterhaltungen SMS, MMS und demnächst auch Signal-Nachrichten.
Bietet Ihre Software Mechanismen, die meine Privatsphäre auch beim Surfen im Internet-Browser zu einem gewissen Grad schützen?
Wurzer: Ja, zum einen das Betriebssystem selbst, dass keine Daten an Google versendet und zusätzlich einen Dienst zum Schutz der Internetverbindungen, ein sogenanntes Virtuelles Privates Netzwerk (VPN). Wir arbeiten dafür mit dem Anbieter Hide.me zusammen, der eine spezielle Technik für die Verschlüsselung der Internetverbindung verwendet und keine Aktivitäten aufzeichnet.
Zum Anderen ist es der Browser. Wir haben Fennec, die mobile Variante des beliebten Firefox Browsers ausgesucht, der Erweiterungen anbietet, mit denen Sie Werbung und unsichtbare Bestandteile von Webseiten herausfiltern können, die Daten über Ihr Nutzerverhalten sammeln.
Einzigartig ist der neue Sicherheitsmodus, den wir mit dem Volla Phone 22 einführen. Hiermit können Sie einzelne Apps und den Aufruf von Internet-Adressen blockieren oder explizit zulassen. Neben dem eigenen Schutz ist die Funktion auch ideal für Eltern, die Ihre Kinder schützen möchten, wenn diese ein Smartphone zur Schule mitnehmen oder in der Freizeit verwenden. Kinder könnten dann beispielsweise nur bestimmte Webseiten aufrufen oder nur von den Eltern freigegebene Apps verwenden.
Auch wenn dies natürlich dem Konzept eines datensicheren Smartphones widerspricht – ich kann mir vorstellen, dass viele Nutzer:innen dennoch sehr weit verbreitete Apps (wie z.B. WhatsApp) weiter nutzen möchten. Ist dies auf dem Volla Phone grundsätzlich möglich?
Wurzer: Ja, das ist grundsätzlich möglich. Wir möchte niemanden bevormunden. Es gibt Anwender:innen, die hunderte von Apps auf dem Volla Phone verwenden.
Sie finden zwei Appstores auf dem Volla Phone mit Volla OS: Aurora, für die anonyme Installation von Apps aus dem Google Play Store und F-Droid für quelloffene Alternativen. Alle Apps, die mit Android 11 kompatibel sind und Google Play Dienste nicht zwingend voraussetzen, können Sie auf dem Volla Phone verwenden. Das sind die meisten, wie zum Beispiel WhatsApp. Wir empfehlen aber für eine vertrauliche Kommunikation Alternativen wie Signal oder Session zu verwenden, von denen keine inhaltliche Überwachung oder Zensur bekannt ist.
Welche technischen Kerndaten zeichnet die Hardware-Ausstattung des Volla Phones aus?
Wurzer: Das neue Volla Phone 22 besitzt eine 48 MP Kamera mit zuschaltbarem Weitwinkelobjektiv. Ein leistungsstarker Prozessor mit 8 Kernen sorgt für eine flüssige Bedienung, während der 128 GB große Speicher genug Platz für Fotos und Musik bietet und mit einer Speicherkarte um ein weiteres halbes Terabyte erweitert werden kann. Praktisch ist die gleichzeitige Verwendung von bis zu zwei SIM Karten und einer Speicherkarte.
Wichtig dürfte für viele Anwender:innen der geringe Strahlungswert von 0,290 W/kg am Kopf bei einer zugelassenen Obergrenze von 2.0 W/kg sein. Der SAR-Wert des Volla Phone 22 liegt damit unter dem der meisten Smartphones. Das aktuelle iPhone 11 Pro hat laut Bundesamt für Strahlenschutz einen Wert von 0,99 W/kg.
Kund:innen erhalten das Volla Phone mit Volla OS oder mit dem alternativen Betriebssystem Ubuntu Touch, dessen Desktop-Version Ubuntu unter Linux-Anwender:innen sehr beliebt ist. Wer sich für Volla OS entscheidet, kann sogar Ubuntu Touch und andere Alternativen zusätzlich auf einer Speicherkarte installieren.
Wo wird Ihre Smartphone-Hardware produziert? Spielen soziale und ökologische Nachhaltigkeitskriterien, z.B. die Arbeitsbedingungen entlang der Lieferkette oder die Umweltverträglichkeit der Rohstoffe, für Sie eine Rolle?
Wurzer: Ja, das neue Volla Phone 22 wird wieder in einer Kleinserie in Deutschland von unserem Partner Gigaset Communications produziert. Deren Lieferanten wiederum unterliegen einem strengen Code of Conduct für Standards des Umweltschutzes und der Arbeitsbedingungen. Weitere Lieferanten befinden sich an unserem Standort in Remscheid. Unsere Verpackung kommt ohne Plastik aus und wird gerne als stabile Aufbewahrungsbox verwendet.
Ein großes ökologisches Problem besteht in der kurzen Lebensspanne der meisten »klassischen« Smartphones, die teils auch durch die Hersteller verursacht wird – vor allem die mangelnde Reparierbarkeit trägt wesentlich dazu bei. Wie gehen Sie mit diesem Problem um?
Wurzer: Häufig wird in der Tat ein entscheidender Punkt übersehen: Die Verfügbarkeit von Aktualisierungen der Software. Meist wird diese nur für die Garantiezeit angeboten. Wir wollen darüber hinaus gehen. Für unser erstes Modell haben wir bereits die dritte große Aktualisierung ausgeliefert. Gestartet sind wir mit Volla OS 9, abgeleitet von Android 9. Inzwischen sind wir bei Volla OS 11. Das ist nicht zuletzt deshalb möglich, weil unser Betriebssystem sehr schlank ist und bereits unser erstes Modell einen leistungsstarken Prozessor verwendet.
Das neue Volla Phone 22 enthält eine für Anwender:innen leicht austauschbare Batterie. Da wir aber für alle Modelle eine sehr leistungsstarke Batterie auf Lithium-Polymer-Basis verwenden, wird ein Austausch nicht notwendig sein. Die Zeiten sind zum Glück vorbei. Wenn Reparaturen notwendig werden, ist es meist ein gebrochenes Display. Deshalb empfehlen wir, eine Schutzfolie zu verwenden oder gleich das robuste Volla Phone X zu verwenden, das für die Anwendung in Industrie, Handwerk, Sport und bei allen Außenaktivitäten sinnvoll ist.
Selbstverständlich können sich unsere Kund:innen darauf verlassen, dass wir Reparaturen vornehmen können. In einigen großen Städten arbeiten wir auch mit einem Reparaturdienst zusammen, so dass Anwender:innen ihr Volla Phone für einen Displaytausch bequem vor Ort abgeben können.
Wie ist die Idee zu diesem Projekt entstanden und welche Menschen stehen hinter dem Volla Phone?
Wurzer: Das hat eine lange Vorgeschichte. In meinem Studium der Philosophie habe ich mich viel mit dem Verhältnis von Mensch und Technik beschäftigt, später habe ich für ein Unternehmen, das ich ebenfalls gegründet hatte, im Bereich Künstlicher Intelligenz und App-Entwicklung gearbeitet. Ich beobachte, dass Smartphones viel Zeit und Aufmerksamkeit beanspruchen und nicht nur Big Tech Unternehmen zunehmend Benutzer:innendaten erfassen und auswerten, ohne dass diese gefragt werden. Dafür habe ich eine Alternative gesucht.
Wir entwickeln von der Frühphase des Unternehmens an unsere Produkte für und mit unseren Anwender:innen. Daher wäre die treffendste Antwort sicherlich, auf unsere Community aus vielen Menschen aus unterschiedlichen Ländern und Lebenswelten zu verweisen.
Formal ist die »Hallo Welt Systeme« eine hundertprozentige Tochter meiner Holding. Wir haben einen Kern von Mitarbeitenden an unserem Standort in Remscheid, wobei zum Design und zur Entwicklung Mitarbeitende aus vielen Ländern beitragen. Wir sind damit ein regionales und zugleich internationales Unternehmen.
Um den Kern herum gibt es ein Netz von Lieferanten und Partnern. Besonders wichtig dabei ist eine Allianz von Unternehmen und Stiftungen, die zu dem Gedanken von Freiheit durch Einfachheit und Sicherheit beitragen, darunter die deutsche Suchmaschine MetaGer, die deutsche UBports Stiftung, die sich die Weiterentwicklung von Ubuntu Touch zur Aufgabe gemacht hat, oder der niederländische Anbieter StartMail, für sichere und verschlüsselte E-Mail-Kommunikation.
Auf einem solch hart umkämpften und von großen Konkurrenten dominierten Markt Fuß zu fassen, ist sicherlich eine Herausforderung. Was ist Ihre Erfolgsstrategie?
Wurzer: Ein Branchen-Insider sagte mir, dass es mit Volla endlich mal etwas Neues auf dem Markt für Smartphones gibt. Ob Apple oder Google – die Smartphones sind sich ähnlich: Zahlreiche Apps und enge Bindung an die Cloud der jeweiligen Marktführer. Es war Zeit für etwas Neues. Mit dem Volla OS stellen wir Menschen in den Mittelpunkt, denen wir eine neue Leichtigkeit bieten und die Möglichkeit selbst zu entscheiden, welche Daten sie mit wem teilen wollen.
Ich sehe hier nicht nur eine Marktnische sondern ein echtes Marktsegment, nachdem sich die Big Tech Unternehmen von der Cloud abhängig gemacht haben. Ein Schlüssel des Erfolgs ist sicher der Mut, einen entgegengesetzten Weg zu gehen - auch wenn die vollständige Digitalisierung und ein Leben, in dem wir ständig online sind, angekündigt werden.
Für so ein Projekt können Sie keine:n Investor:in begeistern. Daher sind wir von Anfang an den Weg mit den Anwender:innen gegangen, zunächst mit einer Fokus-Gruppe, dann mit einem Crowdfunding und heute mit einer lebendigen Community. Ohne Venture Capital wachsen wir vielleicht nicht so schnell wie wir mit könnten, dafür aber stabil und auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht nachhaltig.
Und auf welchen Erfolg sind Sie besonders stolz? In welche Richtung möchten Sie Ihr Startup künftig weiterentwickeln?
Wurzer: Wir haben inzwischen über 5.500 Geräte in über 55 Länder versendet. Das ist im Vergleich zu anderen Marken wenig. Vor dem Hintergrund jedoch, dass wir erst im Oktober 2020 unsere ersten Volla Phones an Kund:innen ausgeliefert haben, beobachten wir ein starkes Wachstum.
Ich fühle mich beschenkt durch Menschen, die mit Begeisterung mitarbeiten, die uns als Anwender:innen begleiten und als Partner unterstützen. Es gibt Kund:innen, die uns Urlaubsfotos von ihrem neuen Volla Phone senden, oder uns bei Freund:innen weiterempfehlen. Vor kurzem sandte ein Kunde dem Volla Team einen Baumkuchen. Es ist spürbar, dass es bei Volla um mehr als Umsatz und Technik geht.
Nicht zuletzt ist es für mich immer wieder aufs neue befriedigend, ein Produkt im wörtlichen Sinne in den Händen zu halten. Viele Jahre meines Lebens habe ich in Konferenzräumen verbracht, in denen Powerpoint-Folien gezeigt und Konzepte diskutiert wurden. So ein Volla Phone ist etwas Langlebiges, etwas Erschaffenes. Ganz anders als die flüchtige digitale Welt.
Wir stehen erst am Beginn einer spannenden Geschichte. Es wird noch einige Überraschungen geben. Hinter Volla steht das große Bild, eine sichere und unabhängige Infrastruktur für unsere Kommunikation zu schaffen. Ein Smartphone ist ein erster wichtiger Schritt. Doch wir beschäftigen uns auch mit einer hochverschlüsselten, verteilten Cloud, um Alternativen für die Dienste von Apple und Google zu entwickeln. Zum einen können diese Unternehmen niemals konsequent die Privatsphäre schützen, zum anderen ist der Betrieb großer Rechenzentren weder ökonomisch noch ökologisch.
Dr. Jörg Wurzer studierte Philosophie mit den Schwerpunkt Erkenntnistheorie und promovierte über die Bedeutung virtueller Realitäten auf unser Denken. Etwa 15 Jahre arbeitete er als Journalist und Buchautor und schrieb unter anderem für die Financial Times Deutschland, Die Welt und die Süddeutsche Zeitung. Dabei inspirierten ihn Aufenthalte im Silicon Valley und die dortige Gründerszene. Dr. Jörg Wurzer ist mehrfacher Gründer, darunter der IQser Unternehmensgruppe und der Hallo Welt Systeme. Hierbei war er viele Jahre in der Forschung von semantischen Technologien und künstlicher Intelligenz tätig, aus der eine Reihe von internationalen Erfindungen, Vorträgen und Veröffentlichungen entstanden.
Neugierig geworden? Hier geht es lang zur Webseite von Volla Phone.
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