Das geheime Talent des Rhabarbers: rhabarberleder® von deepmello als umweltschonende Alternative für die Ledergerbung

Dass in allbekannten, heimischen Pflanzenarten wesentlich mehr steckt, als man vermutet, beweist das junge Modelabel deepmello – Denn Rhabarber lässt sich nicht nur für Kompott und Kuchen verwenden, sondern auch für die natürliche Gerbung von Leder! Durch die konsequent regionale Produktion und den Verzicht auf schädliche Chemikalien hat das Jungunternehmen somit eine umweltschonende, aber dennoch effiziente Alternative für die industrielle Lederverarbeitung entwickelt. Mehr über das enorme Potential des rhabarberleders® im Interview mit Gründerin Dr. Anne Bansleben.
Foto © rhubarb technology GmbH
von Charlotte Clarke, 7. Februar 2021 um 07:02

Bei deinem Modelabel deepmello dreht sich alles um eine nachhaltige Alternative für die Ledergerbung – nämlich mit Hilfe von Rhabarber! Wie seid ihr darauf gekommen, dass sich ausgerechnet diese Pflanze zur umweltschonenden Gerbung von Leder besonders gut eignet? 

Dr. Anne-Christin Bansleben: Die Gründer*innen von deepmello sind alle Wissenschaftler*innen und Expert*innen im Gebiet der pflanzlichen Analytik. Wir schauen uns also pflanzliche Inhaltsstoffe genauer an und bewerten diese, um mögliche Anwendungen zu erarbeiten. Im Zuge unserer Forschungsarbeiten analysierten wir auch die Inhaltsstoffe des Rhabarbers und fanden heraus, dass seine Inhaltsstoffe sich zum Gerben von Ledern eignen müssten. Daraufhin entwickelten wir die Methode vom Labormaßstab bis hin zur großtechnischen Produktion, so wie sie heute stattfindet.

Das grundlegende Prinzip der pflanzlichen Gerbung von Leder ist schon lange bekannt – dafür verwenden Menschen schon seit Jahrtausenden verschiedene Gerbstoffe, in Europa etwa aus Eichenholz. Warum ist dieses natürliche Verfahren nach und nach durch chemische Verfahren (vor allem mit Chromverbindungen) verdrängt worden?

Anne-Christin: Während der Industrialisierung war es das Ziel, viele Produkte herzustellen. Auch an Leder wuchs der Bedarf rasant. Zu diesem Zeitpunkt wurden noch ausschließlich pflanzlich gegerbte Leder mit einem hohen zeitlichen Aufwand hergestellt. Es dauert Wochen bis Monate, bis man aus rohen Häuten in sehr aufwendigen Verfahren fertige Leder hergestellt hat. Eine schnelle Massenproduktion war so nicht möglich.

Daher wurde nach alternativen Verfahren gesucht und entdeckt, dass sich auch Schwermetalle und hier vor allem Chromsalze zur Gerbung eigneten. Diese konnte man in großem Maße in Tagebauen abbauen, chemisch aufarbeiten und für die Massenfertigung von Ledern einsetzen. Dies verdrängte sehr schnell die althergebrachten Verfahren, da sie als unwirtschaftlich galten. Dieser Industriezweig war schnell sehr erfolgreich und ist es bis heute.

Allerdings gelingt es mittlerweile, auch pflanzlich gegerbte Leder, wie unser rhabarberleder®, in ähnlich effizienten technologischen Anlagen zu fertigen. Das bedeutet, dass man nicht mehr zeitliche oder qualitative Einschränkungen hat.

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Was sind die Vorteile von pflanzlich gegerbtem rhabarberleder® im Vergleich zur konventionellen Lederherstellung und inwieweit ist die Rhabarberpflanze den altbekannten pflanzlichen Gerbstoffen überlegen? 

Anne-Christin: Unser Leder wird ohne Zuhilfenahme von Chromsalzen oder anderen Schwermetallen gegerbt. Dies ist das vorherrschende Gerbverfahren weltweit. Etwa 80% aller Leder werden mit Chrom gegerbt. Eine Umweltchemikalie, die auch für den Menschen eine Gesundheitsgefahr darstellt, wenn sie in ihre Begleitform Chrom VI umgewandelt wird.

Uns war es wichtig, eine pflanzliche Gerbung zu entwickeln, mit der man ebenso wirtschaftlich hochwertigste Leder herstellen kann. rhabarberleder® wird genauso großtechnologisch hergestellt wie üblicherweise verwendete Chromleder. Anstelle des Chromsalzes kommt in der Produktion dann allerdings unser Extrakt zum Einsatz. Darüber hinaus realisieren wir den gesamten Prozess von der Pflanze, über die Herstellung des Extraktes, die Verwendung von Häuten von deutschem Milch- und Fleischvieh bis hin zur Gerbung zu 100% in Deutschland. Dies garantiert uns hohe Qualität, kurze Transportwege, artgerechte Tierhaltung, gerecht bezahlte Löhne und sichert Arbeitsplätze in der Region. Alles Aspekte, die gerade in der Lederherstellung oft sehr problematisch sind.

Wir wollten mit Rhabarber beweisen, dass eine einheimisch wachsende, allen bekannte Pflanze solch enormes Potential hat, um eine nachhaltige Alternative zur Chromgerbung darzustellen.

Welche Produkte aus rhabarberleder® habt ihr bereits in eurem Sortiment? 

Anne-Christin: Unser rhabarberleder® kommt mittlerweile weltweit zum Einsatz. Es werden daraus Produkte wir Bekleidung, Taschen und Accessoires hergestellt. Ein großer Markt ist der Schuhsektor. Unsere Leder werden nicht mit Kunststoffen, wie bei konventionell hergestellten Ledern oft üblich, beschichtet. Das garantiert ihre biologische Abbaubarkeit und sie bleiben atmungsaktiv. Eine Eigenschaft, die natürlich vor allem für Schuhe sehr positiv ist.

Zudem wächst inzwischen auch der Markt für nachhaltige Materialien im Interior und Automotivbereich, wo man ebenfalls unser Leder einsetzt.

Foto © rhubarb technology GmbH



Inwieweit achtet ihr nicht nur bei der Gerbung, sondern auch in Bezug auf eure Lieferkette und insbesondere beim Einkauf eures Rohmaterials, der Tierhaut, auf Nachhaltigkeits-Standards? 

Anne-Christin: Unsere Rhabarberpflanzen werden nachhaltig und regional angebaut und geerntet. Wir verwenden für unser Leder die Wurzeln. Die oberirdische Blattmasse geht dann zum Teil in die Ernährung und in die Verwendung anderer Produkte, z.B. in der Pharmazie oder eben wieder in die Forschung- und Entwicklung neuer innovativer Produkte. 

Wir verwenden ausschließlich Häute von Milch- und Fleischvieh aus artgerechter Haltung, das in Deutschland geboren und aufgewachsen ist. Alle weiteren Produktionsschritte finden ebenfalls in Deutschland statt. Keiner unsere Transportwege ist länger als 450 km. Wir garantieren eine 100% Produktion Made in Germany.

Auch wenn der Prozess der Gerbung beim rhabarberleder® sehr umweltschonend ist, könnte man gleichzeitig einwenden, dass es sich aber immer noch um ein tierisches Produkt handelt. Neben Aspekten des Tierwohls hat die Haltung und Aufzucht von Nutztieren einen sehr großen ökologischen Fußabdruck. Mittlerweile gibt es einige vegane Materialien, die eine Alternative zu Tierleder darstellen. Seht ihr an irgendeiner Stelle evtl. Potenzial, eure Technologie mit Leder-Alternativen zu kombinieren?

Anne-Christin: Wir haben uns das Ziel gesetzt, für das sehr umweltverschmutzende Verfahren der Schwermetallgerbung eine wirtschaftliche Alternative zu entwickeln und konkurrenzfähig zu machen. Also eine echte Alternative. Auch wenn der Trend der vegetarischen oder veganen Lebensweise mittlerweile mehr als ein Trend geworden ist, fallen nach wie vor sehr viele Tierhäute an. Und alle Häute, die nicht, wie z.B. mit unserem Rhabarbergerbverfahren, pflanzlich gegerbt werden, werden umweltschädlich gegerbt. Wir sehen es als Pflicht an, diese Häute zu verarbeiten. Ein Verwerfen wäre ebenso unverantwortlich. Leder ist ein sehr haltbares, langlebiges Produkt mit einer Vielzahl an Einsatzmöglichkeiten.

Die bisherigen veganen Materialien haben leider einen Nachteil: Für ihre Herstellung werden PU-Materialien eingesetzt. Also erdölbasierte Kunststoffe, die nicht nachhaltig sind. Daher sind sie aus unserer Sicht nicht als nachhaltiges Material zu betrachten, auch wenn bei ihrer Herstellung auf tierische Bestandteile verzichtet wird.  

Foto © Andreas Troitsch
Was waren die größten Herausforderungen bei der Gründung eures Unternehmens?

Anne-Christin: Eine große Herausforderung war, sich als „Quereinsteiger*innen“ im Ledervertrieb zu behaupten. Wir brachten zwar die Expertise der Herstellung, aber keinerlei Kontakte in dieser Branche mit. Inzwischen sind wir gut vernetzt und unsere Kompetenz wird vor allem bei unseren Kund*innen sehr geschätzt.
  

Was würdet ihr angehenden Social & Green Entrepreneurs raten, die ihre Idee in die Tat umsetzen wollen? Welche Fehler sollte man vermeiden und wo holt man sich am besten Unterstützung?

Anne-Christin: Sich ein gutes Netzwerk aufzubauen ist aus meiner Sicht unerlässlich. So hat man immer Ratgebende, die man bei bestimmten Fragestellungen kontaktieren kann. Und weiterhin wichtig ist es, sich bestimmte Kompetenzen, die man selbst nicht besitzt, ins Unternehmen zu holen. Damit meine ich passende Partner*innen oder Mitarbeitende. Dies reicht manchmal auch projektbezogen aus.


Neugierig geworden? Hier kannst du das rhabarberleder® als Rohmaterial bestellen und hier geht es zum Fashion-Onlineshop von deepmello.

deepmello unterstützt die Kampagne #innovationsland Deutschland. Ideen haben das Potenzial, die Welt zu verändern. Im Kleinen wie im Großen. Um sie zu realisieren, braucht es vor allem: Mut. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) stellt Menschen vor, die mit ihren Ideen unsere Gesellschaft gestalten, die sich getraut haben, etwas zu verändern. Es sind Geschichten, die das #innovationsland Deutschland prägen – und die inspirieren: Denn wir alle können etwas bewegen.

Stories von inspierenden Gründer*innen und Events findest du auf der Webseite von #innovationsland Deutschland.

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