Mit eurem Startup Glasbote hebt ihr das Konzept des Unverpackt-Ladens auf die nächste Stufe – nämlich mit einem Lieferdienst. Warum habt ihr euch für einen Lieferservice entschieden und nicht für ein stationäres Ladenlokal?
Florin Kutten: Der Unverpackt-Laden bietet eine gute Möglichkeit, den Verpackungswahnsinn zu stoppen. Jedoch war ein Einkauf für mich immer sehr lästig, da der Unverpackt-Laden sehr weit weg von mir ist. Des Weiteren fehlt jegliche Spontanität zum Einkaufen, da ich immer meine Gläser mitnehmen muss. Auch das Schleppen der leeren und vollen Gläser ist sehr anstrengend. Der Einkauf dauert durch das Umfüllen zusätzlich relativ lange. Daher habe ich nach einer für mich passenderen Lösung gesucht und somit Glasbote gegründet. Glasbote ist ein online Unverpackt-Laden, der den Kunden*innen einen unverpackten Einkauf in Pfandgläsern bis nach Hause in den 4. Stock liefert. Somit wird es für die Kunden*innen bequem, d.h. ohne Schleppen und mit einem Klick, mit ihrem Einkauf dem Verpackungswahnsinn den Kampf anzusagen. Es spart den Kunden*innen Zeit und bietet die Spontanität, jederzeit und von überall die Einkäufe zu bestellen und sie noch am selben Abend zu erhalten. Mit einem Ladenlokal könnten wir dieses Ziel nicht erreichen.
Wir haben uns zudem für einen Lieferservice entschieden, da wir dadurch nur ein zentrales Lager anstelle von zehn Ladenlokalen benötigen, um den Großteil Düsseldorfs zu beliefern. So sparen wir Kosten und können diese Ersparnisse weiter an die Kund*innen geben.
Wie genau funktioniert die Bestellung und Lieferung bei Glasbote? Gibt es einen Mindestbestellwert? Und wie lange dauert es, bis ich meine Waren erhalte?
Florin: Auf unserer Homepage kann man ganz einfach und bequem die gewünschten Waren bestellen. Man zahlt die Produkte sowie das Pfand für die Gläser. Ab November gibt es keinen Mindestbestellwert mehr, allerdings fällt dann eine Liefergebühr in Höhe von 4,90 Euro an, wobei die erste Bestellung gratis zu dir geliefert wird. Bei einer Bestellung vor 12:00 Uhr mittags erhält man die Produkte sogar noch am gleichen Abend. Natürlich ist es auch möglich, einen anderen beliebigen Tag auszuwählen. Die Lieferung erfolgt an Wochentagen zwischen 18:30 und 21:30 Uhr und am Samstag zwischen 15:00 und 18:00 Uhr.
Wenn man ein zweites Mal bestellt, kann man die leeren Gläser bei der Lieferung ganz einfach an unsere Glasbot*innen (so nennen wir unsere Fahrer*innen) abgeben. Diese nehmen die Gläser mit ins Lager. Den Kund*innen wird der Pfandbetrag auf dem Kundenkonto gutgeschrieben oder bei Wunsch auf das Bankkonto ausgezahlt. Wir spülen die Gläser und befüllen diese neu, um sie an den*die nächste*n Kunden*in zu liefern. So schließt sich der Kreis und wir sparen Verpackungen ein.
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Aktuell sind in eurem Online-Shop bereits plastikfreie Kosmetikprodukte und Drogerieartikel erhältlich. Wann ist die Aufnahme von Lebensmitteln ins Sortiment geplant?
Florin: Wir arbeiten momentan mit Hochdruck daran, die ersten 20-25 Lebensmittel zu verkaufen. Voraussichtlich wird es möglich sein, ab der ersten Novemberwoche 2021 Lebensmittel bei uns zu kaufen. Wer nicht im Liefergebiet ist oder als erstes von der Einführung der Lebensmittel erfahren will, kann sich gerne auf die Warteliste schreiben. Dort werden wir mitteilen, wann es offiziell losgeht.
Welche Kriterien sind euch bei der Auswahl eurer Produkte wichtig? Werden die Lebensmittel in eurem Sortiment überwiegend bio- und/oder Fairtrade-zertifiziert sein?
Florin: In einer Umfrage haben wir herausgefunden, dass die meisten Konsument*innen nicht in den Unverpackt-Laden gehen, da die Preise so teuer sind. Daher fahren wir von Glasbote einen Ansatz, bei dem wir konventionelle Produkte zu erschwinglichen Preisen anbieten. Deshalb haben wir erstmal keine Bio-Produkte. Zu einem späteren Zeitpunkt werden wir auch ein Bio-Sortiment anbieten. Wir wollen es allen Menschen möglich machen, verpackungsfrei einzukaufen. Trotzdem ist es uns natürlich nicht egal, welche Produkte wir beziehen! Wir kaufen die Produkte in großen Gebinden ein und achten dabei ganz besonders darauf, aus welchem Material diese Gebinde sind. Wir möchten Plastik mit allen Mitteln vermeiden, da dieses Gift für den Körper ist und diesen langfristig schädigen kann. Deshalb achten wir zum Beispiel auch darauf, dass unsere Deckel, wenn es möglich ist, PVC-frei sind. Zudem kaufen wir no-name Marken ein, welche qualitativ hochwertig sind, allerdings günstiger aufgrund der fehlenden Marke. So können wir es den Kund*innen ermöglichen, verpackungsfrei und zu erschwinglichen Preisen einzukaufen.
Wenn wir größer werden und auch eine gewisse Marktmacht haben, wollen wir unsere Produzenten dazu bringen, auch eine Kreislaufwirtschaft einzuführen, so dass die großen Behälter auch wiederverwendet werden. Unser Ziel ist es, eine Kreislaufwirtschaft vom Produzenten zu den Konsument*innen zu schaffen.
In ein paar Monaten wollen wir dann auch Obst und Gemüse anbieten. Hier werden wir versuchen, möglichst regionales und vor allem saisonales Obst und Gemüse anzubieten. Auch »unschönes« Obst und Gemüse wird man bei uns finden. So können wir zu erschwinglichen Preisen verpackungsfreie und CO2-arme Produkte direkt an die Haustür liefern.
Wie du bereits erwähnt hattest, sind die Waren in vielen Unverpackt-Läden im Vergleich zum konventionellen Handel oftmals überdurchschnittlich teuer – und daher schlichtweg nicht für alle Menschen erschwinglich. Gibt es aus eurer Sicht Lösungen für den scheinbaren Widerspruch zwischen verantwortungsvoller Produktion und erschwinglichen Preisen?
Florin: Bioprodukte, die lokal hergestellt werden, werden immer teurer sein als konventionelle Produkte. Es wird immer nur verhältnismäßig wenige Menschen geben, die sich diese Produkte leisten können. Dies ist ein viel größeres Problem und hat mit übergeordneten gesellschaftlichen Problemen zu tun. Wir von Glasbote warten nicht, bis jeder Mensch sich Bio-Produkte leisten kann und das Geld hat, zum Unverpackt-Laden zu gehen. Wir bieten den Kund*innen ihr gewünschtes Produkt zum gewohnten Preis an, nur ohne die Verpackung! Wenn wir diesen Wandel in der Gesellschaft schaffen, dann haben wir schon einen extrem großen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit gemacht. Menschen, die sich nämlich gerade den Unverpackt-Laden nicht leisten können, haben keine Wahl und müssen verpackte Produkte kaufen: Das ändern wir mit Glasbote.
Zudem ist Bio auch nicht immer der absolut nachhaltigste Weg. Eine Packung mit nur 4 Bio-Äpfeln, die dann zwei Mal in Plastik eingepackt sind, kann insgesamt weniger nachhaltig sein als konventionelle Äpfel von einem regionalen Bauern, die von uns ohne jegliche Verpackung geliefert werden.
Momentan ist euer Liefergebiet auf Düsseldorf begrenzt. Plant ihr in Zukunft eine Ausweitung eures Services in andere Städte?
Florin: Ja. Wir fangen in Düsseldorf an und wollen nach erfolgreicher Markteinführung eine Expansion in NRW vornehmen, später dann deutschlandweit. Unser Ziel ist kein Geringeres als den Lebensmittelhandel in Deutschland zu revolutionieren.
Welche Menschen stecken hinter dem Projekt und wie habt ihr euch als Gründungsteam zusammengefunden?
Florin: Das Gründungsteam besteht aus Julia, Carolin und mir, Florin. Julia und ich haben uns vor 6 Jahren im BWL-Studium kennengelernt und sind seit jeher beste Freunde. Carolin ist zu Julia in die WG gezogen und so hat sich das Gründungsteam dann gefunden. Da wir uns so gut ergänzen, haben wir das Unternehmen auch gemeinsam gestartet. Julia und ich sind die BWLer*innen mit dem Verständnis für Zahlen und Organisation, wobei Carolin die Kreative im Team ist. Wir sind alle drei sehr extrovertiert und ergänzen uns auch charakterlich sehr gut. Während ich der Visionär bin und manchmal zu groß denke, hält mich Julia als Bodenständige am Boden. Wenn es mal kracht, dann beruhigt Caro die ganze Sache.
Was war bislang die größte Herausforderung bei der Gründung eures Business und wie habt ihr diese gemeistert?
Florin: Die Behörden. Ich habe das Gefühl, dass in Deutschland alles gemacht wird, um es den Selbstständigen so schwer wie nur möglich zu machen. Das fängt beim Papierkram an bis hin zu den Blicken des Entsetzens, wenn man etwas Neues probieren will. Der Staat wirbt mit Fördermitteln für Startups, macht es dann aber so schwer und kompliziert, diese zu bekommen, dass man am Ende unzählige Nerven und Tage unnötiger Arbeit verliert, in denen man sich auch um das Geschäft hätte kümmern können.
Wie wir die Probleme lösen? Ich geh eine Runde laufen und wir setzen uns wieder an einen Tisch und arbeiten weiter hart an unserer Lösung. Es sind unnötige Steine, die wir in den Weg gelegt bekommen. Würden wir aber keinen Weg um die Steine herum finden, wären wir nicht die Richtigen, um ein Startup zu gründen.
Wo habt ihr als Gründer*innen Unterstützung gefunden und wie habt ihr die Startfinanzierung gestemmt?
Florin: Finanziert sind wir momentan selbst von unserem ersparten Geld. Wir suchen aber momentan nach einem Investment von 250.000 Euro, um unser Startup richtig durchstarten zu lassen.
Unterstützung haben wir von Anfang an vom CEDUS (Center of Entrepreneurship Düsseldorf) bekommen. Da wir alle an der HHU in Düsseldorf studiert haben, war das auch unsere erste Anlaufstelle. Momentan sind wir in einem Impact Accelerator-Programm vom Hafven in Hannover, dort werden wir auch tatkräftig unterstützt. Unsere Familie und Freund*innen helfen uns auch mit ihren Erfahrungen und Tipps.
Ich bin 26 Jahre alt und komme gebürtig aus Luxemburg. Zum Studieren bin ich nach Düsseldorf gezogen, wo ich dann meinen Bachelor in BWL gemacht habe. Anstatt dann klassisch einen Master zu machen, bin ich erst einmal auf eine Weltreise aufgebrochen. Diese lebensverändernde Reise war auch der Grundbaustein für Glasbote, da ich die unglaubliche Verschmutzung in der Welt gesehen habe. Aus den geplanten 12 Monaten wurden dann am Ende 18 Monate, bis die Covid-19 Pandemie für ein abruptes Ende gesorgt hat. Ich habe mich dann bewusst gegen einen Master entschieden und habe angefangen zu arbeiten. Als ich dann, wieder aufgrund von Corona, meinen Job als Berater bei einer großen Unternehmensberatung in Luxemburg verloren habe, war das mein Zeichen. Es war an der Zeit, mich selbstständig zu machen und meinen Teil zur Lösung des Klimawandels beizutragen. Jetzt bin ich der CEO von Glasbote und kümmere mich um die Strategie, die Organisation, die Finanzierung sowie um die Webseite.
Meine Mission ist es, den Klimawandel aufzuhalten und die Natur wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Mit Glasbote trage ich meinen Teil zur Lösung bei, da ich der Meinung bin, dass es nicht reicht, sein Licht auszumachen und die Heizung runterzudrehen. Die Welt muss sich komplett ändern und dafür braucht es Menschen wie das Team von Glasbote.
Du möchtest mehr erfahren? Hier geht es zur Homepage von Glasbote.
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