Nachtleben und Nachhaltigkeit: »Clubtopia« macht die Berliner Partyszene klimafreundlicher

Ausgelassene Partynächte im Club und Klimaschutz - geht das zusammen? Die Berliner Initiative »Clubtopia« zeigt mit ihren vielfältigen Formaten, dass Clubbetreibende und Gäste schon mit kleinen Maßnahmen einen positiven Wandel unterstützen können - ganz ohne Spaßbremse! Mehr zur musikalischen Weltrettung verrät unsere Expertin für Nacht & Nachhaltigkeit, Konstanze Meyer im Interview.
Photo by Anthony DELANOIX on Unsplash
von Charlotte Clarke, 29. November 2019 um 07:47

Mit eurer Initiative Clubtopia setzt ihr euch für mehr Nachhaltigkeit in der Berliner Clubszene ein. An welchen Stellen gibt es aus deiner Sicht bei Partys und Events noch besonders großen Verbesserungsbedarf hinsichtlich Klimafreundlichkeit?

Konstanze Meyer: Eine der größten Stellschrauben, um viel CO2 zu sparen, ist oft der Wechsel zu einem echten, zertifizierten Ökostromanbieter nach GSL Standard. Das Siegel zeichnet Anbieter aus, die einen zusätzlichen Umweltnutzen bieten und Energie nicht aus fossilen Energieträgern produzieren. Ökostrom muss auch nicht unbedingt teurer sein und ist der erste Schritt, um CO2 im Club zu sparen.

Häufig sind die Gebäude, in denen sich Clubs befinden, eher alt und schlecht gedämmt – deshalb müssen sie viel Heizenergie aufwenden. Hier etwas zu ändern, ist oft gar nicht so einfach und mit höheren Kosten verbunden – es sei denn, der*die Vermieter*in zieht mit. Weil sich Clubs aber in vielen Fällen eine umfassende Sanierung nicht leisten können oder nicht wissen, ob sie langfristig bleiben können, setzen wir bei Clubtopia vor allem auf viele kleine Schritte, die die Energiebilanz des Clubs verbessern. Dazu gehört z.B. die Umstellung auf LED-Beleuchtung, der Einsatz von energieeffizienten Kühlgeräten und eine umweltfreundliche Mobilität und Logistik. Aber auch im Bereich Abfall und Ressourcen schonen können Clubs viel tun: Möglichst chemikalien-freie Putzmittel, wenig Verpackungsmüll, konsequente Verwendung von Mehrweggeschirr und Mehrwegbehältern für Getränke sind nur einige Beispiele dafür.

Die Initiative Clubtopia ist kürzlich im Rahmen der »listen to berlin: Awards« ausgezeichnet worden, welche herausragendes Engagement für die Berliner Musik- und Kreativbranche ehren. Herzlichen Glückwunsch! Wie sehen die Aktivitäten von Clubtopia konkret aus und an wen richten sich eure Veranstaltungsreihen?

Konstanze: Danke, wir freuen uns sehr über die Auszeichnung, die wir auch dank unserer langjährigen Zusammenarbeit mit dem BUND Berlin e.V., dem clubliebe e.V. sowie der Clubcommission Berlin gewonnen haben. 

Im Rahmen unseres Projektes bringen wir Expert*innen der Nacht und Nachhaltigkeit zusammen und informieren zum klimafreundlichen Handeln im Club- und Veranstaltungsbetrieb. Konkret heißt das:

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  • Die »Runden Tische für eine grüne Clubkultur« laden engagierte Clubbetreibende und Veranstaltende ein, gemeinsam einen Verhaltenskodex für umwelt- und klimafreundliches Verhalten im Clubbetrieb zu erarbeiten. Dieser Code of Conduct dient Clubbetreibenden in Zukunft dazu, die Verbesserung ihrer Klimabilanz konkret anzugehen und nach außen zu tragen.
  • Wissen vermittelt das Projekt mit einer Neuauflage der virtuellen Klimaberatung »Green Club Guide« und Workshops im Rahmen anderer Veranstaltungen wie bspw. der »Stadt nach Acht«-Konferenz. 
  • Die Energieberatung richtet sich in erster Linie an Clubbetreibende und Veranstaltende. In Einzelgesprächen und Clubbegehungen werden diese individuell beraten, über Energieeinspar-, Umwelt - und Klimaschutzmaßnahmen sowie Fördermöglichkeiten informiert und bei der Umsetzung der Maßnahmen begleitet.
  • In den Zukunftslaboren »Future Party Lab« tauschen sich Professionelle der Nachhaltigkeitsbranche und der Clubszene mit Amateuren und Clubgästen aus und entwickeln gemeinsam innovative Lösungen für nachhaltige Clubnächte. Begleitet wird die Veranstaltungsreihe von einem Ideenwettbewerb, welcher besonders innovative und klimawirksame Lösungen hervorhebt und deren Umsetzung unterstützt.

Foto: © clubliebe Karoline Kohle

Der von euch veröffentlichte Praxisleitfaden »Green Club Guide« gibt Tipps und Hinweise zur nachhaltigen Gestaltung eines Clubs oder Veranstaltungsortes. Kannst du uns ein paar anschauliche Beispiele nennen, wie Veranstalter*innen mit einfachen Maßnahmen den CO2-Ausstoß - und gleichzeitig auch die finanziellen Kosten - von Events verringern können?

Konstanze: Scheinbar banal, aber manchmal gar nicht so einfach: Abschalten. Auf unseren Energieberatungen sehen wir nicht selten halb leere Kühlschränke, die nur laufen, weil sie noch niemand entsorgt hat. Dabei werden sie eigentlich gar nicht mehr gebraucht und kosten aber trotzdem durch ihren Energieverbrauch eine Menge Geld. Ähnlich verhält es sich mit Mini-Kühlschränken, die nur wenige Flaschen oder Dosen kühlen, dabei aber genauso viel Strom verbrauchen wie die großen Kühlschränke – am besten schnell abschalten und korrekt entsorgen.

Ähnliches gilt für das Licht: Beim Putzen oder vor Veranstaltungsbeginn ist es nicht notwendig, die Festbeleuchtung laufen zu lassen. Also: lieber ausmachen und nur das Putzlicht nutzen. Die Umstellung auf LED-Leuchtmittel lohnt sich häufig schon nach einigen Monaten, je nachdem wie häufig sie genutzt werden.

Deutlich wird die Kostenersparnis auch auf dem stillen Örtchen: Wenn durchschnittlich 400 Personen pro Abend zweimal die Toilette benutzen, sind das bei einem Spülkasten von 9 Litern 691.200 Liter im Jahr. Wenn man jetzt auf 3 Liter-Spülkästen umsteigt, kann man 460.800 Liter Wasser pro Jahr und die entsprechenden Kosten sparen.

Ausgelassene Partys sind ja in der Regel eine sehr hedonistische Angelegenheit - man möchte unbeschwert sein, den Kopf freimachen und einfach nur eine Menge Spaß haben - steht dies nicht ein wenig im Widerspruch zum Nachhaltigkeitsgedanken, der oft mit freiwilligem Verzicht und kritischer Hinterfragung des eigenen (Konsum-)Verhaltens sowie dessen Konsequenzen zu tun hat? 

Konstanze: Könnte man meinen, das sehen die Clubgäste aber anders: In meiner Masterarbeit habe ich über 500 Berliner Clubgänger*innen befragt, ob sie sich mehr Nachhaltigkeit in den Clubs wünschen – über 90 Prozent sind dafür! Natürlich ist ein nachhaltiges Image bei der Wahl des Clubs nicht so wichtig wie die Musik, die dort gespielt wird. Dennoch sind Clubgäste keineswegs die Hedonist*innen, für die man sie immer hält: In ihrem Alltag verhalten sich viele von ihnen durchaus nachhaltig und sind auch bereit, selber mehr für eine nachhaltige Clubszene zu tun.

Das Cluberlebnis selbst – Musik – Stimmung – Raum – Publikum – wollen wir aber erhalten, so wie es ist: Laut, bunt, vielfältig, sozial! Und natürlich gibt es auch bessere Orte, um über Nachhaltigkeit zu sprechen als die Tanzfläche. 

Vor Kurzem habt ihr mit dem Event »NachHall – Feiern for Future« eine umweltfreundliche und klimaneutrale Party organisiert. Wie habt ihr das angestellt und mit welchen Aktionen habt ihr die Besucher*innen für das Thema Nachhaltigkeit sensibilisiert?

Konstanze: Da wollen wir uns aber nicht mit fremden Federn schmücken :) Die Organisation lag hauptsächlich in den Händen des Nachhaltigkeitsbüros der Humboldt-Universität. Wir haben uns gemeinsam mit ihnen um die CO2-Bilanzierung gekümmert, d.h. eine Vorabbegehung gemacht und ein Schema erstellt, mit dem man alle CO2-relevanten Faktoren des Abends möglichst genau erfassen konnte. Zum Beispiel haben wir die Gäste am Eingang gefragt, wie sie angereist sind und haben jede Stunde den aktuellen Stromzählerstand erfasst.

Zur Sensibilisierung: Ich glaube, das Thema ist an dem Abend an keinem vorübergegangen, aber wurde auf sehr unterhaltsame Weise rübergebracht. So wurde bspw. eine Upcycling-Modenschau organisiert und es gab ein leckeres Buffet mit geretteten Lebensmitteln.

Unser Team Clubtopia und Clubmob war mit dem Glücksrad unterwegs. Menschen konnten bei uns Fragen zum Thema Energiesparen und CO2 Sparen beantworten: »Wie viel Strom verbraucht ein Berliner Club?« »Was ist die effizienteste Maßnahme für einen Club oder Haushalt, um CO2 zu sparen (außer keine Partys mehr)?« »Wie viel CO2 wird beim Wechsel zu Ökostrom eingespart?« Dies waren nur einige der Fragen, die wir den Gästen gestellt haben. Manche Gäste haben wir auch auf Missionen geschickt, z.B. »Finde eine bisher unbekannte Person, die auf ein Festival getrampt ist.« Oder »Frage eine dir bisher unbekannte Person, was den größeren CO2-Abdruck hat: Gras rauchen oder Bier trinken?« Mit ein bisschen Glück gab es auch etwas zu gewinnen.

In welchen Handlungsfeldern sollten deiner Meinung nach die Clubbetreiber*innen und Veranstalter*innen aktiv Verantwortung übernehmen und an welchen Stellen ist bei den Gästen eine Verhaltensänderung gefragt?

Konstanze: Im Idealfall arbeiten Clubgäste und Clubbetreiber*innen enger zusammen und bestärken sich gegenseitig. Clubgäste, z.B. indem sie vorbildliches Verhalten bei Clubbetreibenden auch mal loben oder es in ihren Netzwerken streuen. Umgekehrt können Clubgäste auch Vorschläge machen, wie sich Clubs nachhaltiger entwickeln können. Nur nicht unbedingt mit 5 Bier intus beim Barpersonal ;)

Ansonsten sollten sich Clubs und Veranstalter*innen natürlich klassischerweise um Ökostrom, energieeffiziente Technik, Abfallvermeidung, umweltfreundliche Mobilität und Logistik kümmern.

Clubgäste wiederum sollten sich darum bemühen, umweltfreundlich mit ÖPNV oder Fahrrad anzureisen, keinen Müll auf dem Weg zu hinterlassen und gezielt faire und regionale Getränke nachfragen.

Das Berliner Nachtleben ist weltberühmt - und zieht unzählige Feierlustige in die Hauptstadt. Dieser große Touristenandrang kann unter Umständen für die Anwohner*innen negative Folgen haben - angefangen von der Belästigung durch Lärm und Müll bis hin zur Gentrifizierung ganzer Stadtviertel. Denkt man bei Nachhaltigkeit auch die Lebensqualität der Stadt mit - wie kann sozialen Interessenkonflikten begegnet werden?

Konstanze: Hier möchte ich auf die aktuelle Studie der Clubcommission zur Berliner Clubkultur verweisen: Berliner Clubbetreiber*innen schätzen selber ein, dass knapp 2/3 Drittel ihrer Gäste aus Berlin kommt. Das Problem der Lärmbelästigung kann also nicht nur auf Besucher*innen der Stadt abgewälzt werden. Zudem setzt auch das aktuelle Berliner Tourismuskonzept auf Stadtverträglichkeit und schließt damit die Clubtourist*innen mit ein. Nicht zuletzt ist unsere Partnerin, die Berliner Clubcommission, in diesem Bereich sehr aktiv und zielt mit verschiedenen Projekten darauf ab, Konflikte zwischen Nachbarschaft und Clubs zu lösen und der Verdrängung des Nachtlebens entgegen zu wirken.

Der Fokus von Clubtopia liegt stärker auf der ökologischen Nachhaltigkeit und damit beispielsweise auf dem Verhalten der Clubgäste auf dem Weg vom und zum Club. Dieses kann durch gute und kreative Kommunikationsmaßnahmen positiv beeinflusst werden, so dass die Gäste auf dem Weg nicht lärmen und ihren Müll korrekt entsorgen. 

Inwieweit arbeitet ihr mit den staatlichen Behörden in Berlin zusammen? Erhaltet ihr seitens der Politik Unterstützung zur Umsetzung eurer Aktivitäten? Mit welchen weiteren Kooperationspartner*innen arbeitet ihr zusammen?

Konstanze: Clubtopia wird gefördert der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz und ist Bestandteil des Berliner Energie- und Klimaschutzprogramms (BEK). Träger des Projektes sind der BUND Berlin e.V. und der clubliebe e.V. und wir arbeiten eng mit der Clubcommission Berlin zusammen. Die Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, das Zentrum für Nachhaltigen Tourismus und die Livekomm unterstützen das Projekt ebenfalls.



Neugierig geworden? Hier geht es lang zur Website von Clubtopia.

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