Was kommt nach New Work? Diese Veränderungsprozesse hält die Future of Work für Organisationen bereit

Die Zukunft der Arbeit (Future of Work) ist aktuell in aller Munde und eine der bedeutendsten Veränderungsbewegungen der Zeit. Während vorherige Konzepte, wie New Work, sehr stark in Richtung Sinnstiftung ausgelegt werden, steht bei Future of Work der Paradigmenwechsel in der Beobachtung von Organisationen im Fokus. Organisationen können nicht länger ausschließlich als soziale Systeme betrachtet werden, sondern müssen als technosoziale Systeme gestaltet werden. Der Unterschied ist einfach und fundamental zugleich: Während soziale Systeme sich primär um die Sinnfrage drehen, ist in technosozialen Systemen die Symbiose aus Sinn und Zweck entscheidend.

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von Charlotte Clarke, 10. April 2024 um 07:43

Dies führt dazu, dass Organisationen sich zunehmend ihrer Identität bewusst sein müssen, um soziale Interaktionen mit technischen Anwendungen zu verbinden. Die Grundsatzthese lautet: Technologie ermöglicht es dem Menschen, wieder Mensch zu sein. Was dies hinsichtlich Sinn und Zweck bedeutet, wird in den nächsten Jahren herauszufinden sein. In der Studie »13 Trends für die Zukunft der Arbeit« ergeben sich wichtige Trends, um den organisationalen Paradigmenwechsel erfolgreich zu gestalten.

Die Explorer Networks repräsentieren beispielsweise ein Konzept der Zusammenarbeit, das auf der Verbindung von Lernen und Innovieren basiert. Diese Netzwerke, die branchen- und länderübergreifend agieren, nutzen die kollektive Intelligenz ihrer Mitglieder, um Wissen und Erfahrungen auszutauschen und Innovationszyklen mit z.B. fachlicher Weiterentwicklung zu kombinieren.

Generational Leadership stellt eine Antwort auf die Herausforderung dar, verschiedene Generationen innerhalb der Arbeitswelt zu integrieren und ihre jeweiligen Kompetenzen effektiv zu nutzen. Unterschiedliche individuelle Bedürfnisse entsprechend der aktuellen Lebenssituation müssen beachtet werden. Dies bedeutet: Führung wird Hauptjob und nicht Nebentätigkeit.

Die Human-to-Human-Experience hebt die Bedeutung echter menschlicher Erfahrung hervor. Nicht mehr ausschließlich die Kund:innen (Customer Experience), sondern alle Menschen innerhalb der Wertschöpfung müssen positive Erfahrungen in der Arbeitswelt erhalten. Die Qualität der menschlichen Beziehungen, die Fähigkeit zu Empathie und der direkte Austausch zwischen Individuen spielen hierbei eine entscheidende Rolle.

Ein Interview mit Prof. Dr. Stefan Tewes (Wissenschaftlicher Leiter des Zukunftsinstituts):

Ein neues Verständnis von »Arbeit«

Unser aktuelles Verständnis von Arbeit ist, wenngleich es sich für viele selbstverständlich anfühlt, historisch betrachtet noch relativ neu. Welche Rolle hatte Arbeit vor der Industrialisierung? Welche negativen gesellschaftlichen Auswirkungen hatten die dann folgende Gleichsetzung von »Arbeit« als »Erwerbsarbeit« und die damit einhergehende Entwertung anderer, unbezahlter Tätigkeitsformen?

Prof. Dr. Stefan Tewes: Vor der Industrialisierung war Arbeit nicht wie heute als Erwerbsarbeit definiert, sondern umfasste eine Vielzahl von Tätigkeiten, die direkt mit dem täglichen Überleben und der Bedarfsdeckung der Gemeinschaft verbunden waren. Diese Tätigkeiten waren eng mit dem Rhythmus der Natur verknüpft und fanden in einem familiären oder gemeinschaftlichen Rahmen statt, was zu einer engeren Einheit von Arbeit und Leben führte. Mit der Industrialisierung und der Entstehung von Fabriken änderte sich das Verständnis von Arbeit: Sie wurde zunehmend als Erwerbsarbeit außerhalb des Hauses definiert, was eine Gleichsetzung von Arbeit mit bezahlter Tätigkeit mit sich brachte.

Diese Entwicklung hatte tiefgreifende gesellschaftliche Auswirkungen, darunter die Entwertung unbezahlter Tätigkeiten wie Hausarbeit, Kindererziehung und Pflege von Angehörigen, die überwiegend von Frauen verrichtet wurden. Diese Tätigkeiten erhielten weniger Anerkennung und fanden kaum Berücksichtigung in wirtschaftlichen Überlegungen. Gleichzeitig führte die Trennung von Arbeit und Leben dazu, dass Arbeit für viele Menschen zu einer Erhöhung des Wohlstands und der Gesundheit führte.

Das Zukunftsinstitut postuliert, dass »Arbeit künftig die Summe aller Beschäftigungen zu unterschiedlichen Lebensphasen gilt«. Bedeutet dies, dass wir einen Wertewandel und eine Neubewertung von Tätigkeiten erleben, die nicht unmittelbar dem Einkommenserwerb dienen?

Tewes: Zumindest lässt sich erkennen, dass die Menschen Jobs suchen, die mehr Dimensionen umfassen als die reine Einkommensgenerierung. Dabei geht es um die Integration von Beruf und Berufung, um individuelle sinnhafte Tätigkeiten, persönliche Entwicklung und das Streben nach Glück im Arbeitsleben. Beispiele hierfür sind ehrenamtliche Arbeit, lebenslanges Lernen, Hobbies, die berufliche Fähigkeiten erweitern oder ergänzen, sowie Initiativen, die zur Nachhaltigkeit und zum gesellschaftlichen Wohl beitragen. Generell gilt es, seine eigene Zufriedenheit zu finden – welche natürlich aus mehreren Elementen besteht.

Auch Organisationen lernen, dass das Wohlbefinden der Mitarbeitenden nicht nur von der Arbeit selbst, sondern auch von einem breiteren Spektrum an Aktivitäten und Engagements abhängt, die das Leben bereichern. Die Verschiebung hin zu einem umfassenderen Verständnis von Arbeit, das verschiedene Lebensphasen und -interessen berücksichtigt, erfordert auch eine Neugestaltung von Arbeitsmodellen und -umgebungen. Als Trend haben wir hier den Happiness Approach identifiziert – welcher Wellbeing und Adaption an Lebensumstände inkludiert.

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Sinn und Zufriedenheit als Basis von Wertschöpfung

Darüber hinaus erleben wir auch auf Ebene der Erwerbsarbeit einen fundamentalen Bedeutungswandel hin zu einer sogenannten »Sinn-Ökonomie«. Was ist darunter zu verstehen?

Tewes: Zumindest in Nischen ist der Wandel von Sinn statt Gewinn zu erkennen. Dies gilt natürlich nicht für alle Unternehmen, aber dennoch ist eine zunehmende Orientierung hin zu ökologischen und sozialen Parametern zu erkennen. Letztendlich wird jedoch nicht Gewinn oder Sinn erfolgreich sein, sondern die Symbiose aus wirtschaftlichem Wachstum basierend auf verantwortlichen Wertangeboten. Wir haben dies als Eco Proposition definiert. Heißt: Die Herausforderungen unserer Zeit sind durch technologische Sprünge zu bewältigen, welche heimische Unternehmen dann als Angebot in die Welt tragen. Eine reine politische Regulierung kann aufgrund fehlender weltweiter Durchdringung nicht der Schlüssel sein. Vielmehr sollte die Politik sich wieder auf die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen konzentrieren.

Angesichts des Fachkräftemangels, der in vielen Branchen für Unternehmen eine große Herausforderung darstellt, beobachten wir aktuell eine Situation, in der die Arbeitnehmenden große Verhandlungsmacht besitzen und Forderungen stellen können, wie z.B. nach flexiblen Arbeitsbedingungen. Ist diese Arbeitsmarktsituation eine Ursache der Sinn-Ökonomie? Oder sind es voneinander unabhängige Entwicklungen, die zufällig sehr gut ineinander greifen und einander verstärken?

Tewes: Den Fachkräftemangel direkt mit der Sinn-Ökonomie zu koppeln, ist gewagt. Mit Sicherheit existieren vielfältige Gründe, die nicht-linear oder kausal miteinander verbunden sind. Aktuell sehen wir auch in manchen Branchen eine Umkehr von der Verhandlungsmacht der Mitarbeitenden – wie z.B. im IT-Bereich. Dort, wo weniger Menschen operativ benötigt werden, wird auch die Verhandlungsmacht geringer. Zudem ist die zunehmende internationale Ausrichtung von Unternehmen ein Indikator dafür, dass die doch sehr stark ausgeprägte Sicherheitsdenke im deutschen Raum eher als unattraktiver Standortnachteil gewertet wird. In dieser dynamischen Zeit können starre Regeln nunmal keine Antwort geben.

Dennoch ist festzuhalten, dass die Mitarbeitenden auf ein Gesamtpaket achten. Vor allem Hochqualifizierte haben hier weiterhin eine starke Position: Diese ermöglicht es Arbeitnehmenden, Forderungen zu stellen, die über das traditionelle Gehaltspaket hinausgehen, wie zum Beispiel nach flexiblen Arbeitsbedingungen, einer besseren Work-Life-Balance und auch sinnhaften Tätigkeiten. Arbeitnehmende suchen zunehmend nach Positionen, in denen sie ihre persönlichen und beruflichen Werte verwirklicht sehen und einen positiven Beitrag leisten können. Diese Präferenzen spiegeln die grundlegenden Prinzipien der Sinn-Ökonomie.

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Neue Anforderungen an Employer Branding und Leadership

Inwieweit verändern sich unter diesen Bedingungen die Anforderungen an das Employer Branding? Und was zeichnet Unternehmen aus, die nicht nur eine glänzende Fassade nach außen präsentieren, sondern die neue Arbeitswelt erfolgreich leben und in ihrer Organisationskultur verankern?

Tewes: Employer Branding ist häufig nur die benannte Hülle. Jedoch nehmen immer mehr Unternehmen die Veränderungen im Außen wahr und suchen adaptive Strategien, um mit diesen umzugehen. Unternehmen sollten Future of Work nicht nur nach außen kommunizieren, sondern die Prinzipien tief in ihrer Kultur verankern. Die Anforderungen haben sich verschoben: Authentizität, Flexibilität und Entwicklungsmöglichkeiten stehen im Vordergrund. Spannend ist es, wenn Unternehmen ihre Mitarbeitenden als Botschafter:innen gewinnen. Dies führt dann auch viral zu positiven Effekten. Wer in der heutigen Zeit glaubt, dass Marketing sich nur auf die eigenen Kanäle beschränkt, wird schnell die Grenzen des digitalen Zeitalters erreichen.

Bezüglich der Kultur ist die Abkehr vom Status Quo als feste Instanz zu nennen. Unternehmen müssen eine humanzentrierte Kultur aufbauen, die flexibel und adaptiv genug ist, um mit den Veränderungen Schritt halten zu können. Ansonsten stürzen Unternehmen von einem Change-Prozess in den nächsten. Ein Punkt muss allerdings bei allem Bemühen um Menschen mitgedacht werden: Unternehmen sind Orte, in denen Performance gefördert und gefordert werden sollte. Selbst die ethisch verantwortlichsten Unternehmen können nur überleben, wenn genügend Geld im System ist.

Prägend für die neue Arbeitswelt ist zudem eine zunehmende Auflösung von klassischen Hierarchien innerhalb des Unternehmens. Mitarbeitende erhalten größere Selbstständigkeit und werden in Entscheidungen stärker einbezogen. Auf der anderen Seite erfordert dies von den Mitarbeitenden Eigeninitiative und Verantwortungsübernahme. Was zeichnet einen zeitgemäßen Führungsstil aus, der unterschiedliche Bedarfe und Persönlichkeiten innerhalb des Teams in Einklang bringt?

Tewes: Vertrauen und Verantwortung. Nicht jede:r Mitarbeitende ist bereit, Verantwortung zu übernehmen. Hier sind klare Zielvorgaben nützlich. Insbesondere bei klaren Aufgabenbereichen, kundenzentrierten Outputs und ständiger Veränderung bedarf es allerdings einer individuellen Führung. Im Kern geht es darum, Empowerment und Vertrauen zu fördern, wodurch Mitarbeitenden mehr Selbstständigkeit und Verantwortung übertragen werden. Innerhalb der individuellen Förderung wird jede Person in ihren Stärken und Entwicklungspotenzialen unterstützt, was eine genaue Kenntnis ihrer Fähigkeiten und Ziele erfordert. Auch die Lebensumstände sollten integrativ mitgedacht werden. Zudem ist eine Kultur der Wertschätzung und Anerkennung unerlässlich, um Leistungen zu würdigen und ein positives Arbeitsklima zu fördern.

Ein moderner Führungsstil verlangt somit nach einer Balance zwischen der Gewährung von Freiheiten und der gezielten Unterstützung der Mitarbeitenden. Es ist jedoch keine Einbahnstraße: Ebenso sind die Mitarbeitenden in der Pflicht, im Sinne des Unternehmens zu handeln und Verantwortung zu übernehmen.

Wenngleich die Corona-Pandemie der Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen einen enormen Schub gegeben habt, ist auch ein gegenläufiger Trend erkennbar: Viele Menschen wünschen sich bewusst nicht-virtuelle Begegnungen mit Kolleg:innen und Präsenzzeiten im Office – jedoch angepasst an den individuellen Bedarf. Inwieweit verändert dies unsere Büroräume und Arbeitsorte? Welche Anforderungen stellt dies an einen Arbeitgeber?

Tewes: Die Pandemie hat die Arbeitsflexibilisierung beschleunigt und zugleich das Bedürfnis nach persönlichem Austausch im Büro mit individueller Anpassung verstärkt. Dies führt zu hybriden Arbeitsmodellen, bei denen Büroräume zunehmend für Kollaboration genutzt und die Einzelarbeit flexibel gehandhabt wird. Eine angepasste Raumgestaltung und optimierte technologische Infrastruktur sind entscheidend, um sowohl im Büro als auch zu Hause effizient arbeiten zu können. Generell lässt sich festhalten, dass Extreme meistens nicht gut sind. Das heißt, nur Remote oder nur Büroarbeit sind keine adäquaten Konzepte der Zukunft. Menschen sind nunmal soziale Wesen und eine Zusammenkunft ist weiterhin relevant. Oder könnten Sie sich vorstellen, eine rein virtuelle Ehe zu führen?

Über Prof. Dr. Stefan Tewes

Stefan Tewes ist Professor und Entrepreneur für Future Management. Er ist Gesellschafter und Wissenschaftlicher Direktor des Zukunftsinstituts. Fokus seiner Tätigkeit ist die systemische Untersuchung von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungstendenzen, um Organisationen zukunftsfähig auszurichten. Zudem ist er Professor für digitale Transformation und Innovation an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management.

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