Dieser Gastartikel wurde verfasst von Mark Appoh, Kommunikationsexperte bei Expedition Grundeinkommen.
Sechs Orte in Deutschland haben es schon geschafft: In Esgrus, Bentzin, Wustrow, Schwerin, Halle und Hagen haben sich mehr als 1 % der Bevölkerung auf unserer Website für die Teilnahme am bundesweiten Modellversuch ausgesprochen. Das feiern wir – und sind gespannt, welche Städte und Gemeinden in Deutschland als nächste dafür plädieren, Grundeinkommen vor Ort zu testen. Noch bis Ende März läuft die Qualifizierungsphase.
»Insgesamt ergibt die Gesamtheit aller teilnehmenden Städte und Gemeinden ein weltweit einzigartiges Forschungslabor, um die Debatte ums Grundeinkommen voranzutreiben.«
Was in diesen Orten passiert, ist Teil unserer bundesweiten Kampagne »Bring das Grundeinkommen an den Staat!« Am Ende soll ein staatlich finanzierter, u.a. vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) wissenschaftlich begleiteter Modellversuch zum Grundeinkommen stehen – mit bis zu 10.000 Teilnehmenden ab spätestens 2023. Das Besondere daran: Dieser Modellversuch wird auf demokratischem Weg aus der Bevölkerung heraus initiiert und von den teilnehmenden Städten und Gemeinden finanziert.
Das ist der Weg zum Ziel
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seit Ende Februar können sich alle Bürger*innen in Deutschland auf der Website der Expedition Grundeinkommen für die Teilnahme ihrer Stadt oder Gemeinde an dem Modellversuch aussprechen – mit nur wenigen Klicks
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überall, wo bis Ende März mindestens 1% der Bevölkerung die Teilnahme am Modellversuch befürwortet, initiiert die Expedition mit Aktiven vor Ort Bürgerentscheide, um dies zu ermöglichen. Sofern die lokale Politik von sich aus aktiv wird, erübrigt sich der Bürgerentscheid.
- In allen Städten und Gemeinden, in denen die Bürgerentscheide erfolgreich waren, erhält ein Teil der Bevölkerung ab spätestens 2023 für drei Jahre ein Grundeinkommen. Gleichzeitig wird es eine Vergleichsgruppe geben, die keine Zahlungen erhält.
Grundeinkommen als Jahrhundertreform
Das bedingungslose Grundeinkommen wird seit Jahrzehnten diskutiert, wobei die Debatte in den letzten Jahren an Fahrt gewinnt. Fast jede*r hat eine Meinung zu der Idee, allen Menschen bedingungslos das Existenzminimum abzusichern. Oft bleiben die Argumente aber noch sehr an der Oberfläche: Hoffnung steht gegen Ablehnung. Von Glaubenssätzen wie »Mit einem Grundeinkommen werden alle Menschen faul« bis hin zu »Das Grundeinkommen löst alle sozialen Probleme auf einen Schlag« ist alles dabei.
Wir Expeditionsteilnehmer*innen wollen uns damit nicht zufriedengeben. Aus internationalen Versuchen wissen wir, dass die Menschen mit einem Grundeinkommen freier, selbstbestimmter, gleichberechtigter, gesünder und produktiver wären. Daher investieren wir in eine Idee, die es allen Menschen ermöglichen könnte, sich frei von Zwang und mit dem nötigen Vertrauen durch die Gesellschaft zu entfalten und die aktuelle Diskriminierungen und Benachteiligungen auffangen kann. Das bedingungslose Grundeinkommen könnte die Reform sein, die unsere Gesellschaft fit fürs 21. Jahrhundert macht – für digitale Zeiten, mit einer rasanten Transformation unseres Arbeitsverständnisses, mit neuen Lebensmodellen und Lebensentwürfen.
Gleichzeitig bleiben wir neugierig und stellen viele Fragen zum Grundeinkommen: Wie lässt es sich am sinnvollsten finanzieren? Was macht es mit den Menschen? Welche unerwarteten Effekte stellen sich ein? Wir glauben, dass sich diese Fragen am besten beantworten lassen, indem wir es ausprobieren.
Ein groß angelegter wissenschaftlicher Modellversuch hat politisches Gewicht – je vielfältiger, desto besser. Auf diese Weise sammeln wir Fakten und Erfahrungen, um das Grundeinkommen endlich politisch entscheidbar zu machen.
Wenn wir es nicht ausprobieren, verpassen wir eine Riesenchance
Weltweit wurde bereits einiges an Vorarbeit für das Grundeinkommen geleistet:
- schon in den 1970er Jahren wurde das Grundeinkommen in den USA getestet; erst kürzlich wurde ein Modellversuch in der kalifornischen Stadt Stockton erfolgreich abgeschlossen.
- viel Aufmerksamkeit hat auch das finnische Modellprojekt ab 2017 erfahren, das allerdings vom Staat ausging und aus verschiedenen Gründen weniger aussagekräftig war als erhofft.
- in Kenia startete die US-amerikanische Organisation Give Directly Ende 2016 ein Grundeinkommensprojekt, das auf 10 bis 12 Jahre angelegt ist, aber bereits erste spannende Ergebnisse geliefert hat.
- und dann sind da die Pioniere des Pilotprojekts Grundeinkommen, die das Grundeinkommen ab 2021 erstmals in Deutschland wissenschaftlich erforschen werden.
Warum dann trotzdem unsere bundesweite Kampagne? Ganz einfach: Wir glauben, dass auch der demokratische Weg zum Grundeinkommen zählt. Anders als alle bisherigen Initiativen wählen wir deshalb einen direktdemokratischen Ansatz – über die Menschen in Deutschlands Städten und Gemeinden. All die Menschen, die sich fürs Grundeinkommen begeistern, interessieren oder darüber streiten, wollen wir mit auf die Expedition Grundeinkommen nehmen. Über den Online-Aufruf hinaus werden sich in den Städten und Gemeinden lokale Teams aus Freiwilligen bilden, die die Bürgerbegehren bzw. -entscheide vor Ort selbstbestimmt organisieren. In ko-kreativen Bürgerbeteiligungsverfahren sollen die Bürger*innen in Deutschland außerdem konkret an der Ausgestaltung des Modellversuchs mitarbeiten.
Dieser Weg in dieser Größenordnung ist bisher weltweit einzigartig und hat nach unserer Auffassung den entscheidenden Vorteil, dass die so wichtige Debatte ums Grundeinkommen aus der Bevölkerung heraus neuen Schwung erhält. Im Superwahljahr 2021 erscheint uns das besonders wichtig. Wir finden: Die Menschen in Deutschland sollen selbst entscheiden, ob ihre Stadt oder Gemeinde an dem Modellversuch teilnehmen wird.
Und das Beste daran: Du als politisch interessierter Mensch kannst ein Teil davon werden – und das ab sofort über die Homepage von Expedition Grundeinkommen.
Über Mark Appoh
Mark Appoh ist 35, Kommunikationsberater und lebt in Frankfurt. Er setzt sich seit Jahren für ein bedingungsloses Grundeinkommen ein und ist Teil des Presseteams der Expedition Grundeinkommen.