Social Startup neunmalklug verlag: »Für mich ist C2C die nachhaltigste Art, Dinge zu produzieren«

Es gibt noch viele gute Ideen im Bereich Nachhaltigkeit, die bisher von keinem Unternehmen umgesetzt werden, oder die erst noch gefunden werden wollen. Das eigene Start-Up gründen bietet die Möglichkeit soziales Unternehmertum mit einer innovativen Geschäftsidee zu kombinieren. Charlotte Stiefel hat den Schritt gewagt und gestaltet in ihrem neunmalklug verlag Kinderbücher, die nachhaltig nach dem Cradle to Cradle-Prinzip produziert werden. Dabei werden alle verwendeten Rohstoffe nach dem Ableben der Produkte nicht nur recycelt, sondern fließen vollständig wieder in die Herstellung neuer Artikel.
von Regina Rohland, 12. Januar 2016 um 09:33

Foto: © Charlotte Stiefel

Wie kamst Du dazu mit dem neunmalklug verlag, eigenständig ein Social-Start-Up zu gründen?

Charlotte Stiefel: Seit einigen Jahren beschäftige ich mit viel mit der Herstellungsweise, den Inhaltsstoffen und auch der Herkunft bzw. den Transportwegen verschiedenster Konsumgüter und suche ständig nach ökologisch-sozialen Alternativen. Dabei bin ich immer wieder auf das Cradle to Cradle-Verfahren gestoßen.

Da ich aus der Buchbranche komme und zu dieser Zeit meine Nichte gerade ein paar Monate alt war, suchte ich nach fairen und umweltfreundlich produzierten Bilderbüchern, konnte aber keinen Verlag finden, der all meine Ansprüche erfüllte. Durch Zufall lernte ich den Geschäftsführer einer Druckerei kennen, der Bilderbücher nach dem Cradle to Cradle-Konzept druckt. Er war auf der Suche nach interessierten Kinderbuchverlagen und ich nach c2c-Büchern. So beschloss ich einfach selbst einen Verlag zu gründen und gemeinsam entwickelten wir die weltweit ersten Cradle to Cradle-zertifizierten Pappbilderbücher.

Was ist das Besondere an Deinem Unternehmen und worin unterscheidet sich Dein Verlag von anderen die Kinderbücher herausbringen?

Charlotte: Wir lassen alle unserer Bücher nach dem Cradle to Cradle-Prinzip drucken und arbeiten im Verlag so nachhaltig wie möglich. Hierunter verstehen wir den achtsamen Umgang mit Mensch und Natur, die Versorgung mit Ökostrom und die Kontoführung bei einer sozial-ökologischen Bank.

Zudem ist mir wichtig, dass die Bücher durch satte Farben und tolle Illustrationen auffallen, im Gegensatz zu einigen grauen "Öko-Reihen" anderer Verlage.

Wieso gerade die Produktion nach dem Cradle to Cradle-Prinzip, das vielleicht vielen Kunden erst einmal unbekannt ist? Haben sich auch andere nachhaltige Verfahren zur Herstellung angeboten?

Charlotte: Für mich ist c2c die nachhaltigste Art Dinge zu produzieren, da von Anfang an auf Schadstoffe verzichtet wird und sich die Produkte wieder komplett in Kreisläufe zurückführen lassen. Im Gegensatz dazu wird häufig erst am Ende des Produktlebenszyklus über ein geeignetes Recycling nachgedacht. Dabei kommt es dann beispielsweise zu Skandalen wie den Funden von Mineralölrückständen in Lebensmittelverpackungen. Das ist übrigens auch der Grund, warum wir auf den Einsatz von Altpapier zur Produktion unserer Bücher verzichten, obwohl Recyclingpapier als nachhaltiger gilt.

Wieviel Zeit nimmt die Arbeit für den Verlag in Anspruch und wie sieht Dein üblicher Arbeitstag aus?

Charlotte: Das ist ziemlich unterschiedlich. Mit kleinem Kind ist mein Arbeitstag seit einigen Monaten ziemlich chaotisch geworden. Ich bin zwar fast immer erreichbar und versuche mit meinem Team über mein Smartphone zu kommunizieren. Aber effektiv zum arbeiten komme ich dann meistens erst Abends bis spät in die Nacht.

Hat Dich von Anfang an ein Team begleitet oder hast Du die Idee alleine angepackt?

Charlotte: Kaum war die Idee ausgesprochen und im Internet publiziert, hatte ich nach kurzer Zeit ein kleines Team von drei Personen zusammen. Gegründet habe ich aber doch erst einmal als Einzelunternehmerin. Inzwischen hat sich das Team neu gemischt und mit weiteren Mitarbeiterinnen kamen neue Ideen dazu.

Was waren die ersten konkreten Schritte auf dem Weg zum eigenen Kinderbuchverlag als Social Start-Up? Wo konntest Du dir in der Anfangsphase Unterstützung und Rat holen?

Charlotte: Ich hatte das Glück in das Förderprogramm "Andersgründer" in Frankfurt a. M. aufgenommen zu werden. Dort bekam ich das nötige Wissen und Netzwerk um ein Start-Up zu gründen.

Wie steht es mit der Finanzierung für ein nachhaltiges Start-Up? Und welche Erfahrungen hast Du mit Crowdfunding gemacht?

Charlotte: Der eigentliche Weg zur Finanzierung ist wohl der Weg zu Bank, Geld von Stiftungen zu bekommen oder Start-Up-Wettbewerbe gewinnen. Bei den Wettbewerben hatte ich kein Glück, Stiftungen sind als nicht-gemeinnütziges Unternehmen eher schwierig und ein Kredit kam für mich nie in Frage. So habe ich einen Bausparvertrag dafür geopfert. Den zweiten Titel und einen Teil der Pappbilderbuchreihe haben wir mit Crowdfunding finanziert. Das ist eine sehr feine, wenn auch anstrengende Sache. Neben der eigentlichen Finanzierung spielt hierbei der Marketing-Effekt eine ganz große Rolle. Es wird nur immer schwerer sich bei den unzähligen Projekten herauszuheben.

Für die meisten ist Unternehmensgründung Neuland. Du hast Buchhändlerin gelernt und anschließend Mediapublishing studiert. Welche Kenntnisse hattest Du von Unternehmensführung? Hattest Du eine Vorstellung davon, was alles auf Dich zu kommt?

Charlotte: Wenn ich bis zum Ende des Studiums eines wusste, dann, dass ich niemals Selbstständig sein möchte. Daher haben mich Themen wie Unternehmensführung im Studium auch nicht interessiert.

Die Informationen dazu habe ich mir dann aus ein paar wenigen Büchern, dem Internet und vor allem bei den Andersgründer besorgt. Der Rest ist ein bisschen "try and error". ;-)

Was waren für Dich die größten Herausforderungen und Stolpersteine bei dem Aufbau des Social Start-Ups? Welche Hilfe hättest Du dir gewünscht?

Charlotte: Die Bürokratie, Versicherungen abwägen und abschließen, Buchhaltung, Rechtliches…

Gewünscht hätte ich mir einen Mentor, der mich durch diesen ganzen Dschungel geführt hätte (und teilweise immer noch immer führt) und einem auf meinen Verlag bezogen sagt, was sinnvoll ist, was ich mir sparen kann und wie ich das jetzt genau machen muss.

Der neunmalklug verlag besteht inzwischen seit über einem Jahr. Wie hat sich der Verlag bisher entwickelt , auch finanziell, und was ist die größte noch bestehende Schwierigkeit?

Charlotte: Es hat sich viel entwickelt und verändert. Begonnen haben wir mit Büchern für ab Kinder ab drei Jahren. Inzwischen ist es aber endlich möglich c2c-Pappbilderbücher zu produzieren, damit haben wir die eigentliche Zielgruppe erreicht. Unsere ersten zwei Papptitel sind im Weihnachtgeschäft sehr erfolgreich gestartet und ich hoffe, dass es so weitergeht. Leider sind die Gewinnmargen wirklich sehr klein bei Büchern, v.a. wenn mein keine riesen Auflagen drucken lassen kann. Die größte Schwierigkeit ist es Aufmerksamkeit bei den Unmengen an Bilderbüchern zu erregen. Hier setzen wir auf alternative Märkte, wie nachhaltige Onlineshops, Bioläden und Geschäfte für nachhaltige Kinderspielzeuge.

Trotz der vielen Mühe und der zeitweiligen finanziellen Engpässe, bist Du heute mit Deiner Entscheidung zufrieden?

Charlotte: Ich glaube ich habe in meinem Leben noch nie so viel gelernt und erlebt wie in dieser Zeit mit dem neunmalklug verlag. Auch wenn es natürlich Tage gibt, an denen ich alles hinwerfen möchte, war es doch eine gute Entscheidung. Das Gefühl, etwas anzupacken und zu zeigen, dass es auch anders geht, ist unbeschreiblich. Ich hoffe, dass ich mit dem Verlag nicht nur schöne Bilderbücher verkaufe, sondern auch meine Überzeugung von einem nachhaltigen Unternehmen und die Idee von c2c weiterbringe.

Hast Du einen Tipp für alle die ihr eigenes Start-Up planen?

Charlotte: Hört auf euren Bauch! Plant nicht zu viel, sondern probiert einfach aus.

Mehr über den neunmalklug verlag findet ihrhier.

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