Wie verbringst du dein Leben? In drei Schritten zu mehr Klarheit

Vierhunderteinundachtzigtausend und achthundert Stunden hat der durchschnittliche 25-Jährige noch Zeit zu leben (bei einer Lebenserwartung von 80 Jahren). Es ist der Zeitpunkt, an dem viele junge Menschen gerade ihre Ausbildung oder ihr Studium abgeschlossen haben und vor der Entscheidung stehen, was sie mit dem Rest ihres Lebens tun möchten.
Foto: © Unsplash / pixabay
von Jessica Sangmeister, 4. April 2016 um 04:55

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Es bleiben aber in der Regel keine 481.800 Stunden, in denen man diese Dinge tun kann, sondern nur 240.900 Stunden. Denn 50% der Zeit verbringt man im Durchschnitt mit Schlafen, Essen, Waschen und sonstigen lebenserhaltenden Maßnahmen [1]. 

Wenn du 25 bist, bedeutet das, dass dir noch 2.867 Mal 84 Stunden Zeit jede Woche übrigbleiben. Wenn du 31 bist, sind das nur noch 2.755 Mal 84 Stunden jede Woche. Wenn wir der Statistik folgen, können wir uns also sehr einfach ausrechnen, wie viel Zeit wir noch übrig haben die Dinge zu tun, die uns Freude bereiten.

Der Durchschnittsdeutsche verbringt von den 84 Stunden 28 Stunden jede Woche mit Fernsehen und 40 Stunden mit Arbeiten. Beim Fernsehen haben wir in der Regel keinen bestimmten Gemütszustand, beim Arbeiten liegt die Chance, zu den Unzufriedenen zu gehören bei 90% [2].

Zum Glück sind wir nicht alle der Durchschnitt.

Ich bin 31. Ich habe keinen Fernseher und arbeite zwar mehr als 40 Stunden, dafür ist meine Arbeitszeit Zeit, die ich nach meinen Wünschen gestalten kann und die mir meistens Freude bereitet. In einer Utopie habe ich noch 2.755 Mal 84 Stunden Freude im Leben.

In der Realität sieht das natürlich etwas anders aus. Aber wie denn eigentlich?

Weißt du, wie du deine 84 Stunden verbringst und ob du den Großteil dieser Zeit mit Dingen verbringst, die dir Freude bereiten? Da unsere Arbeit ein Teil dieser 84 Stunden ist und in der Regel mindestens die Hälfte dieser 84 Stunden einnimmt, ist sie einer der wichtigsten Faktoren. Bevor du jetzt anfängst Zettel und Stift in die Hand zu nehmen und die Stunden zu addieren, die du arbeitest - stopp!

Um eine tatsächliche Einschätzung vornehmen zu können, müssen wir uns die tatsächliche Zeiteinteilung etwas genauer angucken. Nehmen wir nicht mich als Beispiel, sondern Julia.

Julia

Julia ist Qualitätsmanagerin mit einer 100% Stelle in Hamburg. Sie ist 31 Jahre alt und fragt sich gerade, warum sie überhaupt arbeitet, ob sie das tut, was ihr wichtig ist, oder ob sie doch lieber etwas Anderes tun sollte, fragt sich dann aber, wie sie das denn ohne ihren Job finanzieren soll. Julia wohnt mitten in Hamburg und braucht täglich 30 Minuten mit der Bahn zur Arbeit. Bevor sie angefangen hat zu arbeiten, musste sie sich eine neue Garderobe kaufen. Kostüme, Blusen, schicke Schuhe. Da Julia erst spät nach Hause kommt, bringt sie ihre Kleidung zur Reinigung. Meist ist sie nach der Arbeit so kaputt, dass sie sich erstmal 30 Minuten hinlegt. Dann hat sie Hunger, aber keine Lust zu kochen und bestellt etwas zu essen oder geht kurz vor die Tür. Eigentlich würde sich Julia gerne verabreden und noch ein Bier mit Freunden trinken gehen. Sie ist aber meistens zu müde und kennt kaum Leute in Hamburg. Also sitzt sie abends oft alleine zu Hause und guckt Fernsehen. Julia liebt Klettern. In München fuhr sie am Wochenende gerne zum Klettern in die Berge, aber die gibt’s in Hamburg nicht. Um sich trotzdem etwas Gutes zu tun, gönnt sich Julia samstags häufig einen kleinen Shoppingausflug und kauft sich ein paar neue Klamotten.

Julia verdient 42.000 Euro netto im Jahr, also 3.500 Euro im Monat und hat einen Stundennettolohn von ca. 21,50 Euro. Auf Grund ihrer Arbeit hat Julia weitere Kosten, die mit dieser in Verbindung stehen. Ihre Shoppingausflüge, die Reinigung ihrer Kleidung, das teure Essen in Restaurants, das Bahnticket. Monatlich gibt sie dafür 800 Euro aus. Bei einem Stundenlohn von 21,50 Euro muss sie monatlich 40 Stunden arbeiten, nur um die Kosten zu decken, die durch ihre Arbeit überhaupt erst entstehen. Das sind 40 Stunden ihrer kostbaren Lebenszeit, die sie nur arbeitet, um Dinge zu bezahlen, die sie macht und braucht, um zu arbeiten. Dazu kommt, dass Julia täglich eine Stunde ihrer Zeit damit verbringt, zur Arbeit hin und zurückzufahren um dann eine halbe Stunde auf der Couch zu liegen, weil sie von der Arbeit so müde ist. Das sind 1,5 Stunden am Tag und 30 Stunden im Monat. 

Macht also insgesamt 70 Stunden monatlich, oder 17,5 Stunden wöchentlich, die Julia aufbringen muss, nur damit sie arbeiten kann. Das sind 17,5 Stunden kostbare Lebenszeit jede Woche. Addiert sie das zu den 40 Stunden, die sie jede Woche arbeitet, sind das 57,5 Stunden. Die Zeit, die Julia gelangweilt Fernsehen guckt, weil sie in Hamburg keine Freunde hat, noch nicht mit eingerechnet. Sie hat aber nur 84 Stunden. Bleiben ihr also 26,5 Stunden.

Drei Dinge kann Julia daraus erkennen:

  1. Sie hat nur noch 26,5 Stunden Lebenszeit jede Woche, die sie nutzen kann um Dinge zu tun, die sie wirklich gern tut.
  2. Die mit der Arbeit verbundenen Kosten betragen bei ihrem jetzigen Stundenlohn ca. 1.500 Euro im Monat (70 Stunden x 21,50 Euro).
  3. Hätte Julia einen Job, bei dem sie auf die zusätzlichen Kosten verzichten könnte, könnte sie einen Job annehmen, bei dem sie lediglich 2.000 Euro Netto pro Monat verdient. Entweder, weil sie einen Job macht, der schlechter bezahlt ist, ihr dafür aber Spaß macht oder aber, weil sie nur noch 60 statt 100% arbeitet.

Um zu ähnlichen Erkenntnissen wie Julia zu gelangen, folge einfach folgenden drei Schritten.

Schritt 1: Wie verbringst du idealerweise deine 84 Stunden in der Woche?

Erstmal ist es hilfreich zu sehen, womit du eigentlich gerne deine Zeit verbringst. Nur dann kannst du überhaupt beurteilen, ob es den Einsatz wert ist.

Wenn du dir deine Woche frei gestalten könntest und nicht darüber nachdenken müsstest, wo dein Geld herkommt, wie würdest du diese Zeit verbringen? Würdest du vier Stunden jede Woche tanzen, acht Stunden lang ein Buch schreiben, fünf Stunden Kaffee trinken, zwei Stunden ehrenamtlich arbeiten? Mach eine Liste und schreib alles auf! Danach verteilst du deine 84 Stunden auf die einzelnen Aktivitäten.

Schritt 2: Reality Check: Wie verbringst du wirklich deine 84 Stunden?

Fertige deine eigene Zeit-Kosten Aufstellung an! Dazu schreibst du in einer Tabelle Folgendes auf:

Spalte 1: Eine Auflistung aller Ausgaben. Sowohl finanzielle Ausgaben, als auch zeitbezogene.

  • Die finanziellen Ausgaben werden in Euro aufgeschrieben. Wenn du wie Julia, lediglich eine Aussage über deine Arbeit treffen möchtest, dann schreib nur die arbeitsbezogenen finanziellen Ausgaben auf (Kosten für Weiterbildungen, Outfits, teures Essen, Reinigung, Bahnticket,…). Bei Julia waren das die Kosten für ihre Kostüme, für die Reinigung, fürs Shopping, fürs teure Essen und für ihr Bahnticket. Wenn du dir dein gesamtes Leben angucken möchtest, dann schreib dir auch deine sonstigen finanziellen Ausgaben in Euro auf (Miete, Einkauf, Auto, Spaß, Hobbys...).
  • Die zeitbezogenen Kosten werden in Stunden aufgeschrieben. Wenn du lediglich eine Aussage über deine Arbeit treffen möchtest, dann schreib auch hier nur die arbeitsbezogenen zeitlichen Ausgaben auf (Zeit für Weiterbildungen, Zeit für Anfahrt, Zeit, um dich zu erholen, Zeit die du dich ärgerst, Telefonate…). Bei Julia war das die Zeit für die Fahrt zur Arbeit, die Zeit die sie auf der Couch verbringt, weil sie müde ist. Wenn du dir dein gesamtes Leben angucken möchtest, dann schreib dir auch deine sonstigen zeitlichen Ausgaben (Hobbys, Erledigungen, Kochen...) in Stunden auf.

Spalte 2: Rechne alle finanziellen Ausgaben, basierend auf deinem Stundenlohn, in Zeit um. Bezogen auf ihre Arbeit waren das bei Julia 57,5 Stunden jede Woche.

Spalte 3: Rechne alle mit der Arbeit verbundenen zeitlichen Ausgaben, basierend auf deinem Stundenlohn, in Euro um. Bezogen auf ihre Arbeit waren das bei Julia 1.500 Euro jeden Monat.

Spalte 4: Bewerte die einzelnen Ausgaben mit einem Pfeil, der entweder nach oben, nach unten oder in eine Waagerechte zeigt. Je nachdem, ob du mehr, weniger oder weiterhin gleich viel Zeit dafür aufbringen möchtest.

Schritt 3: Schlussfolgerung: Welche Erkenntnisse kannst du daraus gewinnen?

Vergleiche deine Tabelle aus Schritt 2 mit deiner Auflistung aus Schritt 1 und fange an zu analysieren und zu vergleichen. Folgende Fragen können dir dabei helfen:

  1. Wie viel Zeit verbringst du schon mit den Dingen, die dich glücklich machen? (Addiere alle zeitlichen Ausgaben, die du positiv bewertest.)
  2. Wie viel Zeit verbringst du schon mit den Dingen, die dich unglücklich machen? (Addiere alle zeitlichen Ausgaben, die du negativ bewertest. Wenn du eine Entscheidung über deine Arbeit treffen möchtest, addiere alle zeitlichen Ausgaben, die mit der Arbeit in Verbindung stehen.)
  3. Wie kannst du mehr von den Dingen tun, die dich glücklich machen?
  4. Wie kannst du die Dinge reduzieren, die Dich unglücklich machen?
  5. Welche konkreten nächsten Schritte kannst du gehen, um deiner idealen Woche etwas näher zu kommen?
  6. Klar hat man im Leben bestimmte Verpflichtungen, denen man nachkommen muss. Ich schlage nicht vor die Realität auszublenden, um zu tun und zu lassen worauf du gerade Lust hast.
  7. Die Frage ist jedoch, was du konkret heute tun kannst, um dein Leben so zu gestalten, dass du deinen idealen 84 Stunden näherkommst.

Und wie du das Schritt für Schritt tun kannst, das erfährst du in meinem nächsten Artikel.

[1] https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisc...

[2] http://www.handelsblatt.com/unternehmen/management...

___

Über die Autorin:

Als Coach und Trainerin hilft Jessica Sangmeister Menschen auf dem Weg zu ihrem guten Leben. Sie arbeitet an der Schnittstelle von persönlicher und nachhaltiger Entwicklung und untersucht in einem Forschungsprojekt den Zusammenhang vom guten Leben und nachhaltiger Entwicklung. Weitere Infos findest du auf ihrer Website: youchangeyou.net

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