Mit eurem Geschäftsmodell wollt ihr einen Beitrag dazu leisten, dass Konsument*innen bessere Kaufentscheidungen im Sinne der Nachhaltigkeit treffen können. Warum ist es momentan noch so schwierig, den Impact (z.B. die CO2-Emissionen) meiner Käufe zu ermitteln?
David Lais & Ulrich Pietsch: Fehlende Daten! Unser Einfluss auf die Umwelt war nie ein breites gesellschaftliches Thema. Der individuelle Umwelteinfluss spielte bis vor wenigen Jahren für die breite Masse noch gar keine Rolle, warum sollte ich mich also als Unternehmen mit der Thematik beschäftigen? Das erste Mal haben sich Verbraucher*innen mit dem Thema Nachhaltigkeit beim Thema Ernährung beschäftigt. Dies war zu einer Zeit, als Bio-Lebensmittel allmählich zum Trend wurden. Aber selbst da war die Motivation der meisten Konsument*innen die eigene Gesundheit und nicht der eigene Umwelteinfluss.
Was uns also fehlt, sind Daten auf allen Ebenen. Im Laufe der letzten Jahrzehnte sind viele Studien zu diesem Thema erschienen, aber die wenigsten nehmen den Blickwinkel der Konsument*innen ein. Wir kennen den CO2-Verbrauch der Industrien seit Jahren, aber für Verbraucher*innen ist diese Zahl nach wie vor viel zu abstrakt. Selbst wenn ich mir als Verbraucher*in bewusst bin, dass pro Jahr fast 27 Millionen Tonnen CO2 durch Fleischverzehr verursacht wurden (Bezugsjahr 2016), weiß ich noch lange nicht, wie viel ich mit meinem gerade gekauften Steak dazu beitrage. Es gibt mittlerweile zahlreiche Studien, die das untersucht haben, aber nur weil der Fleischkonsum eine so große Rolle spielt, heißt das leider noch lange nicht, dass wir wissen, welchen Umwelteinfluss der Kauf z.B. von einem neuen Paar Schuhe ausmacht. Dazu kommt das Problem der intransparenten Lieferketten und der fehlenden Berichtspflicht von Unternehmen auf der Produktebene. Es fehlen einfach die Daten!
Magt ihr uns den Ansatz von ecolytiq kurz erläutern?
David & Ulrich: Sehr gerne! Unser Konsum, unsere Art zu Leben, Reisen, Essen – einfach alles hat einen direkten Einfluss auf die Umwelt. In unserer von Konsum getriebenen Gesellschaft hat in der Regel alles einen Preis und unser Konsum spiegelt sich auf unserem Konto wider. Genau dort setzten wir an: Wir errechnen den individuellen Fußabdruck von Konsument*innen auf Basis ihrer Kontotransaktionen und helfen ihnen so, ihren eigenen Umwelteinfluss besser zu verstehen. Unsere Technologie wird Konsument*innen nicht direkt verfügbar gemacht, sondern wir bieten unsere Software Banken und Finanzdienstleistern an. Diese können auf Basis der Konto- und Kreditkarteninformationen nachhaltige Finanzprodukte entwickeln und Konsument*innen auf diese Weise helfen, ihre Einkaufsgewohnheiten nachhaltiger zu gestalten.
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Warum genau habt ihr euch dafür entschieden, als Grundlage für die Analyse der »konsumierten« CO2-Emission die getätigten Zahlungstransaktionen (z.B. Kreditkartenzahlungen und Lastschriften) zu verwenden?
David & Ulrich: Das Thema Nachhaltigkeit ist unglaublich komplex und wir brauchen Lösungen, die skalieren und das Interesse der Allgemeinheit wecken. Der Wille, etwas zu verändern, ist bei vielen Verbraucher*innen angekommen. Aber wo anfangen? Hat mein neuer Verzicht auf Fleisch überhaupt einen großen Einfluss – so viel habe ich ja jetzt auch nicht gegessen – oder kann ich durch den Wechsel meines Stromanbieters noch mehr erreichen? Wie groß ist die Wirkung der öffentlichen Verkehrsmittel auf mein Reiseverhalten? Was passiert, wenn ich alles zusammen addiere? Der Versuch, diese Dinge manuell zu berechnen, ist einfach nicht praktikabel, aber dein Konto kennt deine Gewohnheiten und damit auch deinen Umwelteinfluss, widergespiegelt in Form von Kreditkartenzahlungen, Lastschriften und Überweisungen.
Welchen Vorteil haben die Finanzinstitute davon, eure Technologie zu verwenden und für ihre Kund*innen verfügbar zu machen?
David & Ulrich: Nachhaltigkeit ist ein gesellschaftliches Thema. Finanzinstitute und Banken haben das gleiche Problem wie Verbraucher*innen: Was ist nachhaltig? Woher bekomme ich die Informationen und Daten? In der Finanzwelt bedeutet Nachhaltigkeit vor allem Wandel in den Investitionen. Der Klimawandel ist ein Problem, das nur gemeinschaftlich gelöst werden kann und Banken verfügen über einen unglaublichen Datenschatz. Wir helfen, diesen zu heben und eröffnen gleichzeitig einen Dialog zwischen Banken und deren Kund*innen. Die Bank hilft ihren Kund*innen, den eigenen Einfluss auf das Klima zu verstehen, während Kund*innen ihren Banken dabei helfen, in die für sie relevanten, nachhaltigen Finanzprodukte zu investieren. So werden Kund*innen zu aktiven Investor*innen und Umweltschützer*innen, während die Banken tun, was sie am besten können: Investieren.
Euer Ansatz setzt für eine genaue Analyse des individuellen Fußabdrucks ein weitgehend bargeldloses Kaufverhalten voraus. Befürwortet ihr eine bargeldlose Wirtschaft? Wie schätzt ihr die Risiken eines solchen Systems in Bezug auf Datenmissbrauch ein? Schließlich werden die Konsument*innen dadurch weitgehend transparent.
David & Ulrich: Mein Smartphone, meine sozialen Netzwerke, mein Internetprovider wissen viel mehr über mich als meine Bank. Wir Deutsche lieben aus irgendeinem Grund unser Bargeld und glauben, damit eine gewisse Anonymität zu behalten. Die traurige Wahrheit ist: Wir haben diese schon längst verloren und unser Bargeld wird unsere Privatsphäre nicht retten können. Wir sollten uns viel mehr als Gesellschaft für einen ethischen und moralischen Umgang mit Daten stark machen. Die Digitalisierung bringt ein exponentielles Datenwachstum mit sich, in einem Volumen, das jenseits unserer Vorstellungskraft liegt. Der Umgang mit Daten ist also das Entscheidende und dafür sollten wir uns alle mehr einsetzten.
Fun Fact: Bargeldloser Zahlungsverkehr ist nachhaltiger als Bargeld und außerdem schneller, effizienter und verfügt darüber hinaus über viele weitere Vorteile.
Die Angabe von CO2-Emission allein ist für die meisten Verbraucher*innen nur eine sehr abstrakte Zahl. Auf welchem Wege macht ihr diese Zahlen greifbarer? Welche zusätzlichen Anreize und Unterstützung gebt ihr den Konsument*innen für ein nachhaltigeres Kaufverhalten?
David & Ulrich: Wir machen Nachhaltigkeit erfahrbar. Der CO2-Wert sagt den Konsument*innen erst einmal wenig, das ist vollkommen richtig. Wir zeigen Menschen, was sie tun können, um ihren eigenen Umwelteinfluss zu reduzieren. Das erreichen wir durch das Verfügbarmachen von kuratieriertem Content für Bankkund*innen, beispielsweise in Form von leicht umsetzbaren Tipps für den Alltag, bzw. wir bieten Vergleichswerte, um die ausgewiesene Zahl besser zu verstehen. Ein Beispiel: »Ich muss x km mit dem Fahrrad fahren, um y essen zu können.« Darüber hinaus bieten wir auch immer die Möglichkeit zur Kompensation des persönlichen CO2-Fußabdrucks, zum Beispiel über zielgeführte, nachhaltige Investments bei der Bank oder durch das Pflanzen von Bäumen. Wobei letzteres zwar durchaus hilfreich sein kann, aber sicherlich nicht die ultimative Lösung ist.
Wie geht ihr mit den sog. »Rebound-Effekten« um? Zum Beispiel neigen viele Menschen ja dazu, CO2-Einsparungen an einer Stelle in anderen Bereichen wieder zunichte zu machen, weil sie sich dafür an einer anderen Stelle dafür »belohnen« (zum Beispiel sehr gewissenhaft Strom sparen, aber sich dafür eine Flugreise gönnen). Oder mehr konsumieren als sie benötigen, eben weil das Produkt ökologisch ist. Quasi nach dem Motto: »Wenn die Kleidung FairTrade ist, kann ich mir ja gleich mit einem guten Gefühl mehrere Teile davon bestellen!«
David & Ulrich: Der »Rebound-Effekt« tritt ja primär ein, weil wir ein »Gefühl« für unseren Umwelteinfluss haben. Wir schaffen konstante Transparenz, das heißt ich kann mein Gewissen nur bedingt mit dem Wechsel zu einem nachhaltigen Stromanbieter beruhigen, schließlich sehe ich jetzt genau welchen Einfluss der Wechsel hatte vs. den Flug, den ich eben gebucht habe. Damit kann ich mein eigenes Handeln besser reflektieren und so stellt sich schneller ein Lerneffekt ein, der gut für mich und für die Umwelt ist ;)
TEDx-Talk von David Lais, Co-Founder von ecolytiq
Welche Konsumbereiche sind für Privatmenschen die wirkungsvollsten Hebel, um den eigenen CO2-Ausstoß zu verringern?
David & Ulrich: Grundsätzlich kann man sagen, dass alleine das Bewusstsein darüber, dass jede Konsumentscheidung einen Einfluss auf meinen Fußabdruck hat, schon ein großer Hebel ist. Am einfachsten reduzieren kann jede*r, indem er*sie beispielsweise einen »echten« Ökostrom-Tarif bucht. Darüber hinaus kann man dort einsparen, wo das persönliche Verhalten eine große Rolle spielt. So kann die Reduktion der Raumtemperatur pro Grad Celsius in einer bis zu 10-prozentigen Einsparung bei den CO2-Emissionen durch die Heizung resultieren. Der Unterschied zwischen fleischbasierter und pflanzenbasierter Ernährung reduziert den Fußabdruck um bis zu 50 Prozent. Im Bereich Mobilität ist eine Veränderung oft schwierig, dennoch kann die Wahl einer Zugfahrt statt eines Inlandsflugs auch hier einen großen Hebel und eine Reduktion des Fußabdrucks um 90 Prozent für eine Reise darstellen.
Euer Konzept ist primär auf den ökologischen Impact von Konsumentscheidungen fokussiert. Inwieweit gibt es auch Ansätze oder Pläne, auch den sozialen Impact (z.B. Arbeitsbedingungen der Produktion) sichtbar zu machen? Lässt sich dieser überhaupt mit einfachen Kennzahlen ausdrücken?
David & Ulrich: Sehr gute Frage und ein super spannendes Thema. Dies ist leider ein Thema mit noch viel weniger Daten und Transparenz als im Bereich der CO2-Emissionen. Wir entwickeln bereits die nächsten Kennzahlen und suchen immer wieder Partner, die uns dabei helfen können, für mehr Transparenz auf allen Ebenen zu sorgen. Das nächste Thema für uns wird vermutlich Wasser.
Zudem fokussiert ihr euch klar auf die Verantwortung der Konsument*innen. Auch wenn diese natürlich eine ganz zentrale Rolle für einen gesellschaftlichen Wandel spielen, müssen sich Unternehmen und Regierungen ebenfalls aktiv ihrer Verantwortung stellen. Wie seht ihr die Wechselwirkungen zwischen diesen verschiedenen gesellschaftlichen Akteur*innen und wie viel können wir angesichts der ungleichen Macht- und Informationsverteilung in unserer Rolle als Verbraucher*innen tatsächlich bewirken?
David & Ulrich: Wie bereits erwähnt, leben wir in einer von Konsum getriebenen Welt, was gleichzeitig einen entscheidenden Vorteil bietet: Die Nachfrage regelt das Angebot. Dies ist für uns der größte und effektivste Hebel den wir haben, die Dinge wirklich zu verändern. Die Macht liegt komplett bei den Verbraucher*innen und die Wirtschaft wird folgen – das älteste Gesetz unserer »modernen Wirtschaft«. Natürlich muss die Politik die richtigen Rahmenbedingungen schaffen und die Unternehmen müssen das Thema proaktiv vorantreiben.
Leider scheint es, dass unsere Politik viel lieber der Wirtschaft folgt, als dass sie sich um gesellschaftliche Belange kümmert. Das Schöne ist: Wir mögen dadurch vielleicht als Bürger*innen etwas Macht verloren haben, nicht jedoch als Konsument*innen!
Was ist die Geschichte zur Gründung der ecolytiq? Welche Menschen stecken dahinter?
David & Ulrich: ecolytiq ist aus einer Überzeugung und aus einer Erkenntnis entstanden: Jeder Einkauf hat einen Einfluss auf die Umwelt und elektronische Zahlungstransaktionen können diesen sichtbar machen. Wir sind davon überzeugt, Daten sollten nicht für Profite, sondern für einen positiven Wandel eingesetzt werden.
Du möchtest mehr erfahren? Hier geht es zur Webseite von ecolytiq.
Über David Lais und Ulrich Pietsch
David Lais, der Gründer der Organisation für nachhaltigen Konsum (OfnK) und Mitgründer der ecolytiq, kommt aus dem Bereich des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und hat 2015 aufgrund eines privaten Ereignisses zum Thema Umweltschutz gefunden. Seitdem setzt er sich mit seinen Unternehmen aktiv mit dem Umweltschutz auseinander, finanziert soziale Innovationen und versucht, mit seinen Unternehmen seinen Beitrag darüber hinaus zu leisten.
Ulrich Pietsch ist Co-Founder von ecolytiq und hat in der Vergangenheit mehrere innovative Technologieunternehmen im SaaS-Bereich gegründet. Seine Schwerpunkte liegen in der Kundenzentrierung, der Entwicklung skalierbarer technischer Plattformen, der intelligenten Datenanalyse sowie der Steigerung der Kundenbindung für weltweit führende Großkonzerne. Mit der Firmengründung setzt Ulrich sein Wissen in der Technologieentwicklung für Nachhaltigkeitsthemen ein, da er überzeugt ist, dass nur durch den Einsatz von Innovation und intelligenter Technologie die Herausforderungen der Zukunft gelöst werden können. Er sagt: »Technologie ist der Game Changer, den wir dringend brauchen, um den Klimawandel auf breiter Basis anzugehen.«
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