Wir haben sie heute, die Möglichkeiten, von denen Generationen vor uns (und auch noch Menschen in vielen anderen Ländern) nur träumen konnten. Aus ihnen müssen wir wählen und immer wieder Entscheidungen treffen. Und gerade in der Arbeitswelt oder bei der Wahl einer Studienrichtung kann die Entscheidung schwerfallen. Denn damit entscheiden wir uns auch für ein Lebensmodell, in dem wir unsere Bedürfnisse gegeneinander abwägen müssen. Wer gerade anfängt einen Job mit Sinn zu suchen oder seinen Berufsweg planen möchte, stellt sich viele Fragen.
Für einen Job, der genau die eigenen Interessen anspricht und einen mit Sinn erfüllt, sind einige bereit weniger Lohn zu erhalten. Worauf muss man dann stattdessen verzichten? Für einen guten Studienplatz kann es sich lohnen, weiter wegziehen und das gewohnt Umfeld zu verlassen. Aber vermisst man dann nicht doch Freunde und Familie zu sehr? Man wünscht sich eine Auszeit von der Arbeitswelt zu nehmen, um sich neu zu orientieren. Aber das Risiko, die Lücke im Lebenslauf beim nächsten Vorstellungsgespräch erklären zu müssen, bereitet einem Bauchweh?
Manchmal, so mag es einem dann erscheinen, als stünde man mitten auf einem Feld im dichten Nebel, mit einem Kompass, der nicht nach Norden zeigt. Von allen Seiten hört man unterschiedliche Stimmen: Zurufe, Ratschläge, Meinungen und Warnungen. Und in manchen Richtungen erkennt man durch den grauen Schleier Licht. Aber welchen Weg soll man nun einschlagen?
Was das Köpfchen sagt: Angst vor der Entscheidung
Solche Umbruchsituationen im Leben nennt man reflexive Veränderungen. Um aus ihnen heraus eine Richtung einzuschlagen, hilft es nicht allein, das Für und Wieder abzuwägen. Gerade wenn es um die Jobsuche geht, wollen wir solche Entscheidungen oft mit dem Kopf treffen. Bis zu 6.000 Gedanken schwirren einem Menschen pro Tag durch den Kopf. Wie will man da den richtigen zu fassen kriegen? Außerdem werden wir beim Grübeln oft durch diffuse Ängste negativ beeinflusst und zurückgehalten. Dabei treten 92% unserer Ängste und Befürchtungen nie ein oder gehören bereits der Vergangenheit an.
Diese können sich auch hinter rationalen Überlegungen verbergen und sich aufdrängen wie, »Aber ich habe doch dieses oder jenes studiert und sollte das Wissen nutzen.«. Allerdings ist der Mensch auch nicht nur Verstand. Und gerade die großen Entscheidungen sollten auch zum Rest der Person passen. Also auch unseren Gefühlen und inneren Überzeugungen entsprechen. Pro-und-Contra-Listen bringen einen dabei oft nicht weiter. Viele, die sich mit ihren Entscheidungen leicht tun, hören auf ihre Intuition. Im Nebel und mit dem Stimmengewirr in und um uns, fällt es manchmal schwer, diese noch wahrzunehmen.
Du suchst nach einem Job mit Sinn?
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Selbstwahrnehmung: Die innere Stimme hören
»Der Schlüssel liegt in der Selbstwahrnehmung und insbesondere in der präzisen Entschlüsselung der inneren Stimme.« - Daniel Goleman, Konzentriert euch! Eine Anleitung zum modernen Leben
Der Psychologe und Wissenschaftsjournalist Daniel Goleman nennt in seinem Buch „Konzentriert euch! Eine Anleitung zum modernen Leben“ diese Intuition das „Innere Steuerruder“. Konzentration spielt sich nämlich nicht nur in der Bewältigung von Arbeitsaufgaben eine entscheidende Rolle, sondern auch bei sozialer Sensibilität, Empathie, Selbstbeherrschung und eben auch dem Treffen von Entscheidungen. Denn sich zu entscheiden ist nichts anderes, als sich auf ein Ziel zu fokussieren. Das Innere Steuerruder ist unser Gespür für Sinn und Ziele. Unsere Selbstwahrnehmung, dieser innere Kontrollmechanismus, verhilft uns zu einem guten oder einem schlechteren Leben. Es ist eine Herausforderung auf diese innere Stimme zu hören und auf die Signale in unserem Körper zu achten.
Diese Intuition, oder auch Bauchgefühl, ist nicht nur eine mythische Vorstellung. In der Neurowissenschaft lässt sich dieses Phänomen heute biologisch erklären. Was Goleman das Innere Steuerruder nennt, sind die Erfahrungen und Erlebnisse unseres Lebens, die als Algorithmen im subkortikalen Neuronennetzwerk gesammelt, gespeichert und angewendet werden.
Neurowissenschaftler*innen gehen davon aus, dass für die Selbstwahrnehmung und Empathie die so genannten Von-Economo-neurons, kurz VENs, benannt nach dem Entdecker Constantin von Econome, unentbehrlich sind. Diese spindelförmigen Neuronen sind mit anderen Gehirnzellen verbunden und besonders groß. Daher werden die von den VENs ausgesandten Signale schneller und weitergetragen.
Sie befinden sich in einigen Bereichen des menschlichen Cortexes, die das exekutive Gehirn mit Gefühlszentren verbinden.
Bildlicher gesprochen sind es das "Über-mich" und das "Ich", die bei unseren Entscheidungen aktiv sind. Das „Über-mich“ setzt die Informationen über Vergangenheit und Zukunft zusammen und verknüpft unsere unterschiedlichen Erfahrungen. Das "Ich" ist nur in der unmittelbaren Gegenwart aktiv. Es ist unser Gespür für das eigene Selbst und spiegelt unsere Sinneseindrücke wieder, auch die des Körpers. Aufgebaut ist es durch das Gehirnsystem, das über die Inselrinde den Körper kartiert. Aus der Verarbeitung dieser beiden Institutionen folgen die Richtlinien für unsere Entscheidungen. Ihre Signale sind unser innerer Leitfaden. Diese Entscheidungsrichtlinien, die im Gehirn unbewusst gesammelt wurden, lassen sich über unsere Gefühle anzapfen, indem wir uns selbst wahrnehmen.
Die Inselrinde (Insula) befindet sich hinter den Frontallappen und überwacht unsere inneren Organe. Ihre Schaltkreise sind mit Darm, Herz, Leber, Lunge und Genitalien verbunden. Sie ist die Steuerzentrale der Organfunktionen: In dem sie Signale an diese aussendet, beeinflusst sie ihre Aktivitäten. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit nach innen richten, also auf einen bestimmten Körperteil, steigt die Empfindlichkeit der Inselrinde für den Bereich, auf den man sich konzentriert. Je besser die Inselrinde ausgebildet ist, desto leichter lassen sich die eigenen Gefühle erspüren. Diese Gefühle dienen uns als Richtlinien für gute Entscheidungen. Bei großen Entscheidungen, wie der Jobwahl oder dem Umzug in eine andere Stadt, kann man sich dieses Empfinden zu Nutze machen.
Ausprobieren: A oder B?
Tief Luft holen.
Entspannt zurücklehnen.
Stellt euch die jeweilige Möglichkeit vor.
Erspürt, wie es sich anfühlt.
Was ist passiert?
Die Chance nutzen und für ein Semester nach London? Da zieht sich die Brust zusammen? Dann habt ihr vielleicht Angst euch nicht zurechtzufinden oder weil ihr glaubt eure Englischkenntnisse würden nicht ausreichen?
Die nächste Sprosse der Karriereleiter noch ruhenlassen und erst einmal ein Sabbatjahr einlegen, um Freundschaften und Hobbies zu pflegen? Spürt ihr euer Herz höher schlagen und der Kopf wird einen kurzen Moment leichter? Dann ist es bestimmt nicht nur die Vorfreude auf das Ausschlafen.
Vielleicht seht ihr bei dieser Übung auch ein bestimmtes Bild vor euch, auf das sich euer Gefühl richtet. Dann kann euch diese intuitiv aufleuchtende Vorstellung die Antwort darauf sein, wo ihr noch einmal den Kopf einschalten solltet. Meistens hat man vor der Wahl für eine Option Angst davor, dass sie negative Konsequenzen mit sich trägt. Unsere Vorstellungen von der Zukunft basieren dabei auf vorausgegangenen Erlebnissen. Auch negative Erfahrungen aus der Vergangenheit sind in unserem Neuronennetzwerk abgespeichert und werden aus diesem bei ähnlichen Situationen wieder hervorgeholt. Sich der angstauslösenden Faktoren bewusst zu werden, hilft, sie zu entschärfen. Hier kann das Abwägen mit dem Verstand einem die Furcht nehmen oder davor bewahren, einen Fehler zu wiederholen. Und oft erkennt man, dass hinter der Angst kein triftiger Grund steckt. Denn seine Schwächen zu kennen, ermöglicht es einem in der Situation dem entgegenzuwirken und sich auch für ein anderes Verhalten zu entscheiden.
Das Gute an Entscheidungen: Sie sind selten endgültig
Wer bei Entscheidungen auf sein Körpergefühl hört, der vertraut auch auf seine Stärken und baut so auch sein Selbstvertrauen auf. Ganz aus sich selbst heraus zu entscheiden, macht einen auch nach außen hin authentisch und bringt einen der Selbstverwirklichung näher. Entscheidungen können immer auch nur nach der augenblicklichen Persönlichkeit getroffen werden. Und es gibt immer die Möglichkeit, bei der nächsten Entscheidung eine bessere Wahl zu treffen.
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