In deinem Blog, Podcast und Buch »Montag-Impulse« möchtest du positive Anregungen setzen und zur Reflektion der eigenen Ziele und Wünsche ermutigen. Wie ist die Idee zu dieser kreativen Tätigkeit entstanden?
Katja Kremling: Den Impuls dazu hat mir unser Sohn und Lebenswunder Mika gegeben. Ich bin bereits seit 2012 selbstständig als BerufungsCoach, neudeutsch: PurposeCoach. Ich begleite Menschen dabei ihren beruflichen Weg selbstbestimmt und sinnorientiert zu gestalten. Vor der Geburt von Mika habe ich mir natürlich Gedanken gemacht, wie sich das erste Jahr mit Kind und meine berufliche Selbstverwirklichung vereinbaren lassen. Im Grunde lässt sich diese Phase ja schwer planen, sondern nur Schritt für Schritt gestalten. Wie gelingt es mir, mit potenziellen Kund*innen in Kontakt und an den Themen dran zu bleiben? Wie kann ich neben dem persönlichen Coaching einen echten Mehrwert zu schaffen? Ich hatte schon lange den Wunsch ein Buch zu schreiben, meine Gedanken, mein Wissen und meine praktischen Erfahrungen zu teilen. Doch ob und wie das in dieser Zeit realistisch umsetzbar ist, war mir unklar. Daher habe ich kleine Schritte in Form der wöchentlichen Impulse gewählt. Die kreativen Einfälle kamen mir morgens beim Aufwachen, beim Spazierengehen oder in Gesprächen mit Freund*innen. Geschrieben habe ich immer dann, wenn Mika schlief oder mit Papa unterwegs war. Ich kam regelrecht in einen Flow, getragen vom direkten Feedback meiner Leser*innen. Am Ende des ersten Jahres hatte ich 52 Montags-Impulse geschrieben und hielt ein weiteres »Baby« in meinen Händen: Mein erstes Buch.
Als »Berufungscoach« begleitest und berätst du Menschen, die sich beruflich neu ausrichten und sinnerfüllter arbeiten möchten. Welche Themen werden im Rahmen eines solchen Coachings bearbeitet und was genau kann ich als Ergebnis daraus mitnehmen?
Katja: Meine Kund*innen sehen den größten Mehrwert darin, dass sie Klarheit und Orientierung aus dem Coaching mitnehmen. Die Klarheit »wer bin ich?«, »was kann ich?«, »was ist mir wichtig im Leben?« und »was will ich wirklich?«.
Für diese Auseinandersetzung mit uns selbst nehmen wir uns viel zu wenig Zeit im Alltag. Doch genau das sind die richtungsweisenden Fragen, um einen Weg einzuschlagen, der sich sinnerfüllt anfühlt.
Sinn ist sehr persönlich und individuell.
Die Antworten finden wir nicht im Außen, nur in unserem Inneren. Dafür braucht es eine tiefgehende Selbstreflexion.
Dafür öffne ich den Raum, begleite den Prozess und stelle die richtigen Fragen.
Im Ergebnis haben meine Kund*innen eine klare Richtung vor Augen, konkrete Ideen und wissen, mit welchen Schritten sie den Stein ins Rollen bringen können.
Gehen muss jede*r den Weg selbst.
Was sind deiner Erfahrung nach die größten (mentalen und praktischen) Hürden, die es Menschen schwer machen, einen Berufsweg einzuschlagen, der sich für sie wirklich sinnstiftend anfühlt?
Katja: Häufig sind es innere Glaubenssätze, die uns den Weg zur Berufung blockieren. Damit (was mir Spaß macht) kann ich kein Geld verdienen... Ich bin zu alt, um neu anzufangen… auch das Festhalten an vermeintlicher äußerer Sicherheit spielt eine Rolle. Dadurch verengt sich der Blick auf die Möglichkeiten. Und ja, nicht immer ist der Weg zum Ziel komplett und klar ersichtlich. Wie Martin Walser sagt: »Dem Gehenden schiebt sich der Weg unter die Füße.« Doch viele verhaften im Gedankenkarussell und laufen nicht los.
Muss es denn immer ein kompletter Neuanfang sein oder gibt es auch Möglichkeiten, meinem bestehenden Job mehr Sinnhaftigkeit zu verleihen?
Katja: Bei der Ideenentwicklung setzen wir immer im Hier und Jetzt an - mit dem, was da ist. Dabei eröffnen sich meist auch im aktuellen beruflichen Umfeld konkrete Ansatzpunkte, um das Arbeitsumfeld oder die Tätigkeiten passender zu gestalten. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, parallel zum Job etwas Neues aufzubauen, z.B. eine Fortbildung zu machen. Ich bin auch ein Fan von »Prototyping«. Das kommt aus dem Design Thinking - einem Konzept zur kreativen Problemlösung. Dabei geht es darum, eine Idee im Kleinen mit geringen Risiko, also finanziellen Mitteln und zeitlichem Aufwand zu testen. Dabei können wir eigene Erfahrungswerte gewinnen und erleben, ob der Funke überspringt. Eine Kundin hat zwei Wochen auf einem Weingut mitgearbeitet und sich danach entschieden, ihre Teamleiterposition aufzugeben und eine Ausbildung zur Winzerin zu machen. Diese radikalen Umbrüche sind jedoch eher die Ausnahme als die Regel.
Was könnten erste kleine Schritte für mich sein, um herauszufinden, wie ich meiner persönlichen Vorstellung von einem »guten Leben« ein Stückchen näher kommen kann?
Katja: Eine konkrete praktische Übung ist der »ideale Tag«. Diese Übung ist für mich eine Quelle der Inspiration und Klarheit. Der ideale Tag versinnbildlicht all das, was mir wirklich wichtig ist im Leben. Dieser Tag offenbart meine Bedürfnisse und Herzenswünsche. Dieser Tag macht mir bewusst, wie ich leben und arbeiten möchte.
Mit diesem Bild vor Augen fällt es mir leichter, die kleinen Entscheidungen des Alltags zu treffen: Führt mich das weg von oder hin zu meinem idealen Tag?
»Der ideale Tag wird nie kommen.
Der ideale Tag ist heute,
Wenn wir ihn dazu machen.«
(Horaz)
Wertvoll finde ich auch, sich einmal bewusst zu machen, was bereits alles da ist in meinem Leben, um meinen idealen Tag zu gestalten - auf einer Skala von 0 - 10. Zum Beispiel bin ich gesund und habe die Möglichkeit, Yoga zu machen. Das ist ein Geschenk. Ich habe eine Familie, mit der ich mich am Abendessentisch treffe, wenn ich mir die Zeit nehme.
Es gibt Menschen, die sehr vielseitig interessiert sind und vielfältige Begabungen haben. Diese Persönlichkeiten werden oftmals frustriert, wenn ihr Job über einen längeren Zeitraum ein nur eingeschränktes Tätigkeitsspektrum umfasst. Wie können diese Generalist*innen ihr Potential voll entfalten?
Katja: Dazu habe ich einen Montags-Impuls geschrieben, weil mir diese Menschen besonders häufig im Coaching begegnen. Es gibt einen Begriff für diesen Typ Mensch: »Scanner-Persönlichkeit«. Geradlinige, lückenlose Lebensläufe, wie sie in der Vergangenheit gefordert waren, sind bei diesen Menschen eher selten. Scanner-Persönlichkeiten zeichnen sich durch Vielfalt aus. Diese Vielfalt zu beschränken, würde bedeuten das eigene Potenzial zu beschneiden.
Es ist hilfreich sogenannte »Schirmberufe« zu wählen, in denen Vielfalt ein integraler Bestandteil ist, z.B. Journalist*in, Filmemacher*in, Unternehmensberater*in, Autor oder Coach. Auch »PatchWork«, d.h. in verschiedenen Projekten und Jobs parallel zu arbeiten, ist denkbar. Die Erfahrung aus meiner Arbeit ist, dass es hinter all den verschiedenen Interessen und dem WAS du als Scanner gern tust, ein verbindendes Element gibt, eine innere Motivation oder Mission. Dein Wofür zu erkennen, gibt dir als Scanner innere Klarheit und Orientierung - einen roten Faden, der dir dennoch den Gestaltungsfreiraum gibt, Neues zu entdecken und auszuprobieren.
Tatsächlich bringen Scanner-Persönlichkeiten die besten Voraussetzungen für die sich wandelnde Arbeitswelt mit - hin zu mehr Agilität. Scanner lieben Veränderung. Sie sind es gewohnt, Anfänger zu sein. Sie probieren gern Neues aus. Agil, flexibel und beweglich zu arbeiten, ist ihr natürlicher Modus. Sie arbeiten sich schnell in Themen ein. Als kreative Querdenker fällt es ihnen leicht, Ideen und auch Menschen miteinander zu verknüpfen und daraus Neues entstehen zu lassen. Sie denken »out-of-the-box«. Wenn sie dann noch Umsetzer*innen an ihrer Seite oder im Projektteam haben, können sie sich ganz in ihrem Element entfalten.
Was hat dich zum Weg in die Selbstständigkeit motiviert? Was sind für dich persönlich die größten Vorteile, aber auch die größten Herausforderung an der Arbeit als Freiberuflerin?
Katja: Motiviert hat mich vor allem am Anfang die Freiheit, meine Arbeit selbstbestimmt zu gestalten. Tag für Tag an den Themen zu arbeiten, die mich wirklich interessieren. In einem Umfeld, das ich selbst gestalten kann. Mit Menschen, die ich durch meine Persönlichkeit und Arbeitsweise anziehe.
Mittlerweile motivieren mich die Themen Verbundenheit und Nachhaltigkeit.
Ich glaube, wenn wir Menschen in einer besseren Verbindung mit uns selbst und unserem natürlichen Sein sind, hat das positive Auswirkungen. Dann entwickeln wir ein stärkeres Bewusstsein für das menschliche Miteinander und die Natur.
Du arbeitest in der Regel an mehreren Projekten parallel und hast mehrere berufliche Standbeine. Wie schaffst du es, deine Aufgaben erfolgreich zu organisieren und sich nicht zu verzetteln?
Katja: Oh ja, neben dem BerufungsCoaching habe ich das »Konnektiv62« in Dresden gegründet - ein work space für »Neues Arbeiten«. Und ich engagiere mich ehrenamtlich bei Lassesunstun e.V. … Ganz ehrlich, ich verzettele mich immer mal wieder. Stichwort: Scanner Persönlichkeit. Um Prioritäten für den Tag oder die Woche zu setzen, hilft mir die 1-2-3- Methode, die ich in »Ein Guter Plan« entdeckt habe. Ich arbeite auch mit der Pomodoro-Technik konzentrierter und fokussierter. Morgens meditieren und kleine Auszeiten, wie zuletzt ein 2-tägiges Yoga Retreat, sind ebenfalls Wege zum Wesentlichen.
Gibt es einen Erfolg, auf den du besonders stolz bist?
Katja: Ich lege meine Messlatte für Erfolg nicht mehr so stark am gesellschaftlichen Maßstab an, sondern an meinen Werten, z.B. schätze ich Lebensqualität mehr Wert als Lebensstandard. Wenn ich so reinspüre, bin ich gerade auf den Menschen stolz, der ich in den letzten Jahren geworden bin. Auch weil ich in meiner Jugend eine krasse Identitätskrise hatte und lange sehr angepasst war. Ich bin auch sehr neugierig, wer ich geworden bin, wenn ich im hohen Alter auf der Hollywoodschaukel sitze und auf mein Leben zurückblicke.
Du möchtest mehr über die Arbeit von Katja erfahren? Dann geht es hier zur Website von Montags-Impulse.
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