»Talents4Good« hat in Zusammenarbeit mit der Fundraising Agentur »Fundgiver« insgesamt 20 Expert*innen aus dem Non-Profit-Bereich interviewt. Ein zentraler Befund zeigt: Im gemeinnützigen Sektor suchen viele Organisationen händeringend nach qualifizierten Fundraiser*innen. Welche Ursachen hat dieser Mangel an entsprechenden Spezialist*innen?
Carola von Peinen: Immer mehr gemeinnützige Organisationen betreiben Fundraising oder weiten ihre Aktivitäten massiv aus. Internationale Organisation eröffnen Fundraising-Büros in Deutschland. Stiftungen, die bislang eher auf der Geberseite waren, müssen aufgrund der Niedrigzinslage auch zusätzliche Gelder einwerben. Die Lage hat sich in den vergangenen fünf Jahren deutlich zugespitzt.
Wenn es nun massenhaft Fundraiser*innen gäbe, wäre das natürlich gar kein Problem. Die gibt es aber nicht. Es gibt bislang kaum entsprechende Studiengänge und auch die Aus- und Weiterbildungslandschaft ist hier noch ausbaufähig. Wir glauben allerdings, dass Vertriebler*innen, Key Account Manager*innen und Marketingspezialist*innen grundsätzlich das Handwerkszeug fürs Fundraising mitbringen – und viele wären auch deutlich zufriedener, wenn sie mit ihrem Können etwas Sinnvolles unterstützen könnten. Was wir brauchen, sind geeignete Umschulungsangebote für diese Zielgruppe.
Für welche konkreten Aufgaben sind Fundraiser*innen zuständig? Wie lässt sich deren Tätigkeitsprofil umreißen?
von Peinen: Man kann grob in zwei große Bereiche unterteilen: Diejenigen, die im direkten Kontakt mit Spender*innen, Unternehmen oder Stiftungen sind und diejenigen, die schriftlich mit einer größeren Zielgruppe über Mailings, Spender*innenmagazine, Webseiten oder Social Media kommunizieren.
Im ersten Bereich geht es viel um persönliche Ansprache, Netzwerken, Kundenbesuche, Präsentationen, individuelle Beratung und langfristige Beziehungspflege.
Im zweiten Bereich muss man ein gutes Gefühl haben, wie und über welchen Kanal man die jeweilige Zielgruppe am besten erreicht.
Welche fachlichen und persönlichen Qualifikationen sollten Fundraiser*innen mitbringen? Welche Studiengänge eignen sich besonders für einen späteren Einstieg in diesen Bereich?
von Peinen: Bei der Ansprache von Einzelpersonen sind eine authentische, stilsichere Kommunikation sowie eine Identifikation mit den Inhalten der Organisation nötig. Diese Personen müssen richtig gut zuhören und Vertrauen aufbauen können, denn niemand ist ja gezwungen, sein Geld zu spenden.
Die Kolleg*innen im Direktmarketing benötigten dagegen eher exzellente schriftliche Kommunikationsfähigkeiten und eine gewisse Technikaffinität. Sie müssen quasi schriftlich zuhören, Datenbanken analysieren, und in Zielgruppen- und Donor Journey-Logiken denken können. Beide Gruppen brauchen analytisches Denkvermögen und eine strategische Vorgehensweise, um erfolgreich zu sein.
Weiterbildungsanbieter wie die »Fundraising Akademie« oder das »Major Giving Institute« bieten gute Fortbildungsmöglichkeiten. Einige Universitäten bieten mittlerweile Studiengänge im Bereich Non-Profit oder Sozialmanagement an, das ist als Grundlage sicherlich hilfreich. Und ab Winter 2019 gibt es den Masterstudiengang »Fundraising und Philanthropie«, der speziell für dieses Berufsbild ins Leben gerufen wurde.
Inwieweit wird das Tätigkeitsfeld des Fundraisings von der Digitalisierung berührt und ggf. transformiert? Was bedeutet dieser Wandel für das Anforderungsprofil?
von Peinen: In unserer Studie waren wir überrascht, dass viele Expert*innen das Thema zwar als relevant einschätzten, aber wenig konkret darüber gesprochen wurde, wie dieser Megatrend das Tätigkeitsfeld verändern wird. Dabei ist es ziemlich offensichtlich, dass eine immer stärkere Digitalisierung von Kommunikation – und Fundraising ist letztlich nichts anderes – massive Auswirkungen auf diesen Berufsstand haben wird. Hier stehen die meisten Organisationen also noch sehr am Anfang. Einig waren sie sich darin, dass technische Affinität, der Umgang mit Datenbanken und eine gewisse Resilienz gegen permanenten Wandel immer wichtiger werden.
Welche Maßnahmen können Organisationen ergreifen, um ihre Attraktivität als potentielle Arbeitgeber für begehrte Fachkräfte zu erhöhen? Welche Rolle spielt der Ruf als Arbeitgeber bzw. die »Arbeitgebermarke«?
von Peinen: Neben der Sinnstiftung und einer menschenfreundlichen Unternehmens- und Arbeitskultur ist eine Möglichkeit, sich von den anderen positiv abzuheben, Karrierewege aufzuzeigen. Das ist leider in den meisten NGOs ein Thema, das selten im Fokus steht. Wenn man sich von der klassischen Denke löst, Karriere ginge immer nur nach oben, und kreativ nach alternativen Wegen sucht, kann man hier vielfältige Perspektiven aufzeigen und damit die Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung stärken.
Noch wird das Thema Employer Branding von den Non-Profits wenig diskutiert, aber mit zunehmendem Kampf um die Fachkräfte wird sich das zeitnah ändern.
Der Ruf einer Organisation ist auf jeden Fall sehr relevant. Wir sprechen von einer relativ kleinen Szene, in der viele Fundraiser*innen einander kennen und sich über ihre Arbeitsbedingungen austauschen.
Wie verbreitet ist im gemeinnützigen Sektor die Praxis, dass sich die Organisationen ihre besten Talente gegenseitig aktiv abwerben? Wie hoch empfinden die Expert*innen die Wechselbereitschaft von erfahrenen Mitarbeiter*innen?
von Peinen: Das ist lange nicht so verbreitet wie in der klassischen Wirtschaft, aber die Tendenz ist steigend. Allerdings wechseln die Angesprochenen nur, wenn sie ein deutlich besseres Angebot erhalten, das auch zu ihren privaten Plänen passt. Ein solches Angebot auszusprechen ist aber für viele Organisationen gar nicht möglich, die Gehälter etwa liegen in der Regel relativ nah beieinander. Man muss sich als Arbeitgeber also schon etwas einfallen lassen – etwa besonders flexible Arbeitszeiten, die Möglichkeit zu Sabbaticals und Weiterbildungen. Einige Expert*innen bedauerten, dass ein Umzug aus einer Metropolregion in den ländlichen Raum trotz Gehaltssprung für viele nicht attraktiv ist.
Inwieweit ist ein Quereinstieg (z.B. aus der klassischen Wirtschaft) in den Bereich Fundraising möglich? Gibt es entsprechende Weiterbildungen oder sonstige Qualifizierungsangebote?
von Peinen: Ohne Quereinsteiger*innen aus dem kommerziellen Bereich geht es gar nicht mehr: Gerade im Bereich Direkt- und Onlinemarketing, wo die Tätigkeiten, unabhängig von der Branche, wirklich sehr ähnlich sind und sich neue Kräfte schnell integrieren lassen.
Wie erwähnt sind auch Menschen mit Vertriebserfahrung für das Großspendenfundraising eine willkommene Bereicherung. Diese Quereinsteiger*innen benötigen in der Einarbeitung zwar eine andere Betreuung, um sich mit den Besonderheiten der Branche bis hin zum Vokabular vertraut zu machen, bringen aber auch eine starke Erfolgsorientierung mit, die sehr geschätzt wird.
Neben den oben genannten Fortbildungsinstituten wird es ab Oktober 2019 ein weiteres Angebot geben: Gemeinsam mit der Fundraisingstrategieberatung Schomerus und dem Major Giving Institute werden wir erstmalig ein maßgeschneidertes Angebot für Quereinsteiger*innen aus der Wirtschaft ins Fundraising anbieten. Wir sind sehr gespannt, wie es von beiden Seiten angenommen wird.
Über welche Kanäle sprechen Non-Profits besonders häufig potentielle neue Mitarbeiter*innen an? Wie kann ich mich als Jobsuchende*r gut positionieren und präsentieren, damit der Kontakt zu attraktiven Arbeitgebern zustande kommt?
von Peinen: Neue Mitarbeiter*innen werden vorwiegend über eigene Newsletter und digitale Plattformen, wie z.B. den Deutschen Fundraising Verband oder spezifische Jobbörsen wie z.B. Epojobs, tbd.community, NachhaltigeJobs etc. gesucht und gefunden. Es werden aber auch viele kostenlose Jobplattformen wie z.B. die der Agentur für Arbeit oder auf den Wirtschaftssektor spezialisierte Anbieter wie Monster oder Stepstone genutzt.
Bei Leitungsfunktionen und Expert*innenpositionen reichen diese allerdings oft nicht mehr aus. Immer mehr wird gezielt im persönlichen Netzwerk und bei Xing oder LinkedIn gesucht. Außerdem, so die Expert*innen, wird immer häufiger das Umfeld gebeten, bei der eigenen Suche zu helfen oder ein Personaldienstleister beauftragt, um Fundraiser*innen direkt anzusprechen.
Welche Vorzüge hat die Arbeit in einer gemeinnützigen Organisation im Vergleich zu einer Tätigkeit in der Privatwirtschaft - trotz geringerer Bezahlung? Wie groß sind die Gehaltsunterschiede zwischen der klassischen Wirtschaft und dem 3. Sektor wirklich?
von Peinen: Der Hauptpunkt ist für viele die sinnstiftende Mission des Arbeitgebers, sowie die Möglichkeit, international zu arbeiten oder aber mit spannenden Persönlichkeiten zusammenzutreffen. Flexible Arbeitszeiten, Teilzeitangebote und die Möglichkeit, im Home Office zu arbeiten, reduzieren das Stresslevel und helfen, Arbeit und Privates besser unter einen Hut zu bekommen. Für viele ist dies deutlich wichtiger als das Gehalt. Ein weiterer Grund, so die Expert*innen, ist das Betriebsklima. Ein freundliches Miteinander, Kolleg*innen, die die eigenen Werte teilen und das Gefühl, an einem Strang zu ziehen, empfinden viele Arbeitnehmer*innen als sehr befriedigend. Auch die größeren Gestaltungsspielräume werden immer wieder als Argument für einen Wechsel genannt.
Die Gehaltsunterschiede hängen davon ab, aus welchem Bereich die Personen wechseln. Unserer Erfahrung nach liegen die Abstriche bei ca. 20-30 Prozent. Zudem werden in der Regel keine Dienstwagen zur Verfügung gestellt oder Provisionen gezahlt. Für viele Interessierte ist der Wechsel daher schon ein Einschnitt. Für die, die den Schritt gemacht haben, hat es sich aber in aller Regel gelohnt.
Wie genau unterstützt »Talents4Good« Organisationen und Non-Profits bei der Rekrutierung von Fachkräften?
von Peinen: Wir bieten ein breites Portfolio an Dienstleistungen und Beratungen für unterschiedliche Organisationsgrößen und »Geldbeutel«. Die meisten unserer Kund*innen begleiten wir bei individuellen Besetzungsverfahren – meist bei komplizierten oder hoch angesiedelten Stellen. Wir helfen ihnen, das gesuchte Profil so gut zu schärfen, um mit der richtigen Ansprache die passende Person zu finden. Dabei spielen Persönlichkeit, Werte und fachliche Expertise eine gleichwertige Rolle.
Daneben bieten wir Workshops zum Aufbau von Recruiting Expertise in der Organisation an – also Hilfe zur Selbsthilfe. Und wer gut aufgestellt ist und nicht unbedingt die eierlegende Wollmilchsau sucht, kann natürlich auch nur eine Anzeige bei uns buchen.
Da wir auch Quereinsteiger*innen beim Umstieg beraten, verfügen wir über einen sehr diversen Pool an Kandidat*innen, den wir für unsere Suchverfahren nutzen.
Du möchtest mehr über die Inhalte der Studie erfahren? Hier geht es zur Studienzusammenfassung. Die gesamte Studie kann bei einer Anmeldung zum Newsletter von »Talents4Good« heruntergeladen werden.