Mit Rainbow Garden Village (RGV) organisiert und begleitet ihr Volunteering-Einsätze in verschiedenen europäischen, afrikanischen und asiatischen Ländern. Kannst du ein paar Beispiele für Bereiche bzw. Handlungsfelder nennen, in denen ich mich engagieren kann?
Steffen Mayer: Insgesamt arbeiten wir auf 4 Kontinenten in 32 Ländern und unterstützen mehr als 250 Volunteering-Projekte. Einige der Projekte werden von RGV finanziert und geleitet, andere sind staatlich oder gemeinnützig ausgerichtet.
Unsere 250 Projekte kategorisieren wir in:
- Soziale Projekte (zum Beispiel ein Straßenkinderprojekt in Ghana)
- Unterrichten (zum Beispiel Englisch unterrichten in Thailand)
- Naturschutz & Klimaschutz (zum Beispiel Umweltschutz-Einsatz auf Island)
- Tier & Wildlife (zum Beispiel ein Tierschutz-Projekt in Namibia)
- Handwerk (zum Beispiel ökologischer Hausbau in Tansania)
Ziel ist es, engagierten Volunteers sinnvolle Projekte zu ermöglichen. Die Freiwilligen sind unterstützend tätig und gehen einem bestehenden Team zur Hand.
Welche Formate gibt es für einen Volunteering-Einsatz im Ausland und worin unterscheiden sich z.B. Freiwilligenarbeit, Auslandspraktikum oder Skilled Volunteering?
Steffen: Zu den RGV Programmen zählen:
- Freiwilligenarbeit: Engagierte Menschen im Alter zwischen 16 und 27 Jahren engagieren sich für eines der oben genannte Projekte. Die Freiwilligenarbeit eignet sich vor allem für diejenigen, die in der Auslandszeit auch authentische kulturelle Erfahrungen machen möchten, Interesse an entwicklungspolitischen Themen haben und sich gerne sinnstiftend für ein Projekt ihrer Wahl engagieren möchten.
- Auslandspraktikum: Das Auslandspraktikum hingegen verfolgt etwas »eigennützigere« Motive. Dieses Programm wird in erster Linie für den Lebenslauf oder für die Ausbildung (Pflichtpraktikum) absolviert. Aber auch Schulabgänger:innen (Abiturient:innen) probieren sich im Rahmen der Berufsorientierung aus, um auch in der Praxis herauszufinden, ob der Job auch tatsächlich passend ist.
- Sabbatical / Skilled Volunteering: Das ist die Freiwilligenarbeit für eine Zielgruppe 30+. Diese Zielgruppe entscheidet sich für diese Form des Reisens, um eine Auszeit vom Job zu nehmen, den Kopf frei bekommen zu können und um sich von neuen Erfahrungen und Erlebnissen inspirieren zu lassen. Beim Skilled Volunteering unterstützen Fachkräfte ihr gewähltes Projekt unentgeltlich mit ihrer beruflichen Expertise und erweitern im Gegenzug ihren kulturellen Horizont. Aber auch Menschen, die sich bereits in Rente befinden, entdecken diese Reiseform mehr und mehr für sich. Bei RGV gibt es für die Teilnahme keine obere Altersgrenze, solange die Fitness passt.
- Impact Travel: Als Ausklang an eine Freiwilligenarbeit oder ein Auslandspraktikum bietet RGV die so genannten Impact Reisen an. Das sind sehr kleine Reisegruppen, die von kleinen, lokalen Reiseveranstaltern geführt werden. Auf diesen Reisen stehen Nachhaltigkeitsthemen auf dem Plan und es werden Destinationen fernab der Touristenströme angesteuert.
Wie kann läuft der Bewerbungsprozess ab? Welche Voraussetzungen muss ich für einen Volunteering-Einsatz erfüllen? Kann ich mir das Projekt aussuchen, das ich unterstützen möchte, oder wird man zugeteilt?
Steffen: Alles beginnt mit der ausführlichen Beratung. Die Interessent:innen dürfen sich ihre Projekte aussuchen, sollten jedoch nicht nur eine Organisation anfragen, sondern zum Vergleich mindestens eine weitere. Es dürfen auch kritische Fragen gestellt werden, die von der Organisation auch beantwortet werden sollen. Seriöse und hochwertige Organisationen sind in der Lage, mit aller Art von Nachfragen umzugehen.
Voraussetzungen zur Teilnahme bei RGV:
Die Interessent:innen äußern zunächst ihre Wünsche, ihr Anliegen und ihre Vorstellungen. Oftmals sind diese zu »romantisierend«, so dass in diesem Falle die Erwartungen der Interessent:innen mit den Erwartungen der Projektstellen in Einklang gebracht werden. Findet ein/e Interessent:in das für sich passende Programm und es wurden alle Fragen geklärt, so ist eine Anmeldung herzlich willkommen. Die Projekte können frei ausgesucht werden, solange die Verfügbarkeit besteht.
Nach der Anmeldung beginnt RGV mit dem Platzierungsprozess. Sobald die Unterkunft und das Projekt bestätigt sind, bekommt der/die Volunteer eine schriftliche Bestätigung, dass die Teilnahme nun wie geplant und verbindlich umgesetzt werden kann. Eine Anzahlung in Höhe von 20 % wird erst dann geleistet, wenn RGV dem/der Volunteer die Teilnahme verbindlich bestätigen konnte.
Benötigte Unterlagen / Nachweise:
- Lebenslauf / CV
- Motivationsschreiben
- Polizeiliches Führungszeugnis
- Sprachnachweis
- Zustimmung für den RGV Code of Conduct (Verhaltenskodex)
Wie werden die Freiwilligen auf ihren Auslandsaufenthalt vorbereitet und welche Art von Unterstützung bietet ihr vor Ort an?
Steffen: Nach der Bestätigung beginnt der Prozess der Reisevorbereitung. Dazu bekommt jede:r Volunteer Unterlagen zu Vorbereitung zugestellt. Zudem stehen erfahrene RGV-Koordinatoren bei Fragen zur Vorbereitung bereit. Hinzu kommen die RGV-Vorbereitungsseminare, an denen unsere Volunteers freiwillig teilnehmen können.
Wir unterstützen bei Fragen zu:
- Gesundheitsvorsorge
- Versicherungen
- Visa
- Sicherheit vor Ort
- Ablauf vor Ort
Die Besonderheit bei RGV ist, dass sowohl die Vorbereitung als auch die Durchführung vor Ort von RGV übernommen wird und wir nicht mit dritten Agenturen arbeiten. Das heißt, dass unsere Volunteers von Anfang bis Ende nur RGV als Ansprechpartner haben.
Vor Ort am Flughafen angekommen, sind folgende Leistungen enthalten:
- Airport Pickup & Drop Off
- Orientierungstage (Kulturelles, Verhaltensregeln, Sicherheit, öffentlicher Verkehr, etc….)
- Unterkunft (RGV Volunteer House oder Gastfamilie)
- Verpflegung je nach Projekt und Unterkunft abweichend
- Betreuung durch unser RGV-Team vor Ort
Volunteering erfreut sich gerade bei jungen Menschen, die sich z.B. nach dem Schulabschluss erst einmal orientieren möchten, großer Beliebtheit. Daher steckt hinter dem Volunteering mittlerweile eine große Industrie, die auch viel Kritik erfährt. Es sind z.B. extreme Fälle von »Fake-Waisenhäusern« bekannt geworden, in denen sich an Kindern, die eigentlich noch Eltern haben, bereichert wird. Wie stellt ihr sicher, dass eure Projekte vor Ort wirklich seriös sind und die Freiwilligen nicht zu billiger Konkurrenz in Bezug auf potentielle Arbeitsplätze für Einheimische werden?
Steffen: Den Peak an Kritik gab es ca. 2015 bis 2017. Aktuell hat die Kritik stark abgenommen, da viele Organisationen im deutschsprachigen Raum ihre Standards nachgeschärft haben. Bei RGV werden bspw. seit 2016 keine Waisenhäuser mehr angeboten, wir sind Mitglied bei »The Code«, einer Organisation, die sich innerhalb des Tourismus-Sektors für den Schutz von Kindern vor Missbrauch einsetzt, und haben die höchst möglichen Kindesschutz-Richtlinien implementiert. Die Mitgliedschaft bei »The Code« ist unseres Erachtens eine Grundvoraussetzung für seriöse Freiwilligenarbeit im sozialen Bereich. Weitere Zertifizierungen haben wir im Bereich des Natur- und Tierschutzes. Wir sind ordentliches Mitglied beim »Forum Anders Reisen« und »TourCert«.
Beim Aufnahmeprozess achtet »Forum Anders Reisen« bspw. Darauf, dass Veranstalter mit Volunteering-Angeboten einheimische Arbeitsplätze möglichst wenig gefährden.
Bei RGV wird bei der Aufnahme eines Projektes genau nach dem Ist-Zustand geschaut: Wie sehen die Verhältnisse eines Aufnahmeprojektes zum Zeitpunkt »Null« aus? Wir halten Anzahl der Mitarbeitenden, Ausstattung sowie gut und schlecht laufende Aspekte fest und messen im 2-Jahres-Rhythmus, was sich geändert hat. Zudem müssen sowohl wir als Organisation, unsere Projektverantwortlichen, die RGV-Teams vor Ort als auch die teilnehmenden Volunteers ihre Einwilligung in unseren Code of Conduct geben. Darin verankert ist beispielsweise die Verpflichtung dazu, dass keine Arbeitsplätze vor Ort gefährdet werden dürfen.
Fließt ein Teil der Gebühren, die ihr für die Organisation der Reisen erhebt, auch direkt an die Projekte vor Ort? Wie hoch ist dieser Anteil?
Steffen: Ebenso wie beim geförderten Freiwilligendienst des Bundes (»weltwärts«) ist es auch bei uns so, dass die Teilnahmekosten nicht primär für die Projekte vor Ort bestimmt sind. Mit diesem Glauben muss aufgeräumt werden, denn dies führt immer zu viel Unmut. Wir sind kein Entwicklungsdienst, wie es etwa die GIZ ist. Primär werden die Kosten zur Finanzierung unserer Strukturen und der Durchführung der Freiwilligendienste erhoben. Wozu genau, haben wir hier auf unserer Webseite beschrieben.
Die Corona-Pandemie hat das Reisen in vielen Fällen sehr schwierig gemacht. Gibt es bei euch auch die Möglichkeit, von Deutschland aus bzw. online an Projekten teilzunehmen?
Steffen: Ja, das gibt es. Die Resonanz ist bislang jedoch überschaubar, auch wenn unsere Online-Angebote gratis sind. Das Thema Freiwilligenarbeit scheint im direkten Zusammenhang mit der Auslandserfahrung zu stehen.
Welche Tipps habt ihr grundsätzlich für nachhaltiges und verantwortliches Reisen?
Steffen: Uff, das ist ein Fass ohne Boden :-) Dazu haben wir schon einen ganzen Blog gefüllt.
Das Wichtigste in Kürze:
- Je länger der Aufenthalt vor Ort, desto höher ist der Nachhaltigkeitswert der Reise.
- Je besser die lokale Bevölkerung in der Wertschöpfungskette eingebunden ist, desto nachhaltiger ist die Reise aus sozio-ökologischer Sicht (siehe Freiwilligenarbeit & Gastfamilie versus internationale Hotelkette für Massentourismus).
- Wer fliegt, soll bitte CO2 kompensieren.
1999 bin ich im Rahmen eines Auslandspraktikums nach Ghana gereist. Ich habe damals Lehramt studiert und habe dort an einer Schule unterrichtet. In Ghana habe ich dann die Defizite im Bildungswesen erkannt und am Lake Bosomtwe ein Stückchen Land geschenkt bekommen, mit dem Versprechen, in der Gegend das Bildungsangebot für Kinder zu verbessern.
Auf dem Land haben wir dann ganz einfache afrikanische Rundhütten gebaut. Die Hütten waren bunt, der Garten auch, und so kam es zu dem Namen »Rainbow Garden Village«, der uns bis heute begleitet.
Das Projekt war damals eine Studenteninitiative. Ich habe vor Ort eine NGO gegründet (heute Rainbow over Ghana e.V.) und habe Lehramts-Studierende eingeladen, um mir beim Unterrichten zu helfen.
Das war die Initialzündung für unsere heutige Organisation. Ab 2011 dann mit Sitz in München, ab 2013 dann eine GmbH und ab April 2022 eine gGmbH. Die Gemeinnützigkeit war für mich ein wichtiger Schritt: sozusagen »back to the roots«.
Seit jeher liegt mein Interesse in der Verbesserung des Bildungsangebots in afrikanischen und ländlichen Regionen und würde dies bis heute meine Mission nennen.
Fernweh bekommen? Hier geht es lang zur Webseite von Rainbow Garden Village.
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