Teil 1: Job und Karriere im sozialen Bereich
Was erwartet die Wechsler im neuen Job?
Von Peinen: Viele Wechsler beschreiben den Einstieg zunächst einmal als einen Kulturschock. Sie merken, dass anders kommuniziert wird, auch nicht selten Entscheidungen aus ganz anderen Motiven getroffen werden, als sie es bisher kannten. Wer sich hier nicht anpasst, erntet vielleicht am Anfang Argwohn von den Kollegen. Auch gibt es auf einmal keine IT-Hotline und andere Strukturen mehr, die vorher ganz normal waren und die Arbeit erleichterten. Dafür sind viele überrascht, wie professionell im sozialen Bereich gearbeitet wird, wie stark sich die Mitarbeiter im Job engagieren und auch wie herzlich und kooperativ die Zusammenarbeit sein kann.
Jemand, der aus einem Konzern in ein kleineres Social Business wechselt, hat in der Regel vielfältigere Aufgaben und trägt schnell mehr Verantwortung als in seiner bisherigen Position. Die Arbeitsformen und -zeiten sind oft flexibler als in der Wirtschaft. Die persönliche Gestaltungsfreiheit ist also sehr groß – genauso übrigens, wie die Erwartung an das neue Team-Mitglied. Kurzum: Viele Vorurteile lassen sich geraderücken und abbauen.
Viele wünschen sich einen sinnstiftenden Job, fürchten aber einen Karriereknick. Ist die Angst berechtigt?
Von Peinen: Diese Ängste werden auch uns häufig berichtet. Es ist sicher richtig, dass Aufstiegsmöglichkeiten oftmals nicht klar oder in Unternehmen mit flachen Hierarchien nicht gegeben sind. Viele treibt die Frage um, ob es denn einen Weg zurück gibt, falls es mit der Karriere im sozialen Bereich nicht klappt. Hier muss tatsächlich noch Einiges getan werden, damit beide Seiten ein besseres Verständnis füreinander bekommen und einschätzen können, was in der jeweils „anderen Welt“ geleistet wird.
Auch Gehalt ist ein großes Thema, vor allem, wenn die Wechsler Verantwortung für eine Familie tragen und keine bedeutenden Einbußen hinnehmen können.
In Unternehmen im sozialen Bereich setzt sich aber auch die Erkenntnis durch, dass man guten Leuten etwas bieten muss. Zwar ist es vielfach für die Unternehmen schwierig, mit den Gehältern in der freien Wirtschaft zu konkurrieren. Dafür schaffen sie andere Anreize, z.B. attraktive Weiterbildungen und flexible Arbeitsbedingungen. Homeoffice wird oftmals in klassischen Wirtschaftsunternehmen noch misstrauisch beäugt – in vielen Sozialunternehmen ist das Arbeiten von unterwegs und zu Hause eine Selbstverständlichkeit. Auch gibt es wenige, die Anwesenheitszeiten erfassen – es zählt nicht, wer wie lange sitzt, sondern was geschafft wird.
Wir haben viel über Wechsler gesprochen. Eine große Bewerbergruppe sind doch auch Uniabsolventen?
Von Peinen: Das stimmt. Die werden auch von vielen Organisationen gerne eingestellt, bekommen schnell abwechslungsreiche Aufgaben und durchaus auch schnell Verantwortung übertragen. Allerdings ist es auch hier nicht einfach, den Einstieg zu finden. Viele Ausschreibungen laufen nicht über die klassischen Kanäle, daher braucht man manchmal einen langen Atem: Viele kleine Unternehmen stellen erst nach einigen Monaten als Praktikant(in) oder Werkstudent(in) ein. Initiativbewerbungen bringen oft nicht den gewünschten Erfolg: Absolventen müssen viel Glück haben, dass genau die eigene Qualifikation gesucht wird – zumal sie direkt nach dem Studium in der Regel noch keinen speziellen Schwerpunkt haben. Ein Netzwerk zu knüpfen kann da manchmal mehr bringen, z.B. auf Branchenveranstaltungen.
Was sind Einstiegspositionen im sozialen Bereich?
Von Peinen: Viele steigen als Projektmanager oder Assistenzen ein, auch einige in Kommunikationsabteilungen.
Was gibst du Absolventen als Bewerbungstipp mit?
Von Peinen: Eigentlich nichts Überraschendes: Viel Mühe ins Motivationsschreiben investieren. Einen Link zwischen dem eigenen Profil und Stelle herausarbeiten und zeigen, dass es die spezifische Stelle ist, die einen begeistert. Klar ist es viel Arbeit, für jede Stelle ein individuelles Schreiben zu verfassen – aber die Mühe lohnt sich. Fuß fassen über Ehrenämter und auch, die anfängliche Scheu zu überwinden und Veranstaltungen zu nutzen, um erste Kontakte zu knüpfen. Nicht den Mut verlieren und den eventuellen Leerlauf nutzen, um sich weiterzuentwickeln.
Kann man schon während des Studiums etwas tun, um einen einfacheren Einstieg zu haben?
Von Peinen: Natürlich ist es ratsam, bereits im Studium praktische Erfahrungen zu sammeln – das tun heute auch sehr viele Studierende. Etwas weniger Studenten stellen sich aber bei der Auswahl der Praktika die wichtigen Fragen: Kann ich mir das, was ich im Praktikum mache, als späteren Beruf vorstellen? Stellt das Unternehmen Einsteiger ein und wie häufig? Sehr wichtig ist auch der richtige Zeitpunkt fürs Praktikum. Wer zeitnah nach dem Praktikum seinen Abschluss macht, hat mehr Aussicht auf ein Jobangebot als jemand, der noch zwei Jahre Studium vor sich hat. Nach dem Praktikum sollte man den Kontakt zum Unternehmen nicht abreißen lassen. Wer sich hin und wieder meldet, bleibt im Gedächtnis.
Was für Trends siehst du für den Arbeitsmarkt im sozialen Bereich?
Von Peinen: Wir haben erlebt, dass der vielbeschworene Fachkräftemangel im sozialen Bereich in den kaufmännischen Qualifikationen nicht so ausgeprägt ist. Dennoch möchten Unternehmen die besten Bewerber einstellen und die fähigsten Mitarbeiter halten. Dies führt zu einem immer professionelleren Recruiting, aber auch zu einem gesteigerten Bewusstsein, dass man neben den Sinn auch Anderes bieten muss, um die Talente zu gewinnen und zu binden. Mitarbeiterentwicklung und Karriereplanung sind die großen Themen der Zukunft.
Carola von Peinen ist Gründerin und Geschäftsführerin von Talents4Good, der ersten Personalvermittlung in Deutschland spezialisiert auf Jobs mit gesellschaftlichem Mehrwert. Talents4Goods Vision ist es, dass jeder seine Berufung zum Beruf machen kann, um so mit seinem Talent zu einer besseren Welt beizutragen.