»Mode« und »Nachhaltigkeit« sind zwei Worte, die wir leider noch viel zu selten guten Gewissens im selben Satz aussprechen können. Die Auswirkungen der Fast Fashion-Industrie auf Mensch und Umwelt sind verheerend. Es ist längst bekannt, dass die Arbeiter*innen in den Produktionsländern erheblich unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen leiden. Zusätzlich gelangen die nicht recycelbaren Synthetikfasern in die Meere und auch die Herstellung von Textilien aus Baumwolle hat fatale Folgen: So werden beispielsweise für die Produktion von einem Kilo Baumwolle etwa 15.000 Liter Wasser benötigt. Die gesamte Branche muss nicht einfach nur ein bisschen verändert, sondern von Grund auf transformiert werden. Umso besser, dass es Menschen gibt, welche sich genau das zur Berufung machen möchten. Gehörst du auch dazu? Es gibt vielfältige Möglichkeiten, deine Talente einzubringen:
Produktentwicklung und Design
Bei der Entwicklung und Gestaltung neuer Produkte geht es in der Fair Fashion-Branche idealerweise eben nicht darum, schnelllebigen Trends zu folgen. Vielmehr stehen folgende Aspekte im Mittelpunkt:
- Wie muss das Kleidungsstück beschaffen und designed sein, damit es möglichst langlebig sowie qualitativ hochwertig ist und sich sogar für mehrere verschiedene Zwecke nutzen lässt?
- Wie lässt sich sicherstellen, dass sich das Produkt reparieren lässt, wenn es zu Schaden kommt und nicht entsorgt werden muss?
- Wie muss der Schnitt gestaltet sein, dass sich das Kleidungsstück am Ende des Produktlebenszyklus gut in die aus verschiedenen Materialien bestehenden Bestandteile zerlegen lässt und umweltschonend entsorgt oder recycelt werden kann?
- Wie muss das Produkt aussehen, damit es auch emotional, also bezüglich des Styles, der Passform und der Funktion, möglichst langlebig, d.h. nicht nach einigen Monaten bereits »aus der Mode« ist?
Beispiele für Berufe in diesem Bereich: Textildesigner*in, Produktentwickler*in Mode, Modedesigner*in, Modeillustrator*in, Modenäher*in, Schnitt-, Entwurfs- und Fertigungsdirektrice, Musterschneider*in, Modist*in, Schuhmacher*in, Bekleidungsschnittzeichner*in
Dieses Gebiet eignet sich besonders für Kreative, die sich gerne mit zeitlosen Schnitten und Mustern sowie mit nachhaltigen Materialien beschäftigen.
Business Development
Nicht nur die Beschaffenheit der Produkte, sondern auch das dem gesamten Unternehmen zu Grunde liegende Geschäftsmodell ist essenziell, wenn es um wirklich faire und nachhaltige Mode geht. Wenn wir die Fashion Branche wirklich revolutionieren wollen, reicht es bei Weitem nicht, sich zu fragen, wie man die schädlichen Auswirkungen der Textilproduktion auf Mensch und Umwelt reduzieren oder limitieren kann. Die Art und Weise, wie Kleidung produziert, verkauft, verliehen, geteilt, repariert und wiederverwendet werden kann, muss sich radikal transformieren. Hierzu bedarf es schlauer Köpfe, die diese Aspekte in ihr Business Model integrieren und bereit dazu sind, die Modeindustrie mit innovativen Ideen komplett neu zu denken.
Beispiele für Berufe in diesem Bereich: Betriebswirt*in, Industriekaufleute, Wirtschaftswissenschaftler*in, Brand-Manager*in, Modemanager*in, Entrepreneur*in
Grundsätzlich ist dieses Feld für alle geeignet, die ihre Begeisterung für Fair Fashion mit ihrem Verständnis für rentable Geschäftsmodelle kombinieren möchten.
Beschaffung, Einkauf und Logistik
Eine sehr einflussreiche Stellschraube in der Textilproduktion besteht in der generellen Reduktion des Materialflusses - das bedeutet, dass so wenig neue Produkte oder Materialien wie möglich für das Herstellen eines neuen Kleidungsstücks beschafft werden. Stattdessen sollten alte Textilien wiederverwendet und Recycling-Technologien entwickelt werden. Außerdem ist es wichtig, die Abhängigkeit von Materialien zu reduzieren, die auf fossilen Brennstoffen basieren oder aus konventionell angebauter Baumwolle bestehen.
Darüber hinaus spielt natürlich die Auswahl geeigneter Lieferanten sowie die Art des Transportes der Materialien eine entscheidende Rolle:
- Wie sehen die Arbeitsbedingungen in den jeweiligen Nähereien, Färbereien, etc. in den entsprechenden Ländern aus?
- Wird das Material auf dem Luft-, Land- oder Seeweg transportiert?
- Unter welchen sozialen und umweltbezogenen Bedingungen werden die Rohstoffe für die zu beschaffenden Materialien angebaut?
Dies sind nur ein paar exemplarische Fragen, mit denen sich Mitarbeitende in der Materialbeschaffung und Logistik auseinandersetzen.
Beispiele für Berufe in diesem Bereich: Einkäufer*in, Industriekaufleute, Betriebswirt*in, Wirtschaftswissenschaftler*in, Logistiker*in
Für dieses Aufgabenfeld eignen sich ganz besonders Allrounder, die mehrere Faktoren, wie zum Beispiel Art und Qualität der Materialien, Preise, rechtliche Aspekte und Logistik, überblicken können.
Produktion und Technik
Du interessierst dich für den Produktionsprozess der Kleidung per se und die Maschinen, die dafür benötigt werden? Dann ist das Gebiet der sogenannten Textiltechnik vielleicht etwas für dich: Hier dreht sich alles darum, die Faserstoffe zu Textilien weiterzuverarbeiten. Aufgaben umfassen beispielsweise das Entwickeln innovativer und nachhaltiger Materialien und/oder Produktionsverfahren sowie die Überwachung des Produktionsprozesses.
Beispiele für Berufe in diesem Bereich: Textiltechniker*in, Textilingenieur*in, Bekleidungstechniker*in, Textillaborant*in, Textildrucker*in, Produktionsmechaniker*in, Produktionsplaner*in
Gefragt sind technisches Verständnis und natürlich eine große Portion Begeisterung für ressourcenschonende Produktion und nachhaltige Materialien.
Marketing und PR
Nachhaltige und faire Mode benötigt zudem eine ganz andere Art des Marketings als Fast Fashion. Anstatt für die sich immer wieder ändernden, saisonalen Trends zu werben, geht es darum, den wahren Wert sowie die Qualität der Produkte in den Mittelpunkt zu stellen. Gut durchdachtes Marketing kann die Macht haben, das Mindset der Konsument*innen dahingehend zu verändern, was es bedeutet, Kleidung zu besitzen, zu teilen oder zu (ver)leihen.
Beispiele für Berufe in diesem Bereich: Moderedakteur*in, Modejournalist*in, Texter*in, Marketing-Spezialist*in, Social-Media-Manager*in, Mediendesigner*in, Kommunikationsdesigner*in, Kommunikationswissenschaftler*in
Hier kommt es neben guter Kenntnis der Fair-Fashion Branche und entsprechender Trends auch auf eine gute Schreibe, Kreativität und Ideenreichtum an.
Vertrieb (online und offline)
Du siehst deine Rolle darin, nachhaltige und faire Mode an die Menschen zu bringen? Je nachdem, ob du lieber vor dem Computer sitzt oder den direkten Kontakt zu den Kund*innen bevorzugst, kannst du dein Verkaufstalent zum Beispiel als Online-Shop-Manager*in oder direkt im Einzelhandel ausleben.
Beispiele für Berufe in diesem Bereich: Einzelhandelskaufleute, Industriekaufleute, Betriebswirt*in, Shop-Manager*in, Verkäufer*in, Online-Shop-Manager*in, Kundenberater*in, Filialleiter*in
Dieses Feld ist für Menschen mit unterschiedlichsten Ausbildungs-Hintergründen interessant - solange du gerne verkaufst und dich gut mit den entsprechenden Produkten auskennst.
IT und Entwicklung
Die Digitalisierung spielt in Bezug auf Nachhaltigkeit auch in der Modebranche eine essenzielle Rolle. So ermöglichen 3D-Samples beispielsweise einen sehr schnellen Austausch der entworfenen Muster, ohne dass physikalische Samples hin- und her geschickt werden müssen. Hier liegt ein großes Einsparpotenzial, was die Emissionen durch lange Transportwege angeht. Deine IT-Fähigkeiten kannst du jedoch nicht nur beim Entwickeln entsprechender Programme einsetzen, sondern auch z. B. beim Programmieren und Betreuen von Online-Shops, die Fair Fashion Bekleidung anbieten.
Beispiele für Berufe in diesem Bereich: Kaufleute für Digitalisierungsmanagement, Anwendungsentwickler*in, Fachinformatiker*in, Kaufleute für IT-Systemmanagement
Dieses Feld eignet sich für alle modebegeisterten Programmierer*innen und IT-Spezialist*innen.
Jura
Mit einer rechtswissenschaftlichen (Hochschul)Ausbildung stehen dir weitaus vielfältigere Karrierewege offen als die typisch damit assoziierten Berufe, wie etwa Anwalt*Anwältin, Richter*in oder Notar*in. So kannst du dich in der Modeindustrie zum Beispiel für die Menschenrechte der am Produktionsprozess beteiligten Arbeiter*innen stark machen. Bei größeren Fair Fashion Labels könntest du auch eine Stelle in Bereichen wie Personal oder Import und Export ergattern, wo Fachkräfte mit juristischen Kenntnissen gerne gesehen werden. Auch werden derzeit gerade im Namen der Nachhaltigkeit neue Gesetze und Regulationen entwickelt, die neben anderen Branchen auch die Modeindustrie betreffen. Ein Beispiel hierfür sind die Gesetze für Extended Producer Responsibility (EPR), die dafür sorgen, dass sich produzierende Gewerbe mit dem Wiederverwerten, Recyceln oder der umweltgerechten Entsorgung der am Ende des ihre Lebenszyklus angekommenen Produkte auseinandersetzen müssen.
Beispiele für Berufe in diesem Bereich: Rechtswissenschaftler*in, Wirtschaftsjurist*in, Advocacy-Manager*in, Spezialist*in für Arbeits- und Vertragsrecht
Dieses Berufsfeld steht dir offen, wenn du eine Affinität nicht nur zu Mode, sondern auch zu Gesetzestexten mitbringst und ein entsprechendes Studium bzw. eine entsprechende Ausbildung vorweisen kannst.
Corporate Social Responsibility (CSR) - bereichsübergreifend
Als CSR-Beauftragte*r einer (Fair) Fashion Marke sorgst du dafür, dass die schädlichen Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft entlang des gesamten Produktlebenszyklus verringert oder eliminiert werden. Dies umfasst Fragestellungen in mehreren Bereichen:
- Wie kann eine bessere Material- und Energieeffizienz erreicht werden?
- Welche technischen Lösungen können entwickelt werden, um biologisch abbaubare Produkte herzustellen?
- Wie kann das Leben der Produkte verlängert, die Qualität also gesteigert werden?
- Wie kann die Abhängigkeit von Öl und anderen Rohstoffen durch das Verwenden von Abfallprodukten und Überschussmaterial anderer Industrien (Industrial Ecology) reduziert werden?
- Wie sieht eine transparente Kommunikation der Lieferkette und des Produktionsprozesses gegenüber den Kund*innen aus?
Da sich dieser Bereich durch sämtliche Produktionsstadien und Abteilungen hindurchzieht, sind hier vor allem nachhaltigkeits-begeisterte Allround-Talente gefragt, wobei betriebswirtschaftliche, rechtliche, technische und branchenspezifische Kenntnisse bestimmt sehr vorteilhaft sind.
Echte Fair Fashion Brands erkennen
Jetzt denkst du vielleicht:
»Na gut, ich weiß jetzt, welche Tätigkeiten für mich spannend sein könnten, aber wie finde ich denn Firmen, die wirklich nachhaltige und faire Kleidung herstellen und bei denen ich mich guten Gewissens bewerben kann?«
Diese Frage ist gut und richtig, denn vermutlich wird in kaum einer anderen Branche so viel Greenwashing betrieben, wie in der Modewelt. Es gibt so viele verschiedene Zertifikate und Siegel, dass man da leicht den Überblick verlieren und nur schwer erahnen kann, welche davon nun wirklich glaubwürdig und aussagekräftig sind. Wir haben daher eine kleine Checkliste an Fragen erstellt, die du nutzen kannst, um deinem zukünftigen Fair Fashion-Arbeitgeber genauer auf den Zahn zu fühlen:
- Werden Rohstoffe aus ökologischem Anbau verwendet?
- Wie (ressourcenschonend?) und wo (Transportwege?) werden die Produkte hergestellt?
- Welche Rolle spielen Upcycling und Recycling im Produktionsprozess?
- Wie steht es um die Bezahlung (fairer Handel?) und Arbeitsbedingungen aller am Prozess beteiligter Menschen?
Einige Modelabels lassen sich durch Siegel zertifizieren, um zu zeigen, dass bestimmte Mindestanforderungen bezüglich Nachhaltigkeit und ethischer Aspekte eingehalten werden. Doch Siegel ist nicht gleich Siegel. Während bestimmte Siegel erst nach einer unabhängigen Prüfung vergeben werden, sich die Firmen diese also »verdienen« müssen, gibt es auch unternehmenseigene Siegel, die lediglich eine Selbstverpflichtung des jeweiligen Konzerns an sich selbst darstellen. Auf Siegelklarheit.de findest du ausführliche Informationen dazu, inwieweit einzelne Siegel in Bezug auf die Faktoren Umwelt, Soziales und Glaubwürdigkeit bestimmte Kriterien erfüllen. Wir haben eine kurze Übersicht der Labels erstellt, die laut Siegelklarheit in Bezug auf die einzelnen Kriterien besonders gut abgeschnitten haben:
Umwelt: bluesign® PRODUCT, Blauer Engel, EU Ecolabel, Global Organic Textile Standard, Naturland Textilien, Naturtextil, Oekotex
Soziales: Fair Wear Foundation, FairTrade Cotton, Fairtrade Textile Production, Global Organic Textile Standard, Naturtextil, Oekotex, SA8000
Glaubwürdigkeit: bluesign® PRODUCT, EU Ecolabel, Fair Wear Foundation, FairTrade Cotton, Fairtrade Textile Production, Global Organic Textile Standard, Naturland Textilien, Naturtextil, Oekotex, SA8000
Es gelingt sicher nur wenigen Unternehmen, die komplette Bandbreite in Sachen Nachhaltigkeit und Sozialverträglichkeit abzudecken. Und doch gibt es glücklicherweise immer mehr Firmen auch in der Modebranche, die sich Schritt für Schritt umstellen.
Ausführliche Informationen dazu, welche Schritte für einen Wandel in der Modeindustrie notwendig sind, sowie eine detaillierte Nachhaltigkeitsbewertung einzelner Labels findest du in einem Pulse Report von Greenpeace: Die Modebranche am Scheideweg.
Weitere Kriterien, an welchen du ein wirklich nachhaltiges Unternehmen erkennen kannst, findest du in unserem Artikel »Bewerben mit gutem Gewissen – Mit diesen 7 Hinweisen erkennst du ein nachhaltiges Unternehmen«.
Wenn du jetzt richtig Lust bekommen hast, die Fair Fashion-Welt mit deiner Expertise zu bereichern, schau doch mal in unserer Stellenbörse vorbei. Vielleicht findest du dort deinen Traumjob in der »guten« Modebranche.