Berufsbild Umweltpsychologie: Arbeitsalltag, Voraussetzungen, Perspektiven

Du brennst für die Themen Umwelt, Nachhaltigkeit und den Klimawandel, möchtest aber dennoch nicht den menschlichen Aspekt aus den Augen verlieren? Du gehst Dingen gerne auf den Grund oder bist gut darin, deine Mitmenschen zu beraten? Dann ist der Beruf Umweltpsycholog*in vielleicht genau das Richtige für dich. Für unser Jobportrait haben wir mit der Umweltpsychologin Jana Kesenheimer über die berufliche Praxis, Einstiegsmöglichkeiten und Jobaussichten gesprochen.
Foto©: Mert Guller
von Jana Kesenheimer (Gastartikel), 6. Februar 2023 um 11:00 (Update)

Noch nie etwas von Umweltpsychologie gehört? Keine Sorge, da bist du nicht alleine. Umweltpsychologie ist eine noch relativ junge Teildisziplin und wird auch gerne mal »ökologische Psychologie« genannt. Sie beschäftigt sich im Groben mit den Wechselwirkungen von Umweltfaktoren und der menschlichen Psyche. Mit Umwelt ist dabei aber nicht nur die Natur gemeint, sondern generell die äußere, physisch-materielle Welt, die auch sozio-kulturelle Elemente umfasst. Sie bezieht sich also auch auf Gebäude, Infrastrukturen, Freunde und Familie und sogar die Wohnsituation oder den Arbeitsplatz.

Als Umweltpsycholog*in untersucht man zum Beispiel die positiven Einflüsse, die wir mit grünen Wiesen, Wäldern und plätschernden Bächen verbinden, aber eben auch die Einflüsse, die unsere Arbeitsplätze oder unser familiäres Umfeld auf uns und unsere Psyche haben. Schon länger ist z.B. bekannt, dass sich ein Besuch in der Natur positiv auf unser Wohlbefinden auswirkt und sogar gesundheitsfördernde Effekte haben kann. In Japan werden Spaziergänge in der Natur sogar als Therapieform eingesetzt. Umgekehrt weiß man auch, dass sich die Schadstoffbelastung, der Verkehrslärm und der Stress im städtischen Alltag negativ auf unsere Psyche auswirkt.

Ein neues Themenfeld innerhalb der Umweltpsychologie ist der Klimawandel und seine Zusammenhänge mit der menschlichen Psyche. Einerseits ist wissenschaftlich bestätigt, dass der Klimawandel menschengemacht ist, andererseits tun sich viele Menschen schwer, ihr alltägliches Verhalten zu überdenken und im besten Fall zu ändern. Ähnlich lässt sich hier aber auch untersuchen, wie sich die Veränderungen der Umweltfaktoren auf uns Menschen auswirken. So können wärmere Temperaturen Wohlbefinden auslösen, extreme Wetterbedingungen wie Stürme oder Überflutungen Ängste und/oder Panik schüren, im schlimmsten Fall sogar depressive Symptome oder Posttraumatische Belastungsstörungen nach sich ziehen. Auch Fragestellungen zu den Themen Globalisierung und nachhaltige Entwicklung können für die Umweltpsychologie interessant sein. Um sich als Gesellschaft besser an zukünftige Bedingungen anzupassen, können die Erkenntnisse von Umweltpsycholog*innen also durchaus wichtig sein: »Jede*r von uns trifft täglich Entscheidungen, die sich in Summe nachhaltig auf unsere Umwelt auswirken. Deshalb ist zum Beispiel die Klima-Krise vor allem auch eine psychologische Herausforderung« sagt unsere Expertin Jana Kesenheimer, Doktorandin der Sozialpsychologie mit Schwerpunkt Umweltpsychologie an der Universität Innsbruck.

Berufsbild und Aufgaben

Da es sich bei der Umweltpsychologie hauptsächlich um ein sehr forschungslastiges Gebiet handelt, arbeiten Umweltpsycholog*innen hauptsächlich an Hochschulen und Forschungszentren, können sich aber auch als Berater*innen selbstständig machen. In der Forschung geht es vor allem darum Studien zu konzipieren, diese durchzuführen und im Anschluss auszuwerten und diese in verschiedenen Journalen zu veröffentlichen. Hier könnte es zum Beispiel darum gehen, Wohnräume, Stadt- und Verkehrsräume sowie Freiräume und Naturflächen in Hinblick auf ihre psychische Auswirkungen hin zu untersuchen und zu bewerten. Auch die Verbesserung des Umweltbewusstseins und die Ermutigung hin zu einem umweltgerechteren Handeln können Forschungspunkte sein. So hat Jana Kesenheimer z.B. in einer Studie herausgefunden, dass Menschen sich vor allem dann als sehr umweltbewusst zeigen, wenn es sie selber in ein gutes Licht rückt: »Wenn Kolleg*innen, Freund*innen oder Mitbewohner*innen ›Zeugen‹ sind, z.B. beim gemeinsamen Lunch oder durch das gemeinsame Wohnen, verhält man sich entsprechend lieber umweltbewusst: Wählt ein vegetarisches Essen, entsorgt die Zigarette im Müll und duscht nur kurz«. Interessant ist, dass vor allem Menschen mit narzisstischen Tendenzen ein solch »egoistisches« Umweltverhalten an den Tag legen, was an sich aber auch nicht so schlimm ist, meint Jana: »Der Umwelt ist es egal, aus welchen Gründen sie geschützt wird. Insofern sind egoistische und altruistische (d.h. selbstlose) Motive erst einmal gleichwertig. Welche Motivation langfristig die nachhaltigere ist, ist eine andere Frage… Wie wir diese Erkenntnisse in Interventionen zur Klimakrise anwenden können, ist der nächste große Schritt, dem ich mich widmen möchte.«

Foto©: Green Chameleon on unsplash.com

Die Entwicklung von Interventionen, also z.B. politischen Maßnahmen zur Förderung von umweltbewusstem Verhalten, ist also ein wichtiges Feld, in dem die Forschungsergebnisse ihren Weg in die Praxis finden. Dieser Anwendungsbezug ist auch Jana wichtig: »Mir ist es wichtig, mit den Erkenntnissen, die wir gewinnen, etwas für die Zukunft eines ›guten Lebens‹ beitragen zu können. Der Gedanke eines Elfenbeinturms gefällt mir nicht. In der Wissenschaft müssen wir jedoch oft kleine Schritte gehen. Interventionen können nur durch eine Vielzahl an aufwändig durchgeführten Studien abgeleitet werden. Ich erhoffe mir bestenfalls, zusammen mit etlichen anderen Wissenschaftler*innen weltweit, eine evidenzbasierte Studiengrundlage zu schaffen, aus welcher Empfehlungen für politische Entscheidungen getroffen werden können. Um Interventionen zu gestalten, welche Menschen anleiten, sozial, ökonomisch und ökologisch nachhaltige Entscheidungen zu treffen, braucht es das Verständnis, wie dieses Verhalten zustande kommt. Hier hat die umweltpsychologische Forschung ihren Platz.«

Die Ergebnisse solcher Studien können dann auch in der Beratung genutzt werden, indem z.B. einzelne Personen, Politik oder Unternehmen über Problematiken aufgeklärt und Optimierungen aufgezeigt werden. Solche Tätigkeiten sind vor allem in Organisationen wie dem Umweltbundesamt gefragt. Des Weiteren können Umweltpsycholog*innen auch an der Optimierung von Produktgestaltung und Mensch-Umwelt-Schnittstellen mitarbeiten.

Einen »typischen« Arbeitstag gibt es in der Forschung allerdings kaum. Dies hängt vor allem mit der Forschung an sich zusammen, da die Arbeit hier vor allem von den nötigen Schritten und nächsten Prozessen im Forschungsablauf abhängt. Der größte Teil der Arbeit ist laut Jana die Recherche: »Man muss sich zuerst so viel Wissen zu einem Thema aneignen, dass man auf Fragen stößt, die man mit bestehender Literatur nicht mehr beantworten kann. Das Gefühl, an einem kritischen Punkt keine Antwort zu finden, ist deshalb durchaus positiv. Die Aufgabe der Wissenschaft ist es schließlich, Wissen zu schaffen. Eine gute Portion Neugier, Wissbegier und Beharrlichkeit ist deshalb wichtig, denke ich.«

Natürlich ähneln sich die Prozesse innerhalb der Forschung, allerdings sind die Anforderungen und die Studien selbst häufig relativ verschieden, da die Forschungsschwerpunkte immer andere sind. Auch nötige Anpassungen und eventuelle Neuerungen müssen immer wieder durchgeführt werden, was die Tätigkeit durchaus abwechslungsreich macht. Hier muss getüftelt, geprüft, ausgewertet, konzipiert und programmiert werden. Und da ist es auch, was Jana Kesenheimer so Spaß macht: »Mir hat die wissenschaftliche Forschung bereits während meiner Studienzeit sehr gefallen. Während sich Kommiliton*innen oft über Abschlussarbeiten beschwerten, hatte ich sehr viel Spaß daran. Statistik und das „Programmieren“ mit R (Anmerkung d. Red.: ein statistisches Programm) bereitet mir Freude. Gepaart mit einer unstillbaren Neugier habe ich gemerkt, dass das ›mein Ding‹ sein muss.«

Foto©: reichdernatur on pixabay.com
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Voraussetzungen und Studienmöglichkeiten

Zugang zur Tätigkeit findet man meist über ein allgemeines Studium der Psychologie, meist über verschiedene Schwerpunktfächer oder Spezialisierungen. Möchte man langfristig an einer Hochschule arbeiten, wird in aller Regel eine Promotion bzw. eine anschließende Habilitation oder ein Lehrauftrag vorausgesetzt. Als Berater*in reicht aber in der Regel auch ein Bachelor- bzw. Masterabschluss, ein Doktortitel kann aber auch hier nicht schaden.

Eine Möglichkeit, sich ganz der Umweltpsychologie zu widmen, ist zum Beispiel der Bachelorstudiengang »Mensch und Umwelt« an der Universität Koblenz-Landau. Auch die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg bietet einen Studiengang in dieser Richtung an. Hier kann man den Master of Science in Psychologie mit Schwerpunkt »Umweltpsychologie/Mensch-Technik-Interaktion« studieren. Auch viele andere Unis im deutschsprachigen Raum bieten Schwerpunktfächer oder vereinzelnd Seminare zum Thema an. Jana Kesenheimer macht ihren Doktor z.B. an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck in Österreich, wo sie im Bachelor u.a. auch Seminare zum Thema »Umweltbewusstsein als Gegenstand der Sozialpsychologie« unterrichtet. Man sollte also vor Studienbeginn prüfen, welche Uni welches Angebot zu bieten hat.

Praktika und eine Abschlussarbeit in diesem Bereich können ebenfalls helfen, den Zugang in die Umweltpsychologie zu schaffen. »Möglichkeiten hierzu werden übrigens oft über den Newsletter der Initiative für Psychologie im Umweltschutz (IPU) publik gemacht«, weiß Jana. »Ein toller Verein für alle Interessierte!«.

Die IPU ist allgemein eine gute Anlaufstellen für alle, die sich für das Thema Umweltpsychologie interessieren, denn hier können Informationen eingeholt und wichtige Kontakte in die Branche geknüpft werden. Gerade als Berater*innen können sich hier interessante Möglichkeiten bieten und ein guter Zugang in ein eventuell etwas neues Gebiet erschlossen werden. Gerade für Absolvent*innen ähnlicher Studienbereiche (z.B. Wirtschaftspsychologie oder Sozialwissenschaften) könnten dies die nötigen Anstöße sein, in der Umweltpsychologie Fuß zu fassen.

Berufsaussichten

Da der Diskurs zum Thema Klimawandel und Nachhaltigkeit immer mehr in das Bewusstsein der breiten Bevölkerung rückt, eröffnen sich im Bereich Umweltpsychologie durchaus gute berufliche Chancen. Sowohl in der Beratung von Parteien, von Unternehmen und Organisationen, als auch in der Forschung an Hochschulen oder Forschungszentren werden neue Erkenntnisse und Forschungsergebnisse benötigt, um wichtige Entscheidungen für die Zukunft unseres Planeten zu treffen. Auch wenn das Angebot der Hochschulen in diesem Bereich sehr schwankt, ist es dennoch wichtig, dass sich viele neue Nachwuchswissenschaftler*innen finden, die sich mit dieser Thematik auseinandersetzen wollen, um sich für eine nachhaltigere Zukunft einzusetzen. »Wir dürfen nicht aufhören, neugierig zu sein, Fragen zu beantworten und neue Fragen zu stellen, um dem Klimadiskurs eine fundierte Grundlage zur Diskussion und praktischen Implikation zu geben« sagt auch Jana Kesenheimer.

Über unsere Expertin Jana Kesenheimer:

Foto©: Tjitte Stolk

Jana arbeitet als Psychologin und Doktorandin in Wissenschaft und Lehre im Bereich der Sozialpsychologie an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck in Österreich. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt im umweltrelevanten Verhalten. Der Frage, wann und warum sich Menschen (nicht) umweltbewusst verhalten, stellt sie sich als Lehrveranstaltungsleiterin auch in einem Seminar im Bachelorstudiengang Psychologie, zusammen mit motivierten Studierenden.

Das ganze Interview mit Jana über ihren Berufsalltag als Umweltpsychologin findest du hier.

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