Welche Idee steckt hinter Greentable?
Matthias Tritsch: Eine Internetplattform, auf der Restaurantgäste und Gastronomen nach regionalen und nachhaltigen Restaurants und Lieferanten suchen können. Oder wie wir es mit unserer Vision beschreiben: »Sich mit ökologisch produzierten oder saisonalen Lebensmitteln aus der Region einzudecken, ist mittlerweile ein Kinderspiel. Aber wie steht es mit dem, was in den Restaurants auf den Tisch kommt?«.
Mit Greentable soll nachhaltiger Genuss auch in der deutschen Gastronomielandschaft Einzug halten. Wir möchten Gastronomen, Erzeuger und Gäste sensibilisieren, informieren und motivieren mitzumachen, durch verantwortungsvolles Handeln die Umwelt auch für nachkommende Generationen lebenswert zu erhalten.
Was hat Sie zur Gründung von Greentable motiviert?
Tritsch: Mein inzwischen neunjähriger Sohn war in einem Naturkindergarten. Gemeinsam mit der Kitaleiterin entstand damals die Idee eines ganzheitlichen, nachhaltigen Kindergartens. Das Thema faszinierte mich und ich verbrachte ein Jahr lang neben meinem Job als Grafiker mit Netzwerkbildung, Recherchen etc. Mir wurde klar, dass wir die Verantwortung dafür tragen, in welcher Welt unsere Kinder aufwachsen. Mit dieser Erkenntnis änderte sich dann auch das Konsumverhalten. Und als "Chef am eigenen Herd" (da weiß ich wenigstens, was auf den Teller kommt ;-) ) rückte das Thema Ernährung automatisch in den Fokus. Bei einem Urlaub im Allgäu vor zwei Jahren war ich total begeistert, dass auf fast jeder Speisekarte steht, wo die Lebensmittel herkommen. Bei den anschließenden Recherchen fand ich nur regionale Initiativen und Label für Teilbereiche, wie z.B. Bio. In anderen Ländern wie Großbritannien, Schweiz oder den USA schon jahrelang etabliert, ist Nachhaltigkeit in der deutschen Gastronomie noch eine Nische. Um das zu ändern, entstand Greentable – der Wegweiser zum nachhaltigen Genuss.
Welche Kriterien müssen gastronomische Betriebe erfüllen, um auf Ihrer Plattform aufgenommen zu werden? Wird die tatsächliche Erfüllung dieser Kriterien auch vor Ort überprüft?
Tritsch: Unser Kriterienkatalog basiert auf 14 Handlungsfeldern in den Bereichen Beschaffung, Umwelt und Gesellschaft. Die Anforderungen haben wir gemeinsam mit unserem Beirat entwickelt, zu dem unter anderem der WWF, das Institut für nachhaltige Ernährung (iSuN) der FH Münster, Ernährungsexperten und Gastronomen gehören. Wichtig war uns, etwas Praktikables und Verständliches zu entwickeln. Etwas, das Gastronomen nicht vor unlösbare Aufgaben stellt, aber dennoch qualifizierbar ist. Wer seinen Betrieb kennt, braucht nicht mehr als ein oder zwei Stunden Zeit zum Ausfüllen. Insgesamt sind 50 Fragen zu beantworten, von denen 12 das sogenannte Nachhaltigkeitsprofil bilden. Dieses wird auch veröffentlicht. So kann der Gast gleich sehen, ob das Restaurant beispielsweise mindestens drei vegetarische Hauptgerichte oder kleine Portionen anbietet. Dabei sind Glaubwürdigkeit und Transparenz natürlich das A und O einer Auszeichnung. Wir wollen kein beliebiges Green-Labeling, sondern etwas Vertrauenswürdiges, auf das der Gast sich verlassen kann. Das Modell einer Erstinspektion mit jährlichen Audits, wie z.B. bei Qualitätsmanagement-Systemen, ist gerade für kleine Gastronomen nicht finanzierbar und vom Zeitaufwand nicht zu schaffen.
Anfänglich haben wir auf eine unterschriebene Selbsterklärung und Gästefeedbacks gesetzt. Das reicht aber heutzutage nicht, um die Glaubwürdigkeit beim Verbraucher zu erreichen. Die Herausforderung war also, einen transparenten und glaubwürdigen Prüfmechanismus zu finden, der für Gastronomen auch wirtschaftlich darstellbar ist. Unser Modell sieht vier Prüfmechanismen vor: 1) Die Selbsterklärung der gemachten Angaben inkl. etwaiger Nachweise (z.B. Bio-Zertifikat), 2) die Stichproben-Überprüfung der genannten Lieferanten, 3) die Gäste, die anhand des veröffentlichten Nachhaltigkeitsprofils die Angaben prüfen können und 4) ab 2017 ein risikobasiertes Stichproben-Monitoring durch ein unabhängiges Prüfunternehmen.
Wie viele Restaurants sind bereits auf Greentable verzeichnet? Gibt es Regionen in Deutschland mit einer besonders hohen Dichte an nachhaltigen Restaurants?
Tritsch: Aktuell haben wir 46 Mitglieder an 58 Standorten. Das ist natürlich noch nicht viel. Wir schätzen das Potential auf gut 1.000 Restaurants in Deutschland, die unsere Kriterien sofort erfüllen würden. Besonders im Raum Berlin und in Bayern gibt besonders viele Betriebe, die Wert auf Regionalität, Tierwohl, Umwelt etc. legen. Es gilt nun, diese Betriebe zu finden und für Greentable zu begeistern bzw. von diesen Betrieben gefunden zu werden.
Kann ich als Nutzer von Greentable auch Restaurants für eine Listung auf der Plattform vorschlagen?
Tritsch: Derzeit nicht, aber das wäre sicher auch eine gute Möglichkeit, die "passenden" Restaurants zu finden. Wir werden eine entsprechende Empfehlfunktion auf unserer Webseite prüfen.
Wie setzt sich Ihr Team zusammen? Haben die Gründer selbst einen gastronomischen Hintergrund?
Tritsch: Zu unserem Team gehören, neben den beiden Gründern Marcus Ramster und mir, eine studentische Aushilfe aus dem Bereich Nachhaltigkeitsmanagement und ein Redaktionsbüro in Berlin, welches sich um Presse und unser Magazin kümmert. Ich selbst komme aus dem Marketing und bin seit gut 10 Jahren als freiberuflicher Grafiker selbständig, habe aber seit Jahren das Thema Nachhaltigkeit im Fokus. Mein Geschäftspartner Marcus Ramster ist gelernter Koch und betreibt seit fast 20 Jahren ein eigenes Hotel-Restaurant.
Deutschland gilt als »das Land der Discounter« – Lebensmittel sollen möglichst preisgünstig sein, die Herkunft der Ware spielt dabei kaum eine Rolle. Ist aus Ihrer Sicht in der Gesellschaft ein Umdenken zu spüren – sind die Verbraucher in dieser Hinsicht kritischer geworden?
Tritsch: Glaubt man den aktuellen Studien und Umfragen, ernähren sich schon rund 70% der Verbraucher regional und nachhaltig. Aber so, wie niemand die große Zeitung mit den 4 Buchstaben liest, verhält es sich dann beim täglichen Einkauf: Schnell sind die guten Vorsätze über Bord geschmissen. Es gibt halt zu viele Dinge, die es dem "guten" gesunden Essen schwer machen, in der gesamten Bevölkerung auf den Teller zu kommen: Zu billiges Fleisch, Fertiggerichte statt selber Kochen (die Zeit sollte man sich nehmen, macht auch Spaß und schmeckt besser), kaum noch Wertschätzung für Lebensmittel durch billige Preise und Überangebot.
Hat Ihrer Meinung nach die Verwendung von nachhaltig produzierten Lebensmitteln Einfluss auf deren Qualität? Damit ist beispielsweise Fleisch aus artgerechter Tierhaltung oder nach regionalen und saisonalen Kriterien erzeugtes Obst und Gemüse gemeint.
Tritsch: Jeder, der schon einmal ein "gutes" Stück Fleisch aus Weidehaltung in die Pfanne gelegt hat, erkennt den Unterschied zu konventioneller Ware. Da schrumpft nicht viel zusammen und der Geschmack ist einfach besser. Regionales und saisonales Obst und Gemüse schonen nicht nur die Umwelt durch geringere Transportkosten und fördern die lokale Wirtschaft, sondern schmecken auch meistens besser. Bestes Beispiel sind ja Erdbeeren: Welche schmecken leckerer – die im Winter aus Südeuropa oder die im Sommer aus der Region?
Sind Bio-Restaurants nicht sehr teuer?
Tritsch: Bio-Lebensmittel sind in der Regel teurer als konventionell erzeugte Lebensmittel, da der Aufwand ihrer Erzeugung, Verarbeitung und Verteilung größer ist. Vergleicht man aber die Preise von Bio-Lebensmitteln mit den Preisen von konventionellen Premium-Marken, dann sind die Unterschiede gar nicht mehr so groß. Für Bio-Restaurants sind aber nicht nur die höheren Warenkosten relevant, sondern auch die jährlichen vorgeschriebenen Zertifizierungen und die separate Lagerpflicht. Daher gibt es auch nicht so viele Bio-Restaurants. Wobei wir auch immer sagen, dass man auch ohne Bio-Zertifizierung und nahezu kostenneutral nachhaltig wirtschaften kann.
Wie können Restaurantbesucher für einen nachhaltigen Genuss sensibilisiert werden?
Tritsch: Beim Einkaufen im Supermarkt funktioniert die Sensibilisierung schon recht gut. Hier gibt es immer öfter Hinweise zum nachhaltigen Sortiment, zu Produkten oder zur Nachhaltigkeit des Unternehmens. Das funktioniert durch ein entsprechendes Marketing-Budget. In der Gastronomie gibt es leider nur kleine Initiativen, die wie Greentable ohne großes Budget arbeiten müssen. Es gibt ja auch schon etliche Gastronomen, die viel in puncto Regionalität und Nachhaltigkeit unternehmen. Häufig wird es dem Gast aber nicht erzählt. Genau hier setzt Greentable ja an, durch eine Plattform das Thema Nachhaltigkeit in die Breite zu tragen.
Wie können Lebensmittelerzeuger und Gastronomen zusammen arbeiten, um das Bewusstsein der Verbraucher für nachhaltige Lebensmittel zu fördern?
Tritsch: Indem Gastronomen und Zulieferer das Potential von nachhaltigem Wirtschaften erkennen und sich Greentable anschließen, um ihr Engagement transparent und glaubwürdig zu kommunizieren und – organisiert in einem ambitionierten Netzwerk – die deutsche Gastronomielandschaft ein Stück weit "grüner" machen. Gemeinsam kann man einfach mehr erreichen.
Seit Kurzem listet Greentable auch nachhaltige Händler für gastronomische Betriebe. Wie wurde das Angebot bis jetzt angenommen?
Tritsch: Leider bisher nicht so gut wie erwartet. Viele nachhaltige Produzenten scheinen den Sinn einer Vernetzung nicht zu sehen. Wir finden das sehr schade, aber wir bleiben am Ball...
Wie finanziert sich Ihr Unternehmen bzw. was ist der Plan, um langfristig zu bestehen?
Tritsch: Wir finanzieren uns durch Mitgliedsbeiträge und durch Sponsoren. Es laufen auch Förderanträge bei einigen Bundesprogrammen und Stiftungen, aber das ist immer zeitaufwändig. Einige Anträge sind auch schon abgelehnt worden, da unser Projekt nicht in die aktuellen Leitlinien passt. Man sieht leider immer wieder, dass "grüne" Unternehmen es nicht einfach haben. Da wir nicht wirtschaftsorientiert arbeiten, sind Investoren und Banken auch keine Option. Langfristig benötigen wir mind. 200 Mitglieder, um tragfähig zu sein. Es gibt also noch einiges zu tun...
Was hat es mit der Beste-Reste-Box auf sich?
Tritsch: In Restaurants, Großküchen und dem Eventcatering wird viel zu viel weggeworfen. Pro Gast sind es rund 23,6kg Lebensmittel im Jahr. Wir, Greentable und die Initiative Zu gut für die Tonne! des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), machen uns gegen diese Verschwendung stark: mit der Aktion Restlos genießen. Wir möchten Gastronomen animieren, ihren Gästen das Einpacken der nicht verzehrten Speisen aktiv anzubieten – für den zweiten Hunger zu Hause. Über 200 Restaurants bundesweit verteilen dazu bereits seit dem Aktionsstart im März 2015 die nachhaltigen Beste-Reste-Boxen. Gastronomen, Kantinen und Caterer, die die Beste-Reste-Box anbieten und mit den Aktionsmaterialien darauf hinweisen, können sich kostenlos auf der Aktionskarte auf restlos-geniessen.de eintragen.
Als Social Business möchte sich Greentable über den Geschäftsbetrieb hinaus aktiv für einen nachhaltigen Wandel engagieren. Wie genau sieht dieses Engagement aus? Sind bereits konkrete Projekte geplant?
Tritsch: Unser Hauptprojekt ist die Beste-Reste-Box die wir als Gemeinschaftsaktion mit der Initiative Zu gut für die Tonne! des BMEL realisieren. Die gesamte Projektarbeit machen wir ehrenamtlich und verdienen nichts an den Boxen. Wir haben natürlich auch Ideen für weitere Projekte. Hier stehen Themen wie Klimabilanz und Leitungswasser auf der Agenda.
Über Greentable:
Greentable ist die erste deutsche Plattform für nachhaltige Gastronomieangebote und stellt in seinem "grünen" Online-Restaurantführer Gastronomiebetriebe und Lieferanten vor, deren Prinzipien den unabhängig entwickelten Kriterien von bewusster Ernährung, nachhaltigem Einkauf, Umweltschutz und sozialem Engagement entsprechen. Die Plattform wurde Anfang 2015 von den Mitinitiatoren der vielbeachteten "Restlos genießen-Aktion" ins Leben gerufen und bereits zweimal vom Deutschen Nachhaltigkeitsrat ausgezeichnet.
Mehr Informationen unter greentable.de sowie auf Facebook.