Dieser Gastartikel wurde verfasst von Saskia Vocke von Jobleben Consulting.
Irgendwann kommt es dann zum »Burnout Crash« und die erschöpfte Person merkt, dass nichts oder nicht mehr viel geht. Ein Burnout verändert alles: Sowohl das Privat- als auch das Berufsleben. In den meisten Fällen äußern von Burnout genesene Menschen den Wunsch nach einer beruflichen Veränderung, die es ihnen ermöglicht, sich vom immer weiterdrehenden Hamsterrad zu verabschieden und Erfüllung und Zufriedenheit im Jobleben zu finden. Welche bedeutende Rolle Nachhaltigkeit dabei spielt, erfährst du in diesem Gastartikel.
Burnout und Berufliche Neuorientierung: Meine Erfahrungen aus der Berufspraxis
Jede:r weiß, was der Begriff Burnout bedeutet, obwohl ich ihn in der Praxis nicht wirklich gern anwende. Denn er ist mir zu schwammig und wenig konkret. Dies liegt auch daran, dass ein »Burnout« nach wie vor keine eigenständige Diagnose darstellt. Krankschreibende Ärzt:innen benutzen verschiedene Diagnoseschlüssel wie zum Beispiel »depressive Episode« oder »Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung«, um einen chronisch erschöpften Menschen krank zu schreiben. Aber einigen wir uns darauf, dass ein Burnout eine ausgeprägte Erschöpfung bezeichnet, die dazu führt, dass der private und berufliche Alltag kaum mehr bewältigt werden kann. Die begleitenden körperlichen Symptome können so stark sein, dass viele Menschen erstmal denken, sie hätten eine schlimme körperliche Erkrankung.
Häufige Beschwerden sind massive Schlafstörungen über einen längeren Zeitraum, Herz- Kreislaufbeschwerden bis hin zu Panikattacken, Angst- und Unruhezustände, Magen-Darm-Probleme, Migräne, aber auch eine verminderte Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit, permanente Gereiztheit, fehlender Antrieb und sozialer Rückzug.
Meine Kund:innen kommen zu mir, bevor sie merken, dass bald nichts mehr geht oder nach einer meist mehrmonatigen therapeutischen Behandlung und erfolgter Genesung. Nahezu alle äußern im Erstgespräch, dass sie in ihrem aktuellen Job keinen Sinn (mehr) sehen und keine Wertschätzung erfahren. Viele haben ihren Beruf aus Vernunftgründen gewählt, weil alte Glaubenssätze dominierten, die ihnen vorgaukelten, dass der Job »solide“, »seriös«, »gut bezahlt« und »sicher« sein muss. Vielleicht kennst du diese Gedanken auch? Gegen »gut bezahlt« und »sicher« lässt sich natürlich nichts einwenden. Aber warum kann »gut bezahlt« und »sicher« nicht neben »sinnerfüllend« und »abwechslungsreich« stehen?
So traurig die Datenlage zu Burnout-Erkrankungen derzeit ist, so positiv sind aktuell die Chancen für eine erfolgreiche berufliche Neuorientierung. Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt war und ist immer noch stark im Wandel. Ich bewerte diese Entwicklung für Arbeitnehmede durchaus positiv. Es herrscht ein Bewerbermarkt, was bedeutet, dass es mehr Stellen als Bewerber:innen gibt. Viele Unternehmen zeigen sich offener bei der Personalauswahl und verabschieden sich von sehr engmaschigen Anforderungsprofilen. Das Employer Branding steht mehr und mehr im Fokus. Firmen wollen sich maximal attraktiv für mögliche Jobinteressenten aufstellen. Es wurden noch nie so viele Quereinsteiger:innen über sämtliche Branchen und Positionen hinweg gesucht und eingestellt wie aktuell.
Auch meine Kund:innen haben Stellen gefunden, die weit mehr ihren Stärken und Werten entsprechen, obwohl sie nicht alle Anforderungskriterien erfüllt haben. Welche Rolle spielt jedoch Nachhaltigkeit bei der beruflichen Neuorientierung?
Nachhaltigkeit als Kompass bei der beruflichen Neuorientierung
Um nicht wieder oder gar nicht erst an einem Burnout zu erkranken, ist es fundamental, Nachhaltigkeitsaspekten bei der beruflichen Neuorientierung einen hohen Stellenwert einzuräumen. Aber was bedeutet das für dich und deine Jobsuche? Fokussiere dich bei der beruflichen Neuorientierung auf die folgenden drei Aspekte und sehe das Thema »Nachhaltigkeit« als ein Kompass, der dich hin zu einem besseren und gesünderen Berufsleben führt.
Jobinhalt und Branche: Werde dir deiner Stärken, Werte und Interessen bewusst
Vielleicht hast du schon einmal vom Konzept des »Aufblühens« (engl. flourishing) und von Martin Seligman gehört? Professor Martin Seligman ist einer der weltweit führenden Forscher im Bereich der Positiven Psychologie. Seine Hauptaussage ist, dass du das, was du beruflich jeden Tag tust, mit Herzblut machst und dass du hierbei deine Stärken einbringst und deine persönlichen Interessen ausleben kannst.
Führe also eine Standortanalyse durch: Inwiefern entspricht dein aktueller Job inhaltlich deinen Stärken und Interessen? Worin bist du richtig gut und was machst du sehr gern? Welche beruflichen Wünsche hast du? Kannst du deine Stärken einbringen und interessiert dich der Aufgabenbereich, dann erlebst du deine Tätigkeit automatisch als »sinnstiftend« und du stehst mit einem positiven Gefühl morgens aus dem Bett auf.
Viele meiner beruflich unglücklichen Kund:innen arbeiten in einer Branche, die sie gar nicht interessiert und mit der sie sich nicht identifizieren können. Sind zumindest die Tätigkeiten abwechslungsreich, geht dieses Zusammenspiel eine ganze Zeit gut. Aber häufig ist es so, dass nach einigen Jahren die Frage aufkommt: »Was mache ich hier eigentlich?« Es ist viel einfacher, im Beruf nachhaltig zufrieden zu sein, wenn auch die Branche, in der man arbeitet, mit den persönlichen Werten und Interessen übereinstimmt. Einige meiner Kund:innen entscheiden sich bewusst für eine Position in der Nachhaltigkeitsbranche und für eine Tätigkeit in einem gemeinnützigen Umfeld, weil sie auf diese Weise nicht nur ihre persönlichen Interessen und Vorlieben erfüllen, sondern auch ein höheres Ziel erreichen: Das Gemeinwohl, die Wirtschaft oder Umwelt nachhaltig ein kleines Stück besser zu machen.
Employer Branding: Suche dir einen Arbeitgeber mit Wohlfühlfaktor
Nach einer Burnout-Erkrankung ist es essentiell, einen Arbeitgeber zu finden, der nicht nur fachlich, sondern vor allem auch emotional zu dir passt. Employer Branding spielt hier eine entscheidende Rolle. Dabei geht es darum, einen Arbeitgeber mit einem spürbaren Wohlfühlfaktor auszuwählen. Die Gesundheit steht an erster Stelle, denn ohne Gesundheit ist alles nichts. Daher ist es wichtig, in einem Umfeld zu arbeiten, das Verständnis, Unterstützung und eine positive Arbeitsatmosphäre bietet.
Viele Unternehmen investieren fleißig in ein attraktives Employer Branding. Sie stellen sich sozial nachhaltig auf, betonen die Einstellung einer diversen Belegschaft, bieten viele Extras und Programme, die zum Ziel haben, die mentale Gesundheit zu bewahren und den Mitarbeitenden an das Unternehmen zu binden.
Bist du zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, versuche herauszufinden, wie viel vom propagierten Employer Branding auch im Unternehmen wirklich gelebt wird. Entscheidend für das psychische Wohlergehen im Job ist nicht so sehr das Angebot von Anti-Stress-Webinaren, das E-Bike zur sportlichen Betätigung, sondern das Mikromanagement am konkreten Arbeitsplatz. Mikromanagement meint die Interaktion zwischen den einzelnen Teammitgliedern und den Vorgesetzten, also das direkte Arbeitsumfeld. Welche Gesprächs- und Vertrauenskultur und welcher Spirit herrschen dort vor? Werden Kollegialität, Teamfähigkeit, Offenheit und ein Miteinander auf Augenhöhe auch wirklich gelebt? Ich empfehle dir daher immer vor Vertragsunterzeichnung ein paar Probestunden an deinem zukünftigen Arbeitsplatz »einzufordern« oder zumindest eine kurze Führung »durch die Abteilung« zu verlangen, falls es nicht direkt angeboten wird. Erkläre deinem potentiell zukünftigen Chef, dass dir eine wertschätzende und kollegiale Arbeitsumgebung sehr wichtig sind und du neugierig bist, den Arbeitsplatz kurz vorab kennenzulernen. Wenn du ihn wirklich überzeugt hast, dann wird er dir diesen Wunsch nicht abschlagen, sondern sich freuen, dass dein Interesse an einer zukünftigen Mitarbeit so groß ist.
Selbstfürsorge: Sorge für dich selbst und zwar nachhaltig
Meine Burnout Kund:innen haben das Thema »Selbstfürsorge« stark vernachlässigt. Dabei ist Selbstfürsorge mehr als nur ein vorübergehender Luxus. Auf die Bedürfnisse des eigenen Körpers und Geistes zu hören, ist die beste und sinnvollste nachhaltige Investition, die du machen kannst. Nimm dir daher bewusst Zeit für dich, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben. Selbstfürsorge ist umso wichtiger in Zeiten, die mit Veränderungen wie zum Beispiel einem beruflichen Wechsel einhergehen.
Beginne mit kleinen Schritten, sei es durch kurze Atemübungen am Morgen oder einem Spaziergang in der Natur. Achte auf ausreichend Schlaf und ernähre dich mit gesunden Lebensmitteln. Plane bewusst Ruhepausen ein oder Auszeit-Tage/-Abende nur für dich allein, um neue Energie zu tanken. Selbstfürsorge bedeutet auch, Grenzen zu setzen und »Nein« zu sagen, wenn es notwendig ist. Indem du gut für dich selbst sorgst, stärkst du nicht nur deine eigene Widerstandsfähigkeit nachhaltig, sondern auch die Fähigkeit, für andere da zu sein. Selbstfürsorge ist die Voraussetzung für ein erfülltes und gesundes (Berufs-)Leben.
Schließt du bei deiner beruflichen Neuorientierung Nachhaltigkeit im Sinne eines sinnstiftenden Arbeitsinhaltes, eines Wunscharbeitgebers mit starkem gelebten Employer Branding und einer nachhaltigen Selbstfürsorge mit ein, begibst du dich auf dem besten Weg hin zu einem gesunden und glücklichen Berufsleben.
Saskia Vocke ist Karriereexpertin mit mehr als 15 Jahren Berufserfahrung in den Bereichen Human Resources, Recruiting und Karriereberatung. Sie ist zudem zertifizierte Burnout Beraterin und Fachberaterin für Hochsensibilität. 2019 gründete Saskia Vocke ihr Unternehmen Jobleben Consulting und berät Menschen dabei, ihr Berufsleben und ihre mentale Gesundheit in Einklang zu bringen. Ihr Schwerpunkt liegt dabei auf der beruflichen Neuorientierung bei Stress oder (nach) Burnout und auf dem Bewerbungs- und Selbstvermarktungscoaching vor dem Hintergrund von New Work – online & ortsunabhängig oder live in Schwelm (NRW).
Auf ihrer Website kannst du dich zu einem kostenlosen unverbindlichen Kennenlerngespräch anmelden oder dich in ihrem Blog über ihre Themenschwerpunkte berufliche Neuorientierung wegen Stress und Burnout, mentale Gesundheit im Job und Hochsensibilität im Job informieren.
Quellen:
Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund von Burnout-Erkrankungen: Radtke, Rainer (2024)
Seligmann, Martin E.P. (2012): Flourish - Wie Menschen aufblühen: Die Positive Psychologie des gelingenden Lebens