Entwicklungshilfe: »Das was realistisch möglich ist hier vor Ort, das ist so unser Job«

Ladislav Ceki hat über 40 Jahre Erfahrung in der Entwicklungszusammenarbeit mit Blick auf die Internationale Politik. Als Geschäftsführer des "Eine Welt Forums Düsseldorf e.V." betreut er zahlreiche Projekte und Initiativen, die sich auch international engagieren. Er hat dazu beigetragen Themen der Entwicklungspolitik in der Landeshauptstadt zu etablieren und weiß aus langer Erfahrung, wie man Mensch für eine Sache gewinnt. Im Gespräch mit ihm erfährt man, wie sich die Eine-Welt-Arbeit verändert hat und Ehrenamtliche und Initiativen sich vernetzen können.
von Regina Rohland, 14. Dezember 2016 um 07:32

Foto: © privat - Ceki mit Weltkugel von Jacques Tilly

Man trifft Ladislav Ceki häufig in seinem Büro des Eine Welt Forums Düsseldorf e.V. am Rande der Düsseldorfer Altstadt. Als Geschäftsführer koordiniert und organisiert er mit Akteuren zusammen Veranstaltungen, die kulturellen Austausch fördern und auf Fragen der Internationalen Politik sowie Probleme in ärmeren Ländern aufmerksam machen. Er hält sozusagen das Netz aus über 180 Initiativen und Kooperationspartnern in Düsseldorf und Kreis Mettmann zusammen, die sich in der Eine-Welt-Arbeit engagieren.

Eine-Welt-Arbeit von Anfang an

Der Begriff Eine Welt  hat seinen Ursprung in der Entwicklungshilfe und steht für ein neues Verständnis der Entwicklungszusammenarbeit. Gemeinsam mit den Menschen in den weniger entwickelten Ländern sollen Lösungen für drängende Probleme gefunden werden, um so auch Ungleichheiten zwischen armen und reichen Ländern entgegenzutreten. Eine-Welt-Arbeit ist heute auch fester Gegenstand der Entwicklungspolitik.

Als Ceki in den 1970er Jahren mit seinem Eintritt in die SPD selbst politisch aktiv wurde, war das noch nicht so. Er erinnert sich, »Das hat nicht lange gedauert, dann habe ich gesehen, hier fehlt was. Internationale Politik!«. 1977 gründete er daher den Arbeitskreis für Internationale Politik  in der SPD Düsseldorf. Neben dem Beruf engagierte er sich zugleich ehrenamtlich für Entwicklungszusammenarbeit, um das Thema direkt in der Gesellschaft zu kommunizieren.

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Entwicklungszusammenarbeit neu gedacht

In den Anfängen lag der Schwerpunkt der Entwicklungszusammenarbeit auf den Ländern Südamerikas. Auch eine der erste Veranstaltungen die Ceki mitorganisierte, waren die Lateinamerika-Tage 1984 in Düsseldorf. Das Konzept der Veranstaltung hält sich bis heute und wird als die Eine-Welt-Tage jährlich vom Eine Welt Forum Düsseldorf zusammen mit ca. 50 Veranstaltern und über 200 Veranstaltungen auf die Beine gestellt. Daran wie die Eine-Welt-Tage gewachsen sind, zeigt sich, wie sich die Entwicklungszusammenarbeit selbst verändert hat.

Foto: © Rebekka Schalley

Die Organisationen seien heute breiter aufgestellt und in mehr Ländern tätig, wie Ceki festhält, »man hat mittlerweile eine unglaubliche Szene - auch in den anderen Kontinenten - von NGOs die sich vor Ort auskennen.«. Die deutschen Initiativen arbeiten inzwischen, ganz im Sinne des neuen Verständnisses der Entwicklungszusammenarbeit, verstärkt mit einheimischen Partnern zusammen. Zum Beispiel haben in Deutschland ansässige Initiativen früher Material, wie Medikamente, von hier aus verschickt, »Das machen wir heute alle nicht mehr. Das was man unten braucht, das kriegt man auch unten.«. Von hier aus würden in erster Linie finanzielle Mittel in die Länder gebracht, eingenommen durch Kooperationen und Spenden.

Natürlich spiele auch Geld eine wesentliche Rolle für das wachsende Engagement. Früher erhielten die Organisationen kaum oder gar keine finanziellen Zuschüsse vom Staat, »Jetzt gibt es mittlerweile über 10 Beschlüsse der Ministerpräsidenten der Bundesländer, der Innenminister der Länder, die ausdrücklich festschreiben, dass diese Eine-Welt-Arbeit zu den Aufgaben gehören kann.«. Dadurch ist eine Mitfinanzierung über Land und Bund per Antragstellung möglich geworden.

Hier eckt auch ein Vorurteil der Bevölkerung gegenüber Entwicklungshilfe-Programmen an: Zu viel Geld würde in die Verwaltung statt in die Realisierung der Projekte fließen. Ceki sagt selbst, »Das hat schon eine gewisse Berechtigung. Das sind ja Steuergelder die wir bekommen und andere Netzwerke oder Initiativen im Kulturbereich oder im Sozialen usw.. Da wird auch aufgepasst und nachgeguckt, was passiert denn damit, wofür wird es ausgegeben.«. Für die Organisationen heiße das wiederum mehr Verwaltungsarbeit, »das geht schon mal so, dass man das Gefühl hat, man macht gar keine Eine-Welt-Arbeit, sondern Verwaltung. Und das ist nicht im ursprünglichen Sinne. Auf der anderen Seite, wenn man es lässt, bleibt man auch da wo man vor 20, 30 Jahren war.«.

Blick über den Grenzzaun

Sich verändert habe die Entwicklungszusammenarbeit besonders durch die Bürger. Die Gesellschaft sei sensibler für Themen der Entwicklungspolitik geworden, »Ich glaube das liegt natürlich auch an den Medien. Heute kriegen sie Katastrophen in den Nachrichten um acht Uhr präsentiert.«.

Auch Cekis eigenes Interesse an der Internationalen Politik sei unter anderem durch die mediale Wirkung während des Vietnam-Kriegs geweckt worden, »Das war das erste Mal, dass ich im Fernsehen sehen konnte, wie die Napalm-Bomben und Agent Orange, die Entlaubungsbomben, über Vietnam abgeworfen wurden.«. Durch die 68er-Bewegung wurde das Vorgehen der Vereinigten Staaten in Vietnam massiv öffentlich kritisierte, »Da kamen dann viele Fragen auf.«. So wurde Internationale Politik in der Gesellschaft bewusster wahrgenommen.

Es sei aber auch das viele Reisen, das den Blick der Bevölkerung in die Welt verändert hat, »und manche kommen zurück und sagen, „nee, das mit dem Schönen war klasse, aber das andere habe ich auch gesehen. Das kann ich jetzt nicht einfach durchlaufen lassen” und gründen dann eine Initiative mit Freunden oder mit Arbeitskolleg*innen und so entsteht ein Pflänzchen, das dann wachsen kann.«.

Die eigene Initiative oder selbst ins Ausland?

Wer selbst ein solches Pflänzchen zum Wachsen bringen will, findet in Ceki den richtigen Ansprechpartner. An ihn kann sich jeder aus Düsseldorf und dem Kreis Mettmann wenden, der sich ehrenamtlich engagieren möchte, eine eigene Initiative leitet oder direkt ein Projekt umsetzen will, »Ich berate die Initiativen, denn die haben ja auch Job und Familie in der Regel.«. Für diese ist das Eine Welt Forum Düsseldorf  zu einer zentralen Anlaufstelle  geworden. Zu Ceki kommen Akteure, wenn sie eine Veranstaltung machen wollen, mit Fragen wie, »Wo finde ich einen Raum? Wo ist das günstig? Wo können wir unsere Projekte vorstellen, die wir in Afrika, Südamerika oder Asien mit den Partnern dort betreuen?«.

Schon während er sich ehrenamtlich für die Eine-Welt-Arbeit engagiert erwuchs ein eigenes Netzwerk aus Initiativen. Zusammen mit anderen Interessenten gründete Ceki 1991 das Eine Welt Forum Düsseldorf. Der Posten der Geschäftsführung ging unter Abstimmung an ihn und ist seit 1991 eine hauptamtliche Stelle, mitfinanziert über die Kommune, »NRW war das erste Bundesland, heute gibt es in allen Bundesländern ähnliche Modelle mit Hauptamtlichen, damals waren wir lange, lange Jahre die Ersten.«. Seit sich Ceki hauptberuflich der Eine-Welt-Arbeit widmen kann, lässt er die politischen Ämter allerdings ruhen.

Auf der Webseite des Eine Welt Forums Düsseldorf sind alle Initiativen und Kooperationspartner aufgelistet. Wer sich noch nicht mit dem Thema beschäftigt hat, »dem würde ich empfehlen zu mir zu kommen und ich kann dann auch im Gespräch herausfinden, welcher Kontinent, welches Land - vielleicht war man auch schon mal irgendwo und hat einen besonderen Bezug dazu.«. So erhalten Interessierte ein klares Bild, ob die jeweilige Region tatsächlich in Frage kommt. Zudem kann von der Koordinationsstelle aus ein direkter Kontakt zur passenden Initiative vermittelt werden. Egal ob man sich lokal einbringen oder im Ausland aktiv werden möchte.

Das Eine Welt Forum Düsseldorf e.V. gehört seinerseits zum Eine Welt Netz NRW, das Regionalstellen in 15 Städten Nordrhein-Westfalens zählt. Solche Koordinationsstellen sind in allen Bundesländern eingerichtet und in den meisten Städten findet man direkte Anlaufpunkte für Entwicklungszusammenarbeit. Durch das weit ausgebaute Netz haben Akteure, Initiativen und Interessenten die Möglichkeit sich auszutauschen und zusammen Projekte zu erarbeiten.

Bunte Projekte der Entwicklungszusammenarbeit

Gerade die vielen jungen Menschen, die sich immer mehr engagieren, würden auch immer neue, kreative Ideen einbringen. Die Vielfalt der Projekte fasst Ceki zusammen, »Das sind Straßenkinderprojekte, Bildungsprojekte, Frauenhäuser, Gemüseanbau, Projekte im medizinischen Bereich u.v.m. Bis hin zu Koch-Projekten: Hier werden die Kochkünste Ghanas gezeigt und die Erlöse werden dann in den Ackerbau dort investiert. Sehr schön, wie phantasievoll die Dinge sich entwickeln.«.

Foto: © Open Globe - Junges Engagement im Eine Welt Netz NRW

Derzeit läuft die Kampagne Weltbaustellen NRW - UrbanArt Kampagne zu den nachhaltigen Entwicklungszielen, initiiert vom Eine Welt Netz NRW. Internationale Künstler machen mit ihren Wandgemälden die Sustainable Development Goals (SDGs) zum Diskussionsthema in NRWs Städten. Erwachsen aus der 2030 Agenda der Vereinten Nationen, fördern die SDGs u.a. umweltfreundliche Entwicklungen und den Kampf gegen Armut. (NachhaltigeJobs berichtete dazu: UNO-Nachhaltigkeitsforum: Deutschland stellt sich auf)

Auch würden zurzeit viele Initiativen ihren Blick auf die Kriege in Syrien richten, »In der Hoffnung, dass irgendwann der Krieg aufhört, was passiert dann? Dann muss aufgebaut werden, d.h. dann müssen handwerkliche Berufe her und jetzt die Ausbildung.«. Damit die Menschen dann das Land wieder aufbauen können, wird viel Engagement in Bildungsarbeit und Ausbildungsprojekte gesteckt.

Das eigene Netzwerk: Das A und O für junge Initiativen

Cekis Arbeit als Geschäftsführer und Koordinator findet nicht allein am Schreibtisch statt. Es sei wichtig, auf die Menschen zuzugehen, sie an Themen heranzuführen, mit den Problemen in den Entwicklungsländern und Krisengebieten und der Arbeit der Initiativen vertraut zu machen. Um neue Kooperationspartner und Interessenten zu gewinnen trifft man Ceki auf vielen Veranstaltungen. Für die Förderung sei es, »Unbedingt erforderlich, dass man politisch interessiert ist, auch lokal so viel wie möglich mitbekommt, auch hingeht zu Veranstaltungen wo es nicht um Eine Welt geht.«. Ceki rät mit einem Augenzwinkern, dabei immer diplomatisch und freundlich zu sein, um Menschen für ein Projekt zu gewinnen.

Denn zu den wichtigsten Aufgaben in der Eine-Welt-Arbeit gehört das Vernetzen. Und da gibt es viele Möglichkeiten, wen man ansprechen kann. Ceki erinnert sich, wie er sein Netzwerk von Initiativen in der Stadt bekannt machen wollte, »Da bin ich losgezogen und habe alles was mir in die Quere kam angesprochen, vom Schauspielhaus Düsseldorf, Kirchen, Schulen, Filmkunstkinos, also alles wo auch Menschen hingehen, die aber nicht unbedingt Eine-Welt-Arbeit machen. Sondern vielleicht neugierig werden.«.

Selbst motiviert geblieben ist er eben durch den ständigen Wandel der Eine-Welt-Arbeit, »Das ist für Außenstehende schwer nachvollziehbar, einfach weil sie es nicht kennen, es ist kein Jahr wie das andere. Und in jedem Jahr passiert was Neues und in jedem Jahr gibt es einen neuen Schwerpunkt, sowie immer neue Kooperationspartner und das nach über 30 Jahren. Das ist das eine und dadurch die Wahrnehmung auch erhöhen kann für die Arbeit insgesamt.«

Entwicklungszusammenarbeit bewegt

Es sind die kleinen und größeren Dinge, die sich seit den Anfängen der Entwicklungszusammenarbeit bewegt haben. Zum einen das wachsende Verständnis innerhalb der Industrienationen für die Kultur und die Probleme der Menschen in anderen Länder. Ein Verständnis das eben diesen Bevölkerungen zu Gute kommt, nicht nur in Form von Sachleistungen, sondern auch durch langfristige Projekte wie die Bildungsarbeit, Konflikt-Prävention oder psychologische Betreuung von geflüchteten Menschen.

Fragt man Ceki, was sich durch die Entwicklungspolitik in den Dritte-Welt-Ländern bewegt hat, erinnert er an die Apartheid in Südafrika. Es war eines der ersten Themen, das ihn intensiv beschäftigte. Als er in den Medien sah »wie brutal Mensch mit anderer Hautfarbe miteinander, gegeneinander umgingen«, sei er unglaublich erschüttert gewesen. »Ich hätte nie im Leben geglaubt, dass ich das erlebe, dass die Apartheid aufhört. Wenn Sie heute in Südafrika sind, dann werden sie feststellen, dass noch lange nicht alles in Ordnung ist. Dann werden Sie aber auch feststellen, dass die Schwarzen und Weißen sich nicht bekriegen, wie es früher der Fall war.«. Die Apartheid endete 1994. Erstmals fanden freie und geheime Wahlen statt, an denen auch die schwarzen Bürger teilnehmen durften und Nelson Mandela zum Staatspräsident gewählt wurde.

Als Mandela nach 27 Jahren Haft 1990 entlassen wurde, war er Gast von Willy Brandt in der SPD-Zentrale in Bonn. Als SPD-Mitglied, das sich sehr gegen die Apartheid engagierte, erhielt auch Ceki eine Einladung. »Ich hatte die Ehre und dann stand Nelson Mandela so vor mir wie Sie jetzt, “Hello, Ladislav Ceki”, da bin ich dahingeschmolzen, die Tränen rechts und links«, war das für ihn der persönliche Höhepunkt seines Engagements in der Entwicklungspolitik.

Noch heute bestehe in Südafrika Handlungsbedarf, gerade im Dialog mit der Bevölkerung, dem sich einige Initiativen widmen. Und obwohl auch immer neue Kriege und gewalttätige Konflikte entstehen, würden sich viele Dinge zum Positiven verändern. Als Optimist blickt Ceki in die Zukunft, »Ich vertrau darauf, dass die Einsicht wächst, dass es sich nicht lohnt Krieg zu führen.«.

Ladislav Ceki

Seit 1977 ist Ladislav Ceki in der Eine–Welt–Arbeit aktiv dabei, zuerst ehrenamtlich, seit 1991 hauptamtlich als Geschäftsführer des Eine Welt Forums Düsseldorf e.V.. Für das Eine Welt Netz NRW ist er seit 1996 Promoter für Düsseldorf und den Kreis Mettmann. Jährlich betreut er die Eine-Welt-Tage in Düsseldorf, wirkte am Aufbau der Kampagne "Düsseldorf Café" für Fairen Handel und ökologischen Anbau mit und beteiligt sich an dem Ausbau der Städtepartnerschaft von Düsseldorf und Mbombela (Südafrika).

Am 1. Juli 2010 wurde Ladislav Ceki für sein Engagement in der Eine-Welt-Arbeit mit dem Bundesverdienstorden ausgezeichnet.

 

Eine Welt Netz NRW gegründet 1991 - Dachverband entwicklungspolitischer Organisationen in Nordrhein-Westfalen, hat ein Bündnis der Eine-Welt-Engagierten aufgebaut. Dahinter steht das Leitbild einer weltoffenen Politik, gerechten Interessenausgleich zwischen Nord und Süd, globaler Umweltschutz, Demokratisierung, kulturelle Vielfalt, Einhaltung der Menschenrechte, zivile Konfliktlösung und Frieden.

 

Eine Welt Forum Düsseldorf e.V. hat seine Anfänge im Jahr 1979, als sich besonders die in Lateinamerika engagierten Düsseldorfer Gruppen begannen regelmäßig zu treffen, Erfahrungen auszutauschen, einzelne Förderprojekte und gemeinsame Aktionen zu beraten und zu planen. 1990 wurde der Koordinationskreis der Düsseldorfer "3. Welt-Gruppen" als gemeinnütziger Verein gegründet und wird seit dem Jahr 2000 als Eine Welt Forum Düsseldorf e.V. unter der Motivation "Global denken – lokal handeln" geführt.

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