Zugegeben, die deutschen Arbeitgeber halten bislang im internationalen Vergleich herzlich wenig vom Home Office - auch bei Tätigkeiten, die nicht zwingend eine Präsenz vor Ort erfordern. Denn hier gilt noch oftmals: Leistung wird eher an der Stechuhr gemessen und weniger nach erbrachten Ergebnissen. Als fleißig gilt, wer mindestens 8 Stunden pro Tag im Büro verbringt - wie viel Zeit man davon einfach nur seine Zeit absitzt, privat im Internet surft oder an der Kaffeemaschine verweilt, wird selten hinterfragt.
Durch die aktuelle Corona-Pandemie sind zahlreiche Unternehmen jedoch nun zum Schutz ihrer Belegschaft praktisch gezwungen, auf dezentrale Arbeitsmodelle umzusteigen. Hier liegt auch eine Chance: Wenn auch im Home Office eine gute Produktivität gewährleistet werden kann und gleichzeitig die Zufriedenheit der Mitarbeiter*innen erhöht wird, könnte dieses Konzept auch nach überstandener Krise eine höhere und bleibende Akzeptanz erfahren.
Doch auch wenn Home Office viele Vorteile hat (z.B. der Wegfall von Pendelwegen in überfüllten Zügen bzw. auf überfüllten Autobahnen, freie Zeiteinteilung, bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie), so darf man die Nachteile nicht außer Acht lassen. Das ist zum einen das erhöhte Stressrisiko, wenn Arbeit und die private Sphäre nicht mehr räumlich und zeitlich getrennt werden. Auch den Mangel an persönlichen Kontakten zu Kolleg*innen empfinden viele mit der Zeit als Belastung. Einige fahren zwar gerade durch die Ungestörtheit zur Höchstform ihrer Produktivität auf, aber in aller Regel benötigen wir von Zeit zu Zeit den Ideenaustausch und inspirierende Impulse von anderen, um wirklich kreative und gute Ergebnisse zu erzielen.
Schwierigkeiten bereitet vielen Teams natürlich auch die Tatsache, dass die Umstellung auf die Heimarbeit nicht geplant und schrittweise, sondern aufgrund der Dringlichkeit der Schutzmaßnahmen quasi über Nacht erfolgen musste. Viele Menschen müssen sich somit unfreiwillig und völlig unvorbereitet nun irgendwie mit der neuen Arbeitssituation arrangieren und fühlen sich zu Recht überfordert.
Wir vom NachhaltigeJobs-Team haben schon einiges an Erfahrung bzgl. Arbeiten im Home Office und daher für dich eine Reihe von Tipps zusammengestellt, wie du deine Arbeit und die Kommunikation mit deinem Team am besten organisieren kannst.
Das Heim-Büro einrichten
Ein ganz grundlegender Faktor ist das Equipment bzw. die Ausstattung des eigenen Home Office. Optimal ist es natürlich, wenn du dir ein eigenes Arbeitszimmer einrichten und den Arbeitsbereich auch räumlich klar von den anderen Lebensbereichen trennen kannst. Denn wenn du nach getaner Arbeit die Tür zu deinem Büro schließen kannst, stellt sich leichter ein »Feierabendgefühl« ein, da die übrigen Bereiche deiner Wohnung klar mit Erholung und privaten Aktivitäten assoziiert werden. Nicht empfehlenswert ist hingegen z.B. das Arbeiten direkt vom Bett aus (auch wenn das sehr gemütlich klingt) - denn so wird es dir unnötig schwer fallen, zwischen Arbeits- und Erholungsmodus zu wechseln und deine Gedanken vor dem Einschlafen nicht um offene To-Dos kreisen zu lassen.
Natürlich ist ein separater Arbeitsraum nicht immer möglich. Doch auch bei begrenzter Wohnfläche kann die »Arbeitsecke« klar definiert und vielleicht sogar durch einen Raumtrenner, Vorhang, Teppich oder einfache Klebestreifen auf dem Boden auch optisch begrenzt und markiert werden. Für sehr kleine Wohnungen gibt es z.B. auch Schreibtischplatten inkl. Stauraum, die an die Wand montiert und nach getaner Arbeit hochgeklappt werden können.
Auch Aspekte wie genügend (möglichst natürliches) Licht, angenehme Sitzhöhe, bequeme (möglichst ergonomische) Sitzgelegenheit, ein ausreichend großer Bildschirm sowie eine möglichst geräuscharme Umgebung (z.B. sollte für den Arbeitsbereich kein Zimmer gewählt werden, welches zu einer Hauptstraße ausgerichtet ist) sollten beachtet werden. Auch sollten benötigte Papierdokumente oder andere Arbeitsmaterialien griffbereit in der Nähe platziert werden und sinnvoll geordnet werden können.
Wichtig ist, dass du dich in deinem Arbeitsbereich wohlfühlst. Richte es dir ein, wie es dir gefällt - ob mit einem schönen Foto oder deiner Lieblingspflanze auf dem Schreibtisch oder einem inspirierenden Bild an der Wand, ist ganz deiner Kreativität überlassen. Falls du Platz an der Wand hast, könnte ein aufgehängtes Whiteboard, eine Kork-Pinnwand oder einfach nur ein Flipchart-Papier eine gute Möglichkeit sein, um Notizen oder Inspirationen festzuhalten oder wilde Ideen zu skizzieren!
Auf sich selbst Acht geben und die richtige Balance finden
Entgegen der Befürchtung vieler Arbeitgeber*innen arbeiten Menschen im Schnitt vom Home Office aus nicht weniger, sondern tendieren laut einer Studie des International Labour Office (ILO) ganz im Gegenteil dazu, Überstunden zu machen und ihr Bedürfnis nach Erholung zu vernachlässigen. Daher ist also die Voraussetzung für ein gelingendes Home Office auch die Fähigkeit zu sagen: »Jetzt ist Schluss.«
Planung ist das A und O
Daher sind ein bewusstes Zeit- und Aufgabenmanagement sowie klar definierte Arbeitszeiten - die auch explizit mit dem Team und den Vorgesetzten abgesprochen werden - ganz essentiell. Dazu gehört auch eine gewisse Portion Selbstdisziplin, eben nicht um 22 Uhr wieder den PC hochzufahren und doch noch ein paar Mails zu beantworten. Wobei es natürlich auch Menschen gibt, die schlicht zu den »Nachteulen« zählen und erst gegen Abend so richtig in Schwung kommen. Das ist ein großer Vorteil des Home Office: Wenn du den Tag lieber für andere Dinge, z.B. Sport oder Erledigungen nutzen möchtest und dies mit den Erreichbarkeitsanforderungen deines Arbeitgebers vereinbar ist, steht es dir frei, dir deine Arbeitszeit so einzuteilen, wie es am besten zu deinem persönlichen Rhythmus passt. Allerdings solltest du stets deine Arbeitszeiten im Blick behalten und darauf achten, nicht in Stress zu geraten, weil du zu viele Aktivitäten und Aufgaben in einen einzelnen Tag packen willst.
Hilfreich kann es sein, sich mindestens einmal pro Woche eine Aufgabenliste zu erstellen, die offenen Punkte zu priorisieren und in einen Zeitplan zu bringen - so siehst du sofort, ob dein anvisiertes Pensum überhaupt in der verfügbaren Zeit machbar ist oder wo du evtl. noch freie Kapazitäten hast.
Pausenzeiten einrichten
Außerdem ganz wichtig: Mach regelmäßig Pausen! Gerade wenn man im »Flow« ist und hochkonzentriert arbeitet, fällt es manchmal nicht auf, wie viel Zeit vergangen ist. Zuhause erinnern die Kolleg*innen eben nicht pünktlich an die gemeinsame Mittagspause. Trotzdem solltest du diese im Home Office natürlich nicht ausfallen lassen. Am besten legst du dir feste Pausenzeiten vorab fest. Sowieso ist Sitzen das neue Rauchen - es ist für die Gesundheit nachgewiesenermaßen verdammt schädlich. Wer keinen höhenverstellbaren Schreibtisch hat, sollte jede halbe Stunde zumindest kurz einmal aufstehen. Mach dir einen Tee oder eine kleine Dehnübung und vor allem mal den Kopf frei. Auch Telefonate eignen sich perfekt, um ein paar Runden in der Wohnung zu drehen. Und apropo Mittagessen: Warum sich nicht auch ab und zu mit den Kolleg*innen zu einer digitalen Mittagspause via Online-Meeting verabreden?
Was eine kreative Pausengestaltung angeht, kannst du auch hier die Vorteile des Home Office voll auskosten: Ob Yoga, Freestyle-Tanzeinlage zur Lieblingsmusik, mit dem Haustier toben oder ein Power Nap - was im Büro in Gegenwart der Kolleg*innen undenkbar wäre, kann in den eigenen vier Wänden hemmungslos ausgelebt werden!
Die Macht der Gewohnheiten: Routinen einrichten und Ablenkungen vermeiden
Routinen schaffen
Nicht nur eine klare räumliche Trennung, sondern auch eine bewusste Etablierung von Routinen hilft, die Grenze zwischen Arbeit und Privatem nicht verschwimmen zu lassen. Daher ist es ratsam, sich z.B. morgens einen Wecker zu stellen, die übliche Morgenroutine beizubehalten und in Alltagskleidung in den Arbeitstag zu starten. Spätestens, wenn um 16 Uhr die*der Paketbot*in klingelt und man sich nicht traut, im Zahnpasta-befleckten Pyjama die Türe zu öffnen (ich spreche aus eigener Erfahrung), beschleicht einen das Gefühl, dass ein wenig mehr Routine dann doch ganz gut tun könnte ;)
Zudem hilft dies auch dabei, den eigenen Familienmitgliedern, etwa Kindern, gegenüber zu signalisieren »Jetzt arbeitet Mama bzw. Papa«.
Ablenkungen überlisten
Eine der größten Tücken im Home Office sind die schier unzähligen Möglichkeiten, sich (entweder aktiv oder auch ungewollt) ablenken zu lassen und somit völlig aus dem Zeitplan zu geraten, so dass der Arbeitstag sich bis in den Abend hinein in die Länge zieht. Sei es, dass man »nur mal eben« die Wäsche aufhängt, zwischendurch Youtube-Videos schaut (und zack ist schon wieder eine Stunde rum…) oder alle Viertelstunde in den Kühlschrank schaut (vielleicht hat man ja doch einen Schokoriegel übersehen). Doch auch bei einer guten Selbstdisziplin kann es sein, dass z.B. die*der Partner*in oder die Kinder die Konzentration immer wieder unterbrechen. Auch die digitale Kommunikation innerhalb des Teams kann ein Störfaktor sein - ist das Chat- oder Email-Programm ständig geöffnet, lenkt das ständige »Ping« einer eingehenden Nachricht von dem ab, worauf man sich gerade fokussieren wollte.
Hier kann es helfen, sich gemeinsam mit den Kolleg*innen und Vorgesetzten auf spezifische Zeitfenster zu einigen, in denen man z.B. telefonisch oder digital erreichbar ist. Darüber hinaus raten Expert*innen, Emails nur zwei oder drei Mal am Tag zu abzurufen und sich für deren Beantwortung ebenfalls klare Zeitfenster zu setzen. Natürlich sollten auch gegenüber der Familie die eigenen Arbeitszeiten klar kommuniziert werden und um Rücksichtnahme gebeten werden.
Gegen die eigenen Ablenkungsmanöver hat sich z.B. die »Nur-noch-10-Minuten«-Technik bewährt: Wenn du während der Arbeit den Drang verspürst, z.B. auf dein Smartphone zu schauen oder dir den fünften Vormittagssnack aus dem Kühlschrank zu holen, halte inne und vereinbare mit dir selbst »Nur noch 10 Minuten bei der Sache bleiben«. Wenn das Bedürfnis nach diesen 10 Minuten immer noch da ist, erlaube dir, ihm nachzugeben. Aber du wirst überrascht sein, wie oft sich der Impuls beruhigt oder du ihn ganz vergisst.
Weitere sehr naheliegende, aber überaus effektive Strategien sind: Türe schließen, Kopfhörer mit Geräuschunterdrückung, das Smartphone auf lautlos stellen (oder am besten gleich in ein anderes Zimmer legen) und ablenkende Browser-Tabs, wie z.B. die der eigenen Social Media-Accounts oder auch die neuesten, beunruhigenden News zu den aktuellen Corona-Infektionszahlen, zu schließen.
Teamkommunikation und digitale Meetings
Eine gute Kommunikation mit dem eigenen Team auch digital aufrecht zu erhalten, ist sicherlich herausfordernd, aber mit den richtigen Strategien und Tools definitiv möglich.
In Verbindung bleiben
Prinzipiell ist es ratsam, regelmäßige Termine festzulegen, wo über digitale Kommunikationswege Aufgaben geplant und Ergebnisse reflektiert, aber auch über zwischenmenschliche Aspekte gesprochen und Erfolge gemeinsam gefeiert werden. Besonders in unsicheren Zeiten wie der aktuellen Corona-Krise tut es dabei unglaublich gut, nicht nur Aufgaben zu besprechen, sondern im Gespräch auch bewusst Raum für persönlichen Austausch von Mensch zu Mensch zu schaffen: Was bewegt uns gerade persönlich? Welche Gedanken, Unsicherheiten oder Ängste beschäftigen uns? Wie können wir uns gegenseitig unterstützen? Nicht zuletzt ist das Gefühl von Zugehörigkeit, Solidarität und gegenseitiger Wertschätzung die wichtigste Grundlage, um im Team produktiv arbeiten zu können.
Schreiben ist silber, sprechen ist gold
Dabei sind Telefon- und Videokonferenzen, wann immer möglich, Emails oder Chats vorzuziehen. Abgesehen davon, dass sie schriftliche Klärung von Fragen oftmals unglaublich umständlich ist, birgt diese Art der Kommunikation auch stets das Risiko von Missverständnissen und Konflikten. Wir Menschen brauchen nunmal die Stimme und die Mimik der anderen, um Botschaften richtig einordnen zu können.
Fauxpas vermeiden
Bei Videokonferenzen, die in den eigenen vier Wänden stattfinden, sollten einige Aspekte beachtet werden.
Natürlich kann es immer mal passieren, dass die Technik streikt. Viele Pannen können jedoch vermieden werden, indem man sich vor der ersten Anwendung der Software etwas Zeit nimmt, um sich mit dem Programm vertraut zu machen. Denn oftmals müssen ein paar Voreinstellungen vorgenommen werden, z.B. ein Plug-in für den Internet-Browser installiert oder Mikrofon und Webcam freigegeben werden. So können beim Meeting selbst lästige und unnötige Verzögerungen vermieden werden.
Desweiteren ist es sinnvoll, dir vorab bewusst zu machen, was die Webcam deinen Kolleg*innen während des Meetings eigentlich von deiner sehr privaten Umgebung zeigt. Schließlich zeigt die Webcam nicht nur dich, sondern auch das Zimmer im Hintergrund oder Gegenstände auf deinem Schreibtisch. Ein Bücherregal im Hintergrund sollte in der Regel völlig unkritisch sein. In deinen offenen, chaotischen Kleiderschrank möchtest du jedoch deinen Vorgesetzten wahrscheinlich keinen Einblick gewähren. Räume vor dem Meeting also alles aus dem Blickfeld, was einen unprofessionellen Eindruck machen könnte oder du schlicht privat halten möchtest. Einige Meeting-Programme bieten auch die Funktion, den Hintergrund unscharf darzustellen. Sieht zwar etwas seltsam aus, aber wenn du keine Zeit zum Aufräumen hattest, sicherlich eine geeignete Notlösung.
Kurze Fragen im Chat klären
Natürlich macht es andererseits keinen Sinn, für jede kurze, schnell zu klärende Frage ein Online Meeting einzuberufen oder die Kolleg*in ständig mit Anrufen zu belagern. Daher gehört für Teams, die im Home Office arbeiten, ein Chat-Programm zur Grundausstattung.
In vielen Chat-Programmen kannst du verschiedene Kanäle (»Channels«) einrichten z.B. für verschiedene Themen oder Projekte, so dass nur die relevante Personen benachrichtigt werden. Auch eins-zu-eins-Chats sowie Gruppenchats mit dem ganzen Team sind möglich. Außerdem kann durch die eigene Statusanzeige signalisiert werden, wann man für die Kolleg*innen erreichbar ist.
Wissensmanagement in der Cloud
Arbeitet man gemeinsam an Projekten oder Aufgaben, muss natürlich der Zugriff auf die relevanten Dokumente für alle Beteiligten gewährleistet werden. Ist eine Nutzung der firmeninternen Datenbank aus dem Home Office heraus nicht möglich, bieten sich sog. Cloud Services an, über die von überall aus auf Dateien zugegriffen werden kann. Natürlich sollten bei der Wahl des Softwareanbieters auch datenschutz- und sicherheitsrelevante Aspekte beachtet werden.
Scanner fürs Handy
Super praktisch sind auch Apps, mit denen sich die Handykamera als Scanner nutzen lässt. Schließlich hat nicht jede*r einen Scanner zu Hause stehen. So können wichtige Dokumente ganz fix in pdf-Dateien gespeichert und direkt mit dem Team geteilt oder in die virtuelle Ablage bzw. Cloud geladen werden.
Wir wünschen frohes Schaffen!