Dieser Gastartikel wurde verfasst von Zoé Levit.
Der CO₂-Ausstoß des Internets
Wir mögen es nicht gerne hören, aber das Internet, das wir tagtäglich benutzen, ist ein ziemlicher Klimakiller. Wäre das Internet ein Land, dann würde es in den CO₂-Emissionen ganz knapp hinter Japan landen (Statista 2023) und bis 2025 werden sich die Emissionen voraussichtlich verdoppeln.
Was es auch gut auf den Punkt bringt: Der viel kritisierte Flugverkehr weltweit verschmutzt die Welt in sehr ähnlichem Ausmaß wie das Internet. Auf Flugreisen zu verzichten ist ein logischer Schritt, doch wie kann das Internet weniger CO₂-Emissionen verursachen?
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Coder:innen haben den Hebel für Veränderungen in der Hand
Programmierer:innen entwickeln Websites, Programme, Apps, Spiele, KI-Systeme – das, was wir tagtäglich im Netz aufsuchen. Sie haben also einen maßgeblichen Einfluss darauf, wie das jeweilige Endprodukt aussieht und wie viel Energie es verbraucht. Die Art und Weise, wie eine Software programmiert wird, kann die Klimabelastung beeinflussen. Coder:innen können bestimmen, ob aus ihrem Code eine alte, gemütliche Dampflok geschaffen wird, oder ein effizienter Hochgeschwindigkeitszug, der weniger Emissionen produziert und schneller ans Ziel kommt – natürlich nur symbolisch.
Ähnlich wie beim Beispiel mit den Zügen ist die Bauart des Codes entscheidend, wenn es um die CO₂-Emissionen der Software geht. Hier haben Coder:innen den Hebel in der Hand, den Code so zu schreiben, dass er klimabewusst ist.
Eine Codezeile nach der anderen gegen den Klimawandel
Abgesehen davon, dass Code auch die Grundlage für Anwendungen sein kann, die real die Umwelt schonen – wie etwa intelligente Verkehrsmanagementsysteme, die aktiv Staus reduzieren und den Kraftstoffverbrauch senken – kann mit den richtigen Methoden klimafreundlicher programmiert werden. Software kann in zwei Richtungen gehen, sie kann entweder ein Klimaproblem sein oder ein Teil der Lösung.
Was genau können Coder:innen beeinflussen?
Im Prinzip geht es darum, mit zum Teil drastisch weniger Rechenleistung zum gleichen Ergebnis zu kommen. Das bedeutet dann weniger Stromverbrauch und wenn es genügend Programmierer:innen machen, ergibt das: weniger Server, weniger Flächenverbrauch, weniger Verbrauch von Wasser für Rechenzentren.
Fünf große Hebel dafür sind:
Je nachdem, ob die Green Coder:in Websites entwickelt, Apps oder Software, unterscheiden sich die Möglichkeiten und haben jeweils unterschiedlich große Auswirkungen. Wichtige Bereiche, um zu starten, sind die folgenden:
1. Eingesetzte Hard- und Software
Es beginnt bereits bei der Wahl der eingesetzten Technologie. Also wo und wie wird zum Beispiel eine Website gehostet – oder wie oft synchronisiert sich eine App oder Software mit einem zentralen Server? Oder nutzt man statt eines klassischen Servers moderne Möglichkeiten, Rechenkapazität nur dann zu nutzen, wenn auch tatsächlich Berechnungen stattfinden? Wie sehr lässt man alles ständig neu berechnen und dynamisch erstellen? Oder nutzt man die Möglichkeit, so viel wie möglich nur einmalig zu berechnen und dann direkt die Ergebnisse weiterzunutzen?
2. Regelmäßige Updates
Wichtig sind regelmäßige Upgrades von Software, Laufzeitumgebungen und Komponenten, da diese Updates nicht nur aus Sicherheitsgründen relevant sind, sondern eben oft auch Effizienzverbesserungen mit sich bringen.
3. Zwischenspeichern von Daten
Das Implementieren von Caching-Strategien, also dem Zwischenspeichern von Berechnungsergebnissen oder Daten näher am Ort der Nutzer:innen, kann die Belastung der App, des Dienstes und des Netzwerks deutlich reduzieren.
4. Effizientes Programmieren
Die Programmiersprachen sind an sich schon unterschiedlich energieeffizient. Unabhängig von der gewählten Programmiersprache gibt es aber auch universelle Best Practices für effizientes Coden, wie das Vermeiden von verschachtelten Schleifen, das Entfernen unnötiger Bibliotheken oder Abhängigkeiten und die Auswahl des am besten geeigneten Algorithmus für die Aufgabe.
5. Verlagern von Rechenprozessen
Gerade bei umfangreicheren Berechnungsprozessen ist das Verlagern von Rechenprozessen eine gute Möglichkeit. Dies kann zeitlich oder räumlich geschehen. Die Idee hinter diesem »carbon-aware computing« ist, dass Stromnetze zu unterschiedlichen Uhrzeiten und in unterschiedlichen Regionen unterschiedlich sauberen Strom beinhalten. Daher verlagert man Rechenprozesse hierbei nach Möglichkeit zeitlich oder räumlich, um mit mehr verfügbarem grünem Strom durchgeführt zu werden.
Wie sieht der Berufsalltag von »grünen Coder:innen« aus?
Michael Voit ist Green Coder bei °Cleaner Web und Entwickler hinter den Programmen der Initiative. °Cleaner Web hat ein Label entwickelt, das klimafreundliche Websites auszeichnet, wenn sie eine Prüfung – ein Audit – bestehen.
Sein Arbeitsalltag ist sehr abwechslungsreich. Er programmiert klimabewusste Software und Lösungen, um das Internet umweltfreundlicher zu gestalten. Er vernetzt sich mit anderen aus der Bewegung, hält Vorträge und unterstützt andere Coder:innen bei ihrer Arbeit. Es gehört für ihn auch dazu, sich Programme regelmäßig erneut anzuschauen und zu überarbeiten, um »Altlasten« im Code zu beseitigen. Er auditiert verschiedene Systeme, um Optimierungs-Chancen aufzudecken und führt entweder selbst Maßnahmen durch oder gibt Aufgaben weiter.
»Als Coder habe ich einen tollen weiteren Weg gefunden, um Maßnahmen gegen den Klimawandel umzusetzen, indem ich einerseits Software optimiere und andererseits neue entwickle, die Lösungen bereitstellt, um Websites energieeffizienter und klimabewusster zu programmieren.«
Auf die Frage, ob Michael sich als Klimaaktivist sieht, antwortete er: »Absolut. Ich gestalte seit Jahren mein Leben bewusst klimagerecht, bin in ein paar lokalen Initiativen aktiv und kann über meine digitalen Beiträge als Green Coder in einem großen Radius aktiv sein.«
Teamwork makes the sustainable Dream work
Bei der Umsetzung von Projekten wie zum Beispiel bei einer Website sind oft mehrere Personen beteiligt, nicht nur Entwickler:innen! Auch Designer:innen, Projektmanager:innen und Texter:innen gehören zu einem Website-Team, um bei dem Beispiel zu bleiben. Es ist wichtig, dass alle im Team an einem Strang ziehen und bereits bei der Ideenfindung das Klima mitdenken. So kann das Design möglichst klimabewusst gestaltet werden, die Content-Person kann Bilder und Grafiken sparsam einbinden und die Projektmanager:innen behalten die Klimabilanz der Website im Auge.
Wie können Coder:innen sich zum »grünen Coden« weiterbilden und Informationen zu dem Thema bekommen?
Für Programmierende oder Interessierte, die ihr Wissen im Bereich des »grünen Codens« erweitern möchten, gibt es verschiedene Bildungs- und Informationsquellen. Eine Möglichkeit besteht darin, an Konferenzen, Vorträgen und Treffen teilzunehmen, um sich mit Gleichgesinnten auszutauschen und von Expert:innen zu lernen. Denn es gibt bereits eine Green Coding Movement, das stetig wächst! Diese Veranstaltungen dienen sowohl zum Informieren über aktuelle Entwicklungen und Best-Practice-Beispiele als auch zum Aufbau von Netzwerken. Die Green Hack Konferenz beispielsweise bringt über 3 Tage Akteur:innen zusammen, die sich mit umweltverträglicher Entwicklung und den größten Herausforderungen der Zukunft beschäftigen. Und die Green Software Foundation hat ein Training für grüne Software
entwickelt.
Das Projekt °Cleaner Web, das sich auf die Förderung eines nachhaltigen Internets konzentriert, ist ebenfalls ein wertvoller Ressourcenpool für Coder:innen. Das Projekt bietet eine umfassende Sammlung von Links, Ressourcen und Tools fürs Green Coding und Webentwicklung. Durch die regelmäßige Bereitstellung von Inhalten und nützlichen Informationen in ihrem Newsletter gibt °Cleaner Web nützliche Insights und Wissen über nachhaltige Technologien und Praktiken.
Nicht nur Coder:innen können sich fürs Klima einsetzten
Wir sind heute fast alle online. Das bedeutet, dass jede:r Einzelne Einfluss auf den Energieverbrauch des Internets hat. Eine Suchanfrage bei Google verursacht 0,2 g CO₂, das Versenden einer E-Mail ohne Anhang 4 g und eine Stunde Videokonferenz oder Videostreaming sogar 400 g CO₂. Zum Vergleich:
Ein Kilometer Autofahren verursacht durchschnittlich 150 g CO₂ (Statista 2023). Also auch das eigene Internet-Konsumverhalten spielt eine Rolle. Ebenso haben Unternehmen einen großen Hebel, indem sie ihre Aufträge, die einen Code als Grundlage haben, mit dem Ziel vergeben, ein möglichst klimafreundliches Ergebnis zu erhalten.
In vielen Fällen setzen Coder:innen die Visionen und Ideen von anderen um, die konkrete Entwicklung liegt allerdings in ihrer Hand. Daher haben sie die Möglichkeit, auf das Produkt positiv einzuwirken. Und genau hier liegt die Chance, die Digitalisierung insgesamt klimafreundlich zu beeinflussen. Ein klimabewusstes Umdenken ist hier dringend notwendig, denn derzeit verbraucht die IT fünf bis neun Prozent des weltweiten Stroms. Erfolgt kein Umdenken, werden es 2030 mehr als ein Fünftel sein.
Coder:innen sind die Klimaaktivist:innen des Internets
Coder:innen sind ganz klar potenzielle Klimaaktivist:innen in der IT. Mit gezielten Maßnahmen können sie den Energieverbrauch des Internets gestalten und minimieren. Ihre Entscheidungen in den jeweiligen Projekten bestimmen, in welche Richtung die Zukunft unseres Internets gehen wird – und wünschenswert ist ganz klar die klimafreundliche!
Über Zoé Levit
Zoé Levit ist eine vielseitige Expertin in den Bereichen Content-Erstellung, SEO und Projektmanagement. Sie hat sich darauf spezialisiert, Inhalte zu produzieren, die nicht nur spannend, sondern auch für eine breite Zielgruppe verständlich sind. Ihre Stärke liegt darin, Inhalte userfreundlich, klimabewusst und ästhetisch ansprechend zu präsentieren, ohne dabei die Anforderungen der Suchmaschinenoptimierung zu vernachlässigen. Als Projektmanagerin behält Zoé stets den Überblick bei Web-Entwicklungsprojekten und zeigt dabei viel Ruhe und Organisationstalent. Als Freelancerin ist sie in das ACB-Netzwerk eingebunden und unterstützt das Projekt °Cleaner Web, das sich dafür einsetzt, das Internet nachhaltiger zu gestalten und das Bewusstsein für dieses Thema zu schärfen.