Manchmal höre ich diese Frage noch: »Wie lässt sich das bei Euch vereinen: Wirtschaftlichkeit und sozialer Impact?« Doch sie wird mir immer seltener gestellt. Warum? Weil wir inzwischen als normales Unternehmen wahrgenommen werden – allerdings mit besonderen Mitarbeitern.
Ich arbeite bei auticon, dem ersten Unternehmen in Deutschland, das ausschließlich Menschen im Autismus-Spektrum als Consultants in der IT-Qualitätssicherung einsetzt. Wir stellen sie auf Grund ihrer herausragenden Stärken ein. Menschen im Autismus-Spektrum können Muster in Daten und kleinste Abweichungen in Programmcodes extrem schnell erfassen. Eigenschaften, die im IT-Bereich sehr gefragt sind. Das ist unser wirtschaftlicher Ansatz.
Gleichzeitig haben es diese Menschen auf Grund Ihrer Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion auf dem ersten Arbeitsmarkt extrem schwer. Nur 5 bis 10 Prozent haben einen richtigen Job. Der Rest versauert in Langzeitarbeitslosigkeit, Beschäftigungsmaßnahmen oder in Behindertenwerkstätten. Dies zu ändern ist unser sozialer Anspruch.
Die Faktoren für den Erfolg
Es gibt im Grunde drei entscheidende Faktoren für den Erfolg dieses Ansatzes. Zum ersten ist das die Offenheit unserer Kunden neue, innovative Wege zu gehen und die Stärken unserer Mitarbeiter zu erkennen. Das Silicon Valley ist voll von Entwicklerinnen und Entwicklern, denen eine Nähe zum "Spektrum" nachgesagt wird. In Deutschland sind diese Stärken allerdings oft noch unerkannt.
Der zweite Faktor zum Erfolg ist das Matching "autistisches Spezialinteresse" mit der Berufswahl. Neben ihren Fähigkeiten in Mustererkennung und im Fehlerfinden, haben Menschen im Autismus-Spektrum oftmals ein Interessengebiet, auf dem sie tief gehendes Expertenwissen haben. Das kann ein Interesse für eine bestimmte Insektengattung sein – aber eben auch das Finden von Programmierfehlern. Und genau diese Mitarbeiter suchen wir: Wenn das Spezialinteresse mit dem Job zusammenfällt, wird er zu einer Berufung.
Der dritte Faktor sind die auticon-Job Coaches. Sie sind die Garanten dafür, dass sich unsere Mitarbeiter bei unseren Kunden ganz auf Ihre Arbeit konzentrieren können. Job Coaches sind bei der Arbeit mit Menschen im Autismus-Spektrum so wichtig, weil sie ihnen Sicherheit geben. Und Sicherheit ist einer der wichtigsten Aspekte für eine erfolgreiche Inklusion von Menschen im Autismus-Spektrum. Dabei geht es nicht darum, dass unsere Job Coaches vor Ort bei unseren Kunden sitzen. Sie handeln vielmehr nach der Devise "So wenig Unterstützung wie möglich, soviel wie nötig". Dieser Ansatz des Self-Empowerments unterstreicht unser Selbstverständnis: Wir wollen keinen Sonderstatus sondern sind davon überzeugt, dass unsere Mitarbeiter mindestens so gute Arbeit leisten können, wie nicht-autistische Kollegen.
Die Rahmenbedingungen müssen nur stimmen. Und zu diesen gehört, dass sowohl unsere Consultants, wie auch unsere Kunden wissen: Im Zweifel ist ein Job Coach da!